Ein Moment der Wärme
Trotz erschwerter Bedingungen werden Obdachlose auch dieses Jahr mit einer Geste bedacht
Luxemburg. Weihnachten ist für Obdachlose auch ohne Pandemie eine schwere Zeit. Abgesehen von der Wetterlage kann auch Einsamkeit Probleme bereiten. In Covid-Zeiten kann dies noch schwieriger werden. Um all dem – im Einklang mit den aktuellen Verordnungen – entgegenzuwirken, haben Auffangstrukturen und Vereinigungen, wie Abrisud, Stëmm vun der Strooss oder Noël de la Rue, Vorkehrungen getroffen.
Für Léon Kraus ist Weihnachten eine Herzensangelegenheit. Zum 39. Mal veranstaltet der Präsident der Vereinigung Noël de la Rue die gleichnamige Veranstaltung, bei der Obdachlose am 25. Dezember eine möglichst schöne Bescherung erhalten. „An diesem Tag darf niemand zu kurz kommen“, so Léon Kraus. Für ihn ist Heiligabend für die Familie da und am darauffolgenden Weihnachtstag will er davon etwas an Bedürftige weitergeben. Doch geht das so einfach, wenn soziale Distanz das Gebot der Stunde ist?
Noël de la Rue mit Maske
„Wir hatten alles geplant für eine covidkonforme Weihnachtsfeier für 400 Menschen, mit Abständen und allem Drum und Dran. Aber das haben wir abgesagt.“Stattdessen werden morgen an sieben Standorten in der Hauptstadt, in Esch und in Ettelbrück kleinere Bescherungen stattfinden. Hauptveranstaltungsort ist der Hauptbahnhof in Luxemburg-Stadt. „Wir haben das mit der CFL durchorganisiert“, berichtet Kraus. Sicherheitsbeamte
werden darauf achten, dass alle sanitären Maßnahmen eingehalten werden. „Wir legen Wert auf Tracing.“Das heißt, die Namen aller Anwesenden werden notiert. Die 50 Freiwilligen, die an den sieben Orten helfen, werden sich nicht untereinander vermischen. Masken und Desinfektionsmittel stehen zur Verfügung.
Auf Nachfrage bestätigt Kraus, dass all dies höhere Kosten verursacht. Hinzu komme, dass die Einnahmen geschrumpft sind. „ Veranstaltungen, bei denen uns Erlöse von Ständen zugute kamen, sind abgesagt.“Insgesamt fehlten 50 Prozent der gewohnten Einnahmen. Man zehre an den Reserven.
Die Bescherung abzusagen sei dennoch keine Option. 500 Weihnachtsgeschenke in Form von Essensbeuteln samt je einem gefüllten Rucksack wurden vorbereitet. Darin sind je eine Mütze, drei Buffschals, Handdesinfektionsmittel, ein Teddybär und vieles mehr. Jeder erhält einen kleinen Anhänger für den Rucksack, der von den Kindern der Maison relais in Steinfort gebastelt wurde. Die Fraën a Mammen Norden haben 500 Muffins gebacken. Geschenke, die allesamt von Herzen kommen und etwas aus der Trostlosigkeit und der Einsamkeit heraushelfen sollen. „Nur das Beste“, sagt Léon Kraus zu der Qualität der Geschenke. Diese Wertschätzung hätten alle Menschen an Weihnachten, dem Tag der Ankunft von Jesus, verdient, sagt er und unterstreicht seine religiöse Motivation hinter der Aktion.
Haarschnitt bei der Stëmm
Abgesehen vom Hauptbahnhof wird es solche Aktionen des Noël de la Rue morgen auch im Foyer Ulysse, in der Auffangstruktur in Findel, vor der Kirche in Ettelbrück und bei der Stëmm vun der Strooss in Hollerich und Esch geben. Dort ist man voll des Lobes für die Aktion Noël de la Rue.
Direktorin Alexandra Oxacelay betont, dass gerade in diesem Jahr insgesamt mehr Solidarität festzustellen sei. Schon immer habe man Geschenke für Obdachlose erhalten, aber noch nie so viele wie im Covid-Jahr 2020. Selbst hat die Stëmm vun der Strooss bereits zwei Weihnachtsfeiern veranstaltet, als die Regelungen noch lockerer waren, aber auch unter Berücksichtigung der Abstandsregeln. „Die Stimmung war nicht dieselbe“, so Oxacelay. Die Stemm hat diesmal den Obdachlosen einen Haarschnitt im Barber-Truck spendiert und ihnen dann ein würdevolles Passfoto geschenkt.
Weihnachtsgrillen im Abrisud
Auch beim Abrisud in Esch begeht man trotz Corona Weihnachten. Hier können Obdachlose die Nacht verbringen: Nur die Nacht. Tagsüber müssen sie zurück auf die Straße. Sowohl der Escher Sozialschöffe Christian Weis als auch die Abrisud-Direktionsbeauftragte Marleen Lanners machen sich ernsthaft Sorgen um die Betroffenen, wenn wieder strengere Ausgangsregeln herrschen.
„Als die erste Ausgangssperre galt, haben wir unseren Bewohnern eine Bescheinigung ausgestellt, dass sie hier tagsüber raus müssen“, so Marleen Lanners. Viele seien mehrmals täglich kontrolliert worden. Dies stelle eine psychische Belastung dar. Das Gefühl,
nicht erwünscht zu sein, wachse. Dabei seien die Escher Obdachlosen nicht die, die Probleme bereiten würden, so Christian Weis.
Was Weihnachten angeht, so veranstaltet man im Abrisud keine große Feier. Seit einigen Jahren hat hier das Weihnachtsgrillen Tradition. Statt Wurst kommt ein teures Stück Fleisch auf den Rost. Das Ganze findet im Freien, im kleinen Kreis der AbrisudWohngemeinschaft statt. Sowohl beim Noël de la Rue, als auch beim Abrisud und bei der Stëmm freut man sich auf Weihnachten, weil man denen, die sonst nicht viel zum Lachen haben, ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern vermag. Nicht wegen der Geschenke, sondern wegen der Achtung, die man ihnen entgegenbringt. Eigentlich sollte immer Weihnachten sein.