Impfen in fünf Phasen
Parlament diskutiert über Impfstrategie der Regierung
Die Regierung wurde wegen ihrer Strategie in Sachen Impfstoffbeschaffung scharf kritisiert. Sie hätte sich nicht allein auf die EU verlassen und selbst Impfstoff bestellen sollen, wurde von vielen Seiten moniert. Gestern fand auf Anfrage der ADR eine Aktualitätsstunde zum Thema Impfen statt.
Deren Vertreter Jeff Engelen hatte viele Fragen: Warum hat Luxemburg keinen zusätzlichen Impfstoff gekauft? Bis wann erhält das Großherzogtum den bestellten Impfstoff? Wie will die Regierung sicherstellen, dass es nicht zu Diskriminierungen zwischen geimpften und nicht geimpften Personen kommt? Und wie wird der Wille von Menschen respektiert, die dement sind oder sich nicht mehr artikulieren können?
Fraktionschef Gilles Baum (DP) verteidigte die Vorgehensweise der Regierung. Es sei richtig gewesen, die Verhandlungen auf EUEbene und nicht im Alleingang zu führen. „Allein hätten wir heute noch gar keinen Impfstoff“, sagte Baum. Es sei auch richtig gewesen, nicht auf einen einzigen Hersteller zu setzen, und es sei richtig gewesen, bei der Zulassung nichts zu überstürzen. „Wir brauchen das Vertrauen der Menschen, sich impfen zu lassen.“Der DP-Fraktionschef räumte ein, dass die Impfungen nur schleppend vorankommen. Es sei aber falsch zu behaupten, es sei nicht genügend Impfstoff bestellt worden. Mit den bisher zugesagten Impfdosen kann Luxemburg bis Ende März 36 000 Personen impfen, wie Gesundheitsministerin Paulette Lenert (LSAP) bestätigte. Sie versicherte den Parlamentariern auch, dass es in Luxemburg keine Impfpflicht geben werde und die Regierung nicht vorhabe, eine Liste mit nicht geimpften Personen aufzustellen.
„Vieles schief gelaufen“Jean-Marie Halsdorf (CSV) fand, die EU habe nicht genug Impfstoff eingekauft. „Die Regierung hätte nach Abschluss der Verhandlungen Impfstoff bestellen müssen“, so Halsdorf. Beim Large Scale Testing
sei Luxemburg ja auch seinen eigenen Weg gegangen. Auf Fragen, ob die Regierung zusätzlichen Impfstoff bestellen werde, habe sie bislang keine klare Antwort gegeben. „Warum geht die Regierung so zaghaft vor?“, frage Halsdorf. Im Falle eines Überschusses an Impfdosen könne Luxemburg diese an ihre Partnerländer in der Entwicklungshilfe weitergeben, so der CSV-Abgeordnete.
Marc Hansen (Déi Gréng) hingegen fand, es sei richtig gewesen, keine Überkapazität an Impfdosen zu bestellen – aus Solidarität mit wirtschaftlich schwachen Ländern. „Wir haben es Hunderttausenden Testpersonen in Südamerika zu verdanken, dass die Impfstoffe so schnell entwickelt und getestet werden konnten“, so Hansen. Er meinte auch, dass Luxemburg im Falle eines individuellen Einkaufs den Impfstoff „weder früher noch günstiger“bekommen hätte.
Cécile Hemmen (LSAP) erklärte, Luxemburg erhalte genug Impfstoff, um 1,1 Millionen Menschen zu impfen. Da noch nachzubestellen, mache keinen Sinn. Sie verteidigte auch den „exzellenten Impfstrategieplan“der Regierung. „Wenn wir mit dem Impfen nicht mit der gewünschten Geschwindigkeit vorankommen, dann liegt das an der Verfügbarkeit des Impfstoffs, aber sicher nicht an der Strategie“, so Hemmen. Unklar sei die
Bereitschaft der Bevölkerung, sich impfen zu lassen. Hier sei es wichtig, gegen Desinformationskampagnen und Verschwörungstheorien vorzugehen und die Menschen aufzuklären.
Marc Baum (Déi Lénk) stellte der Regierung ein gutes Zeugnis aus. Er befürwortete den kollektiven Einkauf und die Zulassungsprozedur. Eine sichere Zulassungsprozedur sei die Basis für Vertrauen in der Bevölkerung. Marc Baum befürwortete auch die bisher bekannte Impfstrategie, wollte aber wissen, wie es danach weitergeht, wenn die ersten Personengruppen durchgeimpft sind. Baum regte an, die Öffentlichkeit jeden zweiten Tag über den aktuellen Stand auf dem Laufenden zu halten. Ministerin Paulette Lenert zufolge arbeitet die Regierung an einer umfassenden Aufklärungsund Informationsstrategie.
Reserveliste für Unschlüssige
Sven Clement (Piraten) stellte eine Reihe von praktischen Fragen: Bleibt es bei Testeinladungen oder kann Impfung auch auf eigene Initiative stattfinden? Was passiert, wenn jemand seiner Einladung nicht folgt? Muss er dann warten, bis alles durchgetestet wurden? Darf man sich seinen Impfstoff aussuchen, wenn mehrere Impfstoffe verfügbar sind?
Und die Frage, die von mehreren Rednern gestellt wurde: Wie sieht die Priorisierung aus? Auf diese Fragen gab Paulette Lenert gestern Antworten (siehe Kasten). Die Gesundheitsministerin versicherte, dass man sich bei der Verabreichung der zweiten Dosis streng an die Vorgaben der EMA halten werde. „Mir fänke net un ze piddelen“, so Paulette Lenert. Ferner erklärte die Ministerin, dass im Falle von Menschen, die nicht selbst entscheiden können, der gesetzliche Vormund entscheidet. Menschen, die es sich noch überlegen wollen oder einen bestimmten Impfstoff verabreicht haben wollen, können sich auf eine Reserveliste setzen lassen. Sie kommen dann je nach Verfügbarkeit an die Reihe.