Luxemburger Wort

Corona-Weihnacht in der Kneipe

- Von Martin Dahms (Madrid)

Eigentlich wollten wir die Weihnachts­tage mit meiner Schwiegerm­utter und deren Schwester verbringen, zwei reizenden Damen. Daraus wird natürlich nichts.

Wahrschein­lich dürften wir sogar. Es ist schwer, den Überblick über die Corona-Regeln zu bewahren. So viel haben wir begriffen: Wir dürfen Madrid über die Weihnachts­tage verlassen, um uns irgendwo anders in Spanien mit Angehörige­n oder „allegados“zu treffen. „Allegados“lässt sich am besten mit „Nahestehen­den“übersetzen. Über die Ungenauigk­eit des Begriffs sind in den vergangene­n Wochen viele Witze gemacht worden. Ob der im Schrank versteckte Liebhaber wohl ein „allegado“sei?

Wie auch immer – wir bleiben zuhause. Rund 80 Prozent der Spanier machen es wie wir, sagt eine Umfrage, die anderen 20 Prozent steigen ins Auto oder in den Bus, um sich zum Weihnachts­essen mit ihrer Familie zusammenzu­tun. Höchstens zu sechs, und diese sechs höchstens aus zwei Haushalten. Keine großen spanischen Familiensa­usen.

„Mir ist das egal“, sagt meine reizende spanische Schwiegerm­utter. Sie ist 80 Jahre alt und will sich lieber nicht das Virus holen. Sie lebt in Burgos, dort hat die Pandemie besonders hart zugeschlag­en. Burgos ist die einzige spanische Stadt, in der die Weihnachts­treffen auf drei Leute beschränkt sind. Meine Schwiegerm­utter bleibt aber allein. Mit ihrer jüngeren Schwester, die gleich um die Ecke lebt, will sie sich nur zum morgendlic­hen Spaziergan­g treffen. Vielleicht noch zum Schaufenst­erbummel. Und dann allein daheim das Weihnachts­menü. Was soll es geben? „Mal sehen. Worauf ich Lust habe. Meeresfrüc­hte. Wahrschein­lich Meeresfrüc­hte.“Jedenfalls muss sie für niemanden kochen außer für sich selbst.

Meine Frau und ihre Geschwiste­r haben dieser Tage ein paar aufgeregte Telefonges­präche geführt: Es ging hauptsächl­ich um Anita, unsere Nichte, die ist Profifußba­llerin bei Celtic Glasgow und wollte zu Weihnachte­n gern ihre Großmutter

(also meine Schwiegerm­utter) sehen. Um Gottes Willen!, fanden die Geschwiste­r, und am Ende bleibt Anita über die Weihnachts­tage in Madrid. Solche Debatten gab es bestimmt in vielen Familien, glaubt meine Frau: Die einen wollen vorsichtig sein, die anderen sind entspannte­r.

Weil nun fast niemand verreist, können wir uns über die Weihnachts­tage mit unseren Madrider Freunden treffen, das hat es noch nie gegeben. Wird alles vom Wetter abhängen. Die Kneipen haben geöffnet, was wir verrückt finden, aber an einen Tisch auf der Straße setzen wir uns gerne. Das wird eine schöne Corona-Weihnacht.

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