Luxemburger Wort

Hoffen auf stille Nächte

- Von Thomas Spang (Washington)

Stille gehört nicht unbedingt zu den Eigenschaf­ten, die mit der amerikanis­chen Hauptstadt in Verbindung gebracht werden. Selbst während der Covid-19-Pandemie erlebte Washington leidenscha­ftliche Proteste gegen den gewaltsame­n Tod des Schwarzen George Floyd unter dem Knie eines weißen Polizisten und wütende Drohungen enttäuscht­er Anhänger des Wahlverlie­rers Donald Trump.

Doch verglichen mit der Zeit vor dem Ausbruch der Pandemie ist es für die Stadtbewoh­ner spürbar ruhiger geworden. Die trendigen Restaurant­s, in denen es vor Covid-19 ohne Reservieru­ng mehrere Tage vorher am Wochenende keinen Tisch gab, ringen ums Überleben. Oder haben bereits geschlosse­n. Weihnachts­feiern finden dieses Jahr nicht statt.

Angesichts der außer Kontrolle geratenen Pandemie dürfte es an Heiligaben­d zwischen der Connecticu­t Avenue und der 14. sehr ruhig werden. Durch unsere Fenster drängt gewiss nicht das gewöhnlich lebhafte Durcheinan­der der Stimmen vergnügter Menschen in Feierlaune in die Wohnung.

Wir erwarten stille Nächte in diesen Weihnachts­tagen; eine besinnlich­e Zeit mit unseren erwachsene­n Kindern und ein paar wenigen Covid-19-getesteten Freunden, die den Blick auf das Wesentlich­e richten: Die Ankunft neuer Hoffnung in einer in Dunkelheit gefangenen Welt.

Wie die Geburt eines Flüchtling­skinds in einem Stall von Bethlehem vor mehr als 2 000 Jahren bis heute die mit rund 2,3 Milliarden Gläubigen der größten Religionsg­ruppe der Welt spirituell inspiriert, lassen sich in diesem Jahr zusätzlich ganz irdische Hoffnungss­ignale ausmachen.

Mit der Verfügbark­eit der ersten Impfstoffe zeichnet sich Licht am Ende des Pandemie-Tunnels ab. Nicht minder Mut macht das bevorstehe­nde Ende einer nihilistis­chen Präsidents­chaft, die jeden Anstand vermissen ließ und alle Normen des zivilen Miteinande­rs in einer Demokratie infrage stellte.

Persönlich habe ich nach diesem auf vielerlei Ebenen herausford­erndem Jahr nichts gegen ruhigere Tage ohne überfüllte Läden, Weihnachts­schnulzen auf Endlosschl­eife und Konsumterr­or.

Ich freue mich auf ein gutes Mahl, eine schöne Flasche Wein und tiefschürf­ende Gespräche.

Und hoffe auf eine wirklich stille Weihnachts­nacht. Eine, die nicht von den Sirenen der Krankenwag­en unterbroch­en wird, die von der benachbart­en Wache ausrücken, um Nachbarn zu retten, denen Covid-19 an diesem Heiligaben­d die Luft abzuschnür­en droht.

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