„Auf den Andrang vorbereitet sein“
Gaston Greiveldinger blickt mit Selbstvertrauen auf seine 14-jährige Amtszeit als Bürgermeister von Strassen
Nach 25 Jahren verlässt Gaston Greiveldinger (LSAP) die lokalpolitische Bühne in Strassen, davon 14 Jahre als Bürgermeister. Der Wechsel im Schöffenrat war nach den Gemeindewahlen vor drei Jahren mit dem Koalitionspartner CSV vereinbart worden. Im Interview weist der 66-Jährige auf die besondere Lage der Gemeinde in mehr als nur einer Hinsicht hin und fordert ein Umdenken im Bildungswesen.
Gaston Greiveldinger, auf welche Projekte, die Sie mit Ihrer Mehrheit umgesetzt haben, sind Sie besonders stolz?
Ich bin auf alle Projekte stolz. Von Vorteil ist, wenn man die Bedürfnisse der Einwohner voraussieht. Häufig läuft man der Entwicklung jedoch hinterher, was auch mit den langwierigen administrativen Prozeduren zu tun hat.
Die Route d'Arlon teilt die Gemeinde in zwei Hälften, sodass man sich fragt, wo sich der Dorfkern befindet ...
Strassen hat in der Tat kein Ortschaftszentrum. Dem wollen die Gemeindeverantwortlichen aber mit dem Vorhaben „Stroossen 2030“entgegenwirken. Das Risiko besteht darin, dass man den Dorfkern kreieren muss, er ist nicht gewachsen. Er muss extrem gut geplant sein, damit er nachher funktioniert. Das Zentrum muss dort sein, wo viele städtische Funktionen vorhanden sind und sie müssen schon funktionieren. Richtig im Zentrum liegt das geplante Ortschaftszentrum dennoch nicht, es befindet sich zwischen der Route d'Arlon und der Nationalstraße. Wir müssen es schaffen, dass dieser Dorfkern so einladend wird, dass die Menschen dort verweilen. Das sollte auch an Commerces de proximité und an ein Restaurant gekoppelt sein.
Wie sehen Sie das hohe Verkehrsaufkommen in Strassen und was kann die Tram bewirken?
Der Straßenverkehr ist schwer wegzubekommen. Jeden Tag fahren Tausende Menschen über die Route d'Arlon, um an ihren Arbeitsplatz zu gelangen. Auf der anderen Seite ist die Gemeinde auch Opfer von Planungen. Beispiel Autobahnausfahrt. Neben Hollerich ist Strassen die einzige Ortschaft im Land, wo eine Autobahnausfahrt mitten in eine Ortschaft ausschüttet. Dass die Tram in einer Reihe von Jahren bis zum Bâtiself fahren wird, wo ein Pôle d'échange entstehen soll, finde ich gut. Das macht die Gemeinde attraktiv. Später wird die Straßenbahn bis nach Mamer fahren. Die Gemeindeverantwortlichen denken schon lange, dass die Route d'Arlon zu einem Boulevard urbain umgebaut werden sollte, wo Platz für alle Verkehrsteilnehmer ist. Das wird möglich mit der Ankunft der Tram.
Sie haben Ende 2019 einen ambitiösen Haushaltsentwurf 2020 vorgestellt. Wie steht es aktuell um „Stroossen 2030“, bezahlbaren Wohnraum, die Fußballarena und die Pavillons für Schulklassen?
Wir befinden uns hier in dem großen Fragenkomplex rund um das Bevölkerungswachstum. Jede Gemeinde will moderat wachsen, letztendlich hat man das aber nicht im Griff. Die große Herausforderung besteht darin, erst die Infrastrukturen, dann die Wohnungen zu bauen. Man muss auf den Andrang vorbereitet sein.
Im Koalitionsprogramm ist eine der Hauptachsen die Integration. Wie bringen Sie es fertig, 10 200 Einwohner, von denen 64 Prozent Ausländer sind, am Gemeindeleben zu beteiligen?
Man kann Integration nicht an der Bürgerbeteiligung festmachen. Die Gemeinde organisiert viel, der Erfolg ist aber nicht gewaltig. Dafür haben wir inzwischen das, was wir in Strassen den Berufsbürger nennen. Der sich immer verpflichtet fühlt, überall hinzugehen, mitzumachen und zu helfen. Der Gedanke des Ehrenamts ist ja auch noch irgendwo. Solche Bürger gibt es aber immer weniger, die Gesellschaft ist stark individualisiert und das Kollektiv zählt nicht viel. Wir hätten Vieles erreicht, wenn man ein Umfeld schaffen würde, in dem sich ein gewisses Wohlbefinden einstellt. Man denke nur an die Bereiche Schule und Soziales. Ganz gleich, welcher Nationalität die Bürger angehören. Wenn ich sagen kann „Dort bin ich gerne, dort fühle ich mich wohl“, dann bin ich integriert. Eine nicht repräsentative Umfrage unter Bürgern hat übrigens interessante Resultate erbracht. So rangieren die Nationalität und die Luxemburger Sprache nicht so hoch, wie die Lokalpolitiker das angenommen hatten. Das gilt auch für die politische Partizipation. Dabei ist Strassen landesweit die einzige Gemeinde, in der über 30 Prozent der ausländischen Wahlberechtigten zur Urne schreiten. Eine gute Integration kann es nur geben, wenn wir dem Kosmopolitismus in den Schulen gerecht werden.
Eines Ihrer Ziele vor den Gemeindewahlen in 2017 war es, die Schule zu internationalisieren. Das ist also nicht geglückt?
Leider nicht, denn die Gemeinde hat nicht das Sagen. Das ganze Schulsystem muss überdacht werden. Sonst werden Kompetenzen verschwendet, weil die Schüler wegen der Sprachbarrieren nicht vom Fleck kommen. Deshalb wünsche ich mir von ministerieller Seite internationale Schulen in Strassen, wo viele englischsprachige und französischsprachige Familien leben.
Welche Ratschläge haben Sie für Ihren Nachfolger auf dem Bürgermeisterstuhl, Nico Pundel (CSV), in petto?
Er soll sich bewusst sein, dass es ein schöner Job ist, ein schönes Amt. Dass er für die Bürger da ist, auf die Leute zugehen und ihnen zuhören soll. Man kann aber nicht jedem es recht machen, denn die Ansprüche und Anforderungen der Einwohner sind sehr hoch.
Die Eigeninteressen überwiegen und es ist die Aufgabe der Gemeinde, der Allgemeinheit zu dienen. Man könnte parallel zum Gemeinderat ein strukturiertes Bürgerforum schaffen, einen Beirat, dessen Mitglieder dem Schöffenrat beratend zur Seite stehen und sagen, wie sie empfinden.
Wir müssen dem Kosmopolitismus in den Schulen gerecht werden.