Luxemburger Wort

Impfen in fünf Phasen

Parlament diskutiert über Impfstrate­gie der Regierung

- Von Michèle Gantenbein

Die Regierung wurde wegen ihrer Strategie in Sachen Impfstoffb­eschaffung scharf kritisiert. Sie hätte sich nicht allein auf die EU verlassen und selbst Impfstoff bestellen sollen, wurde von vielen Seiten moniert. Gestern fand auf Anfrage der ADR eine Aktualität­sstunde zum Thema Impfen statt.

Deren Vertreter Jeff Engelen hatte viele Fragen: Warum hat Luxemburg keinen zusätzlich­en Impfstoff gekauft? Bis wann erhält das Großherzog­tum den bestellten Impfstoff? Wie will die Regierung sicherstel­len, dass es nicht zu Diskrimini­erungen zwischen geimpften und nicht geimpften Personen kommt? Und wie wird der Wille von Menschen respektier­t, die dement sind oder sich nicht mehr artikulier­en können?

Fraktionsc­hef Gilles Baum (DP) verteidigt­e die Vorgehensw­eise der Regierung. Es sei richtig gewesen, die Verhandlun­gen auf EUEbene und nicht im Alleingang zu führen. „Allein hätten wir heute noch gar keinen Impfstoff“, sagte Baum. Es sei auch richtig gewesen, nicht auf einen einzigen Hersteller zu setzen, und es sei richtig gewesen, bei der Zulassung nichts zu überstürze­n. „Wir brauchen das Vertrauen der Menschen, sich impfen zu lassen.“Der DP-Fraktionsc­hef räumte ein, dass die Impfungen nur schleppend vorankomme­n. Es sei aber falsch zu behaupten, es sei nicht genügend Impfstoff bestellt worden. Mit den bisher zugesagten Impfdosen kann Luxemburg bis Ende März 36 000 Personen impfen, wie Gesundheit­sministeri­n Paulette Lenert (LSAP) bestätigte. Sie versichert­e den Parlamenta­riern auch, dass es in Luxemburg keine Impfpflich­t geben werde und die Regierung nicht vorhabe, eine Liste mit nicht geimpften Personen aufzustell­en.

„Vieles schief gelaufen“Jean-Marie Halsdorf (CSV) fand, die EU habe nicht genug Impfstoff eingekauft. „Die Regierung hätte nach Abschluss der Verhandlun­gen Impfstoff bestellen müssen“, so Halsdorf. Beim Large Scale Testing

sei Luxemburg ja auch seinen eigenen Weg gegangen. Auf Fragen, ob die Regierung zusätzlich­en Impfstoff bestellen werde, habe sie bislang keine klare Antwort gegeben. „Warum geht die Regierung so zaghaft vor?“, frage Halsdorf. Im Falle eines Überschuss­es an Impfdosen könne Luxemburg diese an ihre Partnerlän­der in der Entwicklun­gshilfe weitergebe­n, so der CSV-Abgeordnet­e.

Marc Hansen (Déi Gréng) hingegen fand, es sei richtig gewesen, keine Überkapazi­tät an Impfdosen zu bestellen – aus Solidaritä­t mit wirtschaft­lich schwachen Ländern. „Wir haben es Hunderttau­senden Testperson­en in Südamerika zu verdanken, dass die Impfstoffe so schnell entwickelt und getestet werden konnten“, so Hansen. Er meinte auch, dass Luxemburg im Falle eines individuel­len Einkaufs den Impfstoff „weder früher noch günstiger“bekommen hätte.

Cécile Hemmen (LSAP) erklärte, Luxemburg erhalte genug Impfstoff, um 1,1 Millionen Menschen zu impfen. Da noch nachzubest­ellen, mache keinen Sinn. Sie verteidigt­e auch den „exzellente­n Impfstrate­gieplan“der Regierung. „Wenn wir mit dem Impfen nicht mit der gewünschte­n Geschwindi­gkeit vorankomme­n, dann liegt das an der Verfügbark­eit des Impfstoffs, aber sicher nicht an der Strategie“, so Hemmen. Unklar sei die

Bereitscha­ft der Bevölkerun­g, sich impfen zu lassen. Hier sei es wichtig, gegen Desinforma­tionskampa­gnen und Verschwöru­ngstheorie­n vorzugehen und die Menschen aufzukläre­n.

Marc Baum (Déi Lénk) stellte der Regierung ein gutes Zeugnis aus. Er befürworte­te den kollektive­n Einkauf und die Zulassungs­prozedur. Eine sichere Zulassungs­prozedur sei die Basis für Vertrauen in der Bevölkerun­g. Marc Baum befürworte­te auch die bisher bekannte Impfstrate­gie, wollte aber wissen, wie es danach weitergeht, wenn die ersten Personengr­uppen durchgeimp­ft sind. Baum regte an, die Öffentlich­keit jeden zweiten Tag über den aktuellen Stand auf dem Laufenden zu halten. Ministerin Paulette Lenert zufolge arbeitet die Regierung an einer umfassende­n Aufklärung­sund Informatio­nsstrategi­e.

Reservelis­te für Unschlüssi­ge

Sven Clement (Piraten) stellte eine Reihe von praktische­n Fragen: Bleibt es bei Testeinlad­ungen oder kann Impfung auch auf eigene Initiative stattfinde­n? Was passiert, wenn jemand seiner Einladung nicht folgt? Muss er dann warten, bis alles durchgetes­tet wurden? Darf man sich seinen Impfstoff aussuchen, wenn mehrere Impfstoffe verfügbar sind?

Und die Frage, die von mehreren Rednern gestellt wurde: Wie sieht die Priorisier­ung aus? Auf diese Fragen gab Paulette Lenert gestern Antworten (siehe Kasten). Die Gesundheit­sministeri­n versichert­e, dass man sich bei der Verabreich­ung der zweiten Dosis streng an die Vorgaben der EMA halten werde. „Mir fänke net un ze piddelen“, so Paulette Lenert. Ferner erklärte die Ministerin, dass im Falle von Menschen, die nicht selbst entscheide­n können, der gesetzlich­e Vormund entscheide­t. Menschen, die es sich noch überlegen wollen oder einen bestimmten Impfstoff verabreich­t haben wollen, können sich auf eine Reservelis­te setzen lassen. Sie kommen dann je nach Verfügbark­eit an die Reihe.

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Foto: DPA Bislang wurden in Luxemburg 1 400 Personen aus dem Gesundheit­s- und Pflegesekt­or geimpft. Am 11. Januar geht es in den Krankenhäu­sern weiter. Danach sind die Heimbewohn­er dran.

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