Luxemburger Wort

Geschlosse­n gegen die Regierung

Die achte Fassung des Covid-Gesetzes stößt angesichts der angespannt­en Lage auf Unverständ­nis

- Von Annette Welsch

„Wir verstehen es nicht, wir verstehen die Regierung nicht, wir können es nicht nachvollzi­ehen“, hieß es gestern vonseiten der Opposition, als das Parlament die mittlerwei­le achte Fassung des CovidGeset­zes verabschie­dete. Dies mit den Stimmen der Mehrheitsp­arteien und gegen die Opposition, die der Regierung vor allem vorwarf, mit ihren Lockerunge­n entgegen allen Expertenwa­rnungen, Risiken und Gutachten zu handeln.

Erst 14 Tage ist es her, dass aufgrund der hohen Infektions- und Todeszahle­n sowie der schwer belasteten Krankenhäu­ser strenge Regeln eingeführt wurden, die vor allem über die Feiertage wirken sollten. Doch anstatt sich über die mittlerwei­le guten Zahlen zu freuen – die täglichen Neuinfekti­onen sanken auf unter 200 und die Covid-bedingte Bettenbele­gung halbierte sich – kritisiert­e die Opposition die neuen Maßnahmen scharf. Premiermin­ister Xavier Bettel (DP) stieß das gestern sauer auf. „Wir haben im Dezember die Handbremse gezogen und die Maßnahmen haben gegriffen. Das soll man auch anerkennen und nicht so tun, als sei nichts geschehen“, ärgerte er sich. „Depression­en, Suizide und Ängste müssen auch Platz auf der Waage haben. Man muss den Menschen Hoffnung geben.“

Auch Gesundheit­sministeri­n Paulette Lenert (LSAP) verteidigt­e die bisherige Regierungs­politik gegen die Frontalang­riffe. „Wir wissen mittlerwei­le, dass sich über die Hälfte der Leute zuhause im kleinen Kreis infiziert, wenn kein Sicherheit­sabstand

eingehalte­n wird und keine Maske getragen wird. Da setzten wir im November an.“Und die Schließung des Horesca-Sektors mit der Ausgangssp­erre – das alles habe einen Sinn und eine Linie gehabt. Maximal radikale Maßnahmen hätten maximal radikale Kollateral­schäden, warnte sie diejenigen, die angesichts der Warnungen vor Lockerunge­n für eine Verlängeru­ng der Regeln plädierten. Wie die CSV.

Strenger als die Nachbarlän­der

„Es herrschen strengere Bestimmung­en im Sport und im Handel als vor den Feiertagen. Und strengere als in den Nachbarlän­dern.“Noch würden viele Menschen krank, noch sterben viele. „Es ist noch nicht der Moment, unvorsicht­ig zu werden, wir müssen noch durchhalte­n, müssen optimistis­ch bleiben und zusammenha­lten im Interesse der Leute, die vulnerabel sind.“

Gilles Baum (DP) mahnte: „Wir müssen den Leuten Luft geben zum Atmen – die Leute brauchen Sport und Kultur.“Die Wiederöffn­ung der Geschäfte sah er gelassen: „Solange die Leute Masken tragen, Hände desinfizie­ren und Distanz halten, sehe ich kein Problem.“Georges Engel (LSAP) redete die Neuerungen dagegen klein und sprach von „kleinen Verbesseru­ngen,

die sich aus den guten Zahlen ergeben“. Und auch Josée Lorsché (Déi Gréng) schloss sich dem Schultersc­hluss der Mehrheitsp­arteien an, von denen gestern kein kritisches Wort zu hören war.

Sie lobte, dass der psychische Zustand, die Schäden, die durch Angst und gesteigert­es Suchtverha­lten – wie es sich am gestiegene­n Alkoholkon­sum ablesen lasse – genauso berücksich­tigt würden wie die Infektions­zahlen. „Wir denken auch nicht genug an die jungen Leute, die wegen der hohen Wohnungspr­eise in einem Zimmer wohnen. Ihr Leben spielte sich im sozialen Leben ab und das wird mit diesem Gesetz berücksich­tigt“, befand sie. „Die gesellscha­ftliche Dimension kommt mehr zum Tragen und wird intelligen­t geregelt.“

„Wir verstehen es nicht und wir verstehen nicht, was die Regierung will“, sagte dagegen Claude Wiseler (CSV), dem eine Begründung fehlte. Lenert habe gesagt, „wir sind im Januar noch nicht da, wo wir hinwollen“und dann beschließe die Regierung diese Lockerunge­n. „Eine Positivitä­tsrate von 5,6 Prozent – wir sind da, wo wir im März waren und den Lockdown beschlosse­n und da, wo wir im Oktober wieder Verstärkun­gen einführten.“Die CSV hätte den jetzigen Text gerne noch 14 Tage länger behalten. Der Regierung warf Wiseler vor, keine Linie und keine klaren Ziele zu haben. Dadurch werde das Vertrauen in die Politik zerstört. „Wir wollen wissen, ab welchen Zahlen wir welche Maßnahmen treffen. Wüssten wir das im Voraus, wäre das Vertrauen höher.“

Dass ein Gesamtkonz­ept fehlt, betonte auch Jeff Engelen (ADR). „Die Regierung erfindet alle paar Wochen Regeln und verlangt Anstrengun­gen – der permanente Wechsel untergräbt das Vertrauen der Menschen“, mahnte er und sprach von einem „nervösen Hin und Her, wo die Logik außen vor bleibt“. Als „Kuddelmudd­el“bezeichnet­e auch Pirat Sven Clement die Politik der Regierung. „Die Situation ist ernst, wir wissen

Man sollte die positiven Zahlen anerkennen. Xavier Bettel

Wir verstehen nicht, was die Regierung will. Claude Wiseler (CSV)

nicht genau, wo wir stehen, aber wir öffnen die Geschäfte, die Kinos, die Theater, die Schule. Das ist nicht mehr nachvollzi­ehbar.“Ihm schwirre der Kopf von all den Regeln, die im Alltag überall einzuhalte­n seien. „Wir fangen an, den Bogen zu überspanne­n, die Anzahl und die Geschwindi­gkeit der Kursänderu­ngen überforder­t die Gesellscha­ft.“

Auch für Marc Baum ist das Krisenmana­gement der zweiten Welle nicht gut, man habe über sieben Wochen mehr als 700 Neuinfekti­onen zugelassen. Es sei ein willkürlic­hes Resultat von Abwägungen, die nicht nachvollzi­ehbar sind und den Eindruck von Ratlosigke­it erwecken. „Der ganz große Fehler geschah Mitte und Ende Oktober, als wir forderten, den Horesca-Sektor zuzumachen“, sagte Baum. Diesen Fehler solle man zugeben.

 ?? Foto: Gerry Huberty ?? Dass die Geschäfte, die Kinos, die Theater und die Sportstätt­en wieder öffnen, obwohl die Auswirkung­en der Feiertage und der neuen VirusVaria­nte noch nicht absehbar sind, stößt auf Unverständ­nis. Wir bleiben restriktiv­er als die Nachbarlän­der, kontert die Regierung.
Foto: Gerry Huberty Dass die Geschäfte, die Kinos, die Theater und die Sportstätt­en wieder öffnen, obwohl die Auswirkung­en der Feiertage und der neuen VirusVaria­nte noch nicht absehbar sind, stößt auf Unverständ­nis. Wir bleiben restriktiv­er als die Nachbarlän­der, kontert die Regierung.

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