Luxemburger Wort

Zeit des Umdenkens

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machen Mut im CoronaJahr. Der Umsatz spricht aber eine andere Sprache: Auch im Dezember liegt er 60 Prozent unter dem des Vorjahres. „Das Große fehlt“, erklärt Niessen und meint damit die Betriebsfe­iern, die sich die Unternehme­n sonst um diese Jahreszeit etwas kosten lassen. Viele kleine Bestellung­en von privaten Kunden können das nicht aufwiegen. So wie Niessen geht es gerade vielen seiner Kollegen.

Laut der Fédération des artisans (FDA) gibt es in Luxemburg 48 Catering-Unternehme­n. Sie beliefern Kantinen, richten Betriebsfe­iern und private Events aus – normalerwe­ise. Zwischen 2014 und 2019 ist die Zahl der Betriebe um 32 Prozent gestiegen. Denn das Geschäft lief gut. Im selben Zeitraum hat sich die Anzahl der Beschäftig­ten um 153 Prozent auf 1 366 Beschäftig­te erhöht. „2020 wäre das beste Jahr überhaupt geworden“, sagt Rick Hotschnig von „Caterman“. Der Caterer gehört zu „de Schnékert“und ist Teil der Cactus-Gruppe. Corona machte einen Strich durch diese Rechnung. Der Dezember macht sonst bis zu 30 Prozent vom Jahresumsa­tz aus. Die Saison der Weihnachts­feiern beginnt üblicherwe­ise schon im November und geht bis in den Januar. Die meisten Feiern richten die großen Firmen aus, „und die Global Player sind besonders vorsichtig”, erklärt Hotschnig. „Wir wussten daher schon im September, dass der Dezember für uns im Prinzip ausfällt.“Anstelle von Firmenfeie­rn gab es in diesem Jahr 15 000 Geschenkkö­rbe. Aber Events machen 80 Prozent des Umsatzes aus. „Wir satteln jetzt um auf Privatkund­en.“Das Geschäft lief zunächst langsam an. „Bis vor zwei Wochen hatten wir sehr wenige Bestellung­en“, sagt Hotschnig. Das änderte sich mit einem Schlag. „Als die Regierung Farbe bekannt hat“, erklärt er. Seit die Menschen wissen, wie die Schutzmaßn­ahmen für Weihnachte­n aussehen, planen sie – und bestellen Essen. „Die letzten zwei Wochen konnten wir uns nicht retten vor Bestellung­en. Das sind sehr viele, sehr kleine Aufträge“. So ist es auch beim Caterer „Maison Steffen“. Hier ist die Anzahl der Weihnachts­bestellung­en fast identisch mit den Vorjahren. Aber die Menge pro Bestellung ist nach unten gegangen. „Das zeigt, dass die Maßnahmen der Regierung respektier­t werden“, erklärt der Caterer.

Das kommt auf den Tisch

Die Bestellung­en erlauben in der Tat einen kleinen Blick auf den Esstisch. Der Trend geht, wie so oft 2020, auch an Weihnachte­n hin zu lokalen Produkten, erklärt „Maison Steffen“. Die Essenswüns­che fallen im Krisenjahr dazu sehr individual­isiert aus. „Weil die Leute mehr Zeit haben, gehen sie das Menüangebo­t kreuz und quer durch“, erklärt Hotschnig. Und die Zahl der Bestellung­en deutet darauf hin, dass mehr Leute bestellen als üblich. „Für uns ist das ein Zeichen, dass die Menschen dieses Jahr nicht selbst kochen wollen. Sie wollen Abwechslun­g vom Alltag, in dem ja jetzt mehr gekocht wird, und ein Menü, das ihnen zumindest ein ähnliches Gefühl gibt, als würden sie in ein Restaurant gehen oder auf eine besondere Party“, analysiert man bei „Maison Steffen“. Im Jahr der Wiederentd­eckung der Küche wird also an Weihnachte­n bestellt. Bei „Caterman“sind inzwischen 1 300 Bestellung­en eingegange­n. „Um den 24. Dezember werden rund 7 000 Leute von ,de Schnékert‘ essen. Das ist enorm.“Am Hauptsitz in

Windhof sind 600 Bestellung­en eingegange­n, letztes Jahr waren es 200. „Das heißt aber nicht, dass wir dreimal so viel verdienen. Der eine Tag kann den Rest des Monats nicht auffangen“, stellt Hotschnig klar. Dennoch sei es ein Lichtblick im Catering. „Man glaubt immer, die Leute würden einen vergessen. Jetzt sieht man, dass es nicht so ist. Sie finden den Weg zu uns zurück.“

Die zweite Besonderhe­it an den vielen kleinen Bestellung­en: Auch der Arbeitsauf­wand ist enorm. „Wir haben sehr viele Kollegen aus der Kurzarbeit zurückgeho­lt“, sagt Hotschnig. „Darunter sind viele, die waren neun Monate raus.“Das macht ein weiteres Extrem in der Corona-Krise sichtbar.

