Es geht nur gemeinsam
Elf Monate nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie und nach gefühlt hundertfach geänderten Corona-Verordnungen in Luxemburg, Belgien, Frankreich und Deutschland wächst in der Großregion die Zahl der Menschen, die gar nicht mehr so genau wissen, welche Regeln denn jetzt hier, da und dort gelten. Das schlägt sich in Reaktionen von verunsicherten Bürgerinnen und Bürgern nieder, die etwa in sozialen Netzwerken solche Fragen posten: „Wenn ich nach Wasserbillig über die Grenze komme und wieder zurück nach Deutschland fahre, muss ich dann einen Test machen?“Die eher spöttische Antwort eines Mitdiskutanten lautete: „Ja, und drei Monate in Quarantäne.“Die Fragestellerin verteidigte sich: Sie wolle nur wissen, „ob ich irgendwas übersehen habe, was neu verboten ist.
Man verliert ja den Überblick.“
Den Überblick verlieren aber nicht nur einfache Bürger, sondern auch Mitarbeiter der Verwaltungen. So kursierten etwa in den Amtsstuben von Mainz und Saarbrücken Befürchtungen, dass Luxemburg nun die Kneipen wieder öffnen und deutsche Partygänger über die Grenze strömen würden – was jedoch nie im Zuge der beschlossenen Lockerungen zur Debatte stand. Die Äußerungen des saarländischen Ministerpräsidenten Tobias Hans erklären sich so.
In den vergangenen Tagen waren die zuständigen Minister um eine diplomatische Schadensbegrenzung bemüht; es bedurfte einiger Telefonate der für die Großregion zuständigen Familienministerin Corinne Cahen, um die Wogen zu glätten. So bleiben die verbalen Angriffe von Tobias Hans nur eine Episode; die keinen Flurschaden hinterlässt. Allerdings sind die deutschen Entscheider, wie Rückfragen des „Luxemburger Wort“ergeben haben, nach wie vor besorgt, dass einige Lockerungen im Großherzogtum zu steigenden Corona-Zahlen führen könnten. Der Ministerpräsident der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens sieht hingegen keinen Grund zur Sorge; Oliver Paasch verweist darauf, dass weder Belgien noch Luxemburg Ausnahmen bei den Besuchsregeln über die Feiertage gemacht haben. Dergleichen Lockerungen gab es hingegen in Deutschland – mit Bewertungen wie „verantwortungslos“sollte vorsichtig umgehen, wer dies wie Hans mitbeschlossen hat.
Die Großregion hat zuletzt jahrelang vor sich hin gedümpelt. Elf Monate Corona haben dem Verbund nach dem Schock einseitiger deutscher Grenzkontrollen im Frühjahr einen neuen Schwung verpasst. Auf der Arbeitsebene gibt es nun intensivere Austausche, eine Taskforce und Kooperationen vor allem im medizinischen Bereich. Doch das Corona-Hauptproblem der Großregion kann nicht zwischen Luxemburg, Eupen, Strasbourg, Mainz und Saarbrücken gelöst werden: Bei sanitären Maßnahmen sind bis auf Luxemburg alle Partner an die nationalen Rahmenbedingungen gebunden, die in den Hauptstädten erlassen werden. Oliver Paasch hat recht, wenn er sagt: „Ich würde mir wünschen, dass man europäische Absprachen trifft.“Die Nationalstaaten müssen sich mit Brüssel darüber einigen, welche konkreten Maßnahmen bei bestimmten Corona-Inzidenzen erlassen oder beendet werden sollen – übersichtlich und transparent.
Die Großregion hat durch Corona neuen Schwung erhalten.
Kontakt: michael.merten@wort.lu