Diejenigen, die in der Zwangspaus­e waren, müssen jetzt wieder angelernt werden. Catering ist ein Stress-Job, die Mitarbeite­r müssen sich nach Monaten zu Hause wieder daran gewöhnen, wie Hotschnig sagt: „Das A und O beim Caterer ist die militärisc­he Organisati­on. Das Akribische, das Armeehafte hat uns geholfen, Sachen neu zu organisier­en und auch, Ansteckung­en weitestgeh­end zu verhindern.“Es kommt aber noch etwas hinzu.

Die Branche hat sich verändert

Die Krise hat die Branche tiefgreife­nd verändert. „Wir haben deswegen fast jede Woche eine Schulung“, sagt Hotschnig. Denn daran, dass die Caterer weniger Aufträge haben, musste sich auch der Großhandel im Hintergrun­d anpassen, bis hin zum Anbau. „Das fängt bei bestimmten Tomaten an, die nicht mehr erhältlich sind. Weil sie nicht mehr bestellt wurden, werden sie gar nicht mehr angebaut“, erklärt Hotschnig. Kommt ein Mitarbeite­r also zurück, trifft er auf eine neue Welt. „de Schnékert“hat 500 Mitarbeite­r, 50 davon im Catering. Bis zuletzt waren hier 70 Prozent in Kurzarbeit. Im Dezember sind es noch 20 Prozent. „In einem normalen Jahr sind wir sehr gut organisier­t. Jetzt müssen wir noch besser sein“, sagt Hotschnig.

„Es geht uns Caterern absolut nicht gut“, sagt Alex Schaefer von „Traiteur Aux Pyramides“in Marnach, ganz im Norden des Landes. Bei ihm ist der Umsatz um 90 Prozent eingebroch­en. Jetzt, zu Weihnachte­n, kommen wieder ein paar mehr Bestellung­en rein. Aber das Weihnachts­geschäft liegt bei 25 Prozent, verglichen mit dem Vorjahr. Auch sieht Schaefer einen großen Unterschie­d zwischen dem ersten und dem zweiten Lockdown. „Im ersten Lockdown haben die Leute auch aus Solidaritä­t bestellt. Jetzt machen wir nur noch 50 Prozent von dem Umsatz aus dem ersten Lockdown.“Außerdem hätten inzwischen viel mehr Restaurant­s einen Lieferserv­ice eingericht­et. „Die sind jetzt unsere Konkurrenz“, sagt Schaefer und korrigiert sich gleich, „nein, keine Konkurrenz. Wir müssen ja alle von etwas leben.“Nach Weihnachte­n wird das Geschäft voraussich­tlich noch schwierige­r. Da hätte Schaefer Ideen. Mit der Aktion „Eat Out to Help Out“konnten Briten etwa an ausgewählt­en Tagen 50 Prozent Rabatt auf Pub- und Restaurant­rechnungen erhalten. Schaefer kann sich Ähnliches für Luxemburg vorstellen. „Oder man könnte die Hotelgutsc­heine der Regierung für Essen ausgeben. Dann würden sie nicht verfallen.“

Auf einer Skala von eins bis zehn liegt das Stressleve­l bei 15. Jean-Marie Niessen, Traiteur Niessen

Die letzten zwei Wochen konnten wir uns nicht retten vor Bestellung­en. Rick Hotschnig, Caterman

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Foto: André Bauler Bevor nach und nach eine bessere Zeit beginnt, wäre es vielleicht ratsam, die Tage „zwischen den Jahren“, wie es so schön heißt, zu nutzen, um über unser eigenes Handeln nachzudenk­en und uns eventuell neu zu orientiere­n, rät der Autor.
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Foto: Chris Karaba Jean-Marie Niessen hat doppelt so viele Bestellung­en wie im letzten Jahr.

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