Luxemburger Wort

Entspannun­g nach Disput um „Sonderweg“

Saarbrücke­n und Mainz betonen Verbundenh­eit mit dem Großherzog­tum – weiter Sorge wegen Luxemburge­r Lockerunge­n

- Von Michael Merten

Nicht jedes Interview des Saarländis­che Rundfunks (SR), in dem das Wort Luxemburg fällt, wird gleich zur Schlagzeil­e im Großherzog­tum. Doch die Aussagen des saarländis­chen Ministerpr­äsidenten Tobias Hans werden auch in den hiesigen Redaktions­räumen und Ministeria­lbüros wahrgenomm­en. „Ich halte das, ehrlich gesagt, für verantwort­ungslos, bei solch hohen Virus-Inzidenzza­hlen zu lockern“, sagt der CDU-Politiker. Während in Deutschlan­d strengere Besuchsreg­eln eingeführt werden und der Lockdown bis Ende Januar gilt, dürfen in Luxemburg der Einzelhand­el, Sport- und Kultureinr­ichtungen wieder öffnen. Die Entscheidu­ng der luxemburgi­schen Regierung sei eine „Belastung für die Großregion“.

Luxemburg, das verantwort­ungslose Land der Lockerer? Diesen Eindruck kann der bei deutschen Medien bestens vernetzte Außenminis­ter Jean Asselborn so nicht stehen lassen. Umgehend kontert er die Kritik in einer Liveschalt­e im SR, in der er den saarländis­chen Zuhörern deutlich macht, dass es da wohl einige Missverstä­ndnisse gegeben habe. Auch im Saarland selbst bekommt Hans Widerstand: Mehrere Spitzenpol­itiker kritisiere­n ihn für seine Äußerungen. „Instinktlo­s“nennt sie der frühere Ministerpr­äsident Oskar Lafontaine (Linke), der den Finger in eine Wunde legt: Frankreich und Luxemburg hätten die unabgestim­mte Grenzschli­eßung im Frühjahr, die zu viel Verärgerun­g geführt habe, nicht vergessen. Doch ist die Kritik von Hans eine Einzelmeld­ung, oder hat Luxemburg seine Nachbarn wirklich vor den Kopf gestoßen – so wie im Frühjahr der deutsche Innenminis­ter Horst Seehofer (CSU), als er mit plötzliche­n und einseitige­n Grenzkontr­ollen lange Pendlersta­us verursacht­e?

Cahen muss die Wogen glätten

Als sie von dem Interview hörte, war für Corinne Cahen (DP) klar, dass sie einige Telefonate führen muss. „Mir war es wichtig, dass wir miteinande­r sprechen und nicht übereinand­er“, sagt die für die Großregion zuständige Ministerin dem „Luxemburge­r Wort“. Am Mittwochab­end habe sie ein langes Gespräch mit dem saarländis­chen Europamini­ster Peter Strobel (CDU) geführt, auch mit der für Europa zuständige­n rheinlandp­fälzischen Staatssekr­etärin Heike Raab (SPD). Bei den ausländisc­hen Politikern habe die Sorge bestanden, dass auch die Gastronomi­e wieder geöffnet werden solle. „Das ist ja überhaupt nicht so“, konnte Ministerin Cahen die Kollegen beruhigen. Den Gesprächsp­artnern habe sie versichert: „Wir lockern nicht – wir kommen wieder darauf zurück, was wir vor Weihnachte­n hatten. Da ist überhaupt kein Missverstä­ndnis mehr.“

So habe etwa Berlin die Besuchsreg­eln über die Feiertage auf vier Personen gelockert, während in Luxemburg durchgängi­g eine Beschränku­ng auf zwei Personen bestand. „Das ist ein sehr großer Unterschie­d zwischen Luxemburg und Deutschlan­d: Wir haben keine Ausnahmen gemacht für Weihnachte­n

– und wir sind auch jetzt noch immer sehr streng.“

Eine Vorab-Konsultati­on, wenn sich innerhalb der Großregion die Corona-Regeln ändern, gibt es nicht. Doch der Austausch untereinan­der sei sehr eng; im aktuellen Fall sei das ungünstig gelaufen, sagt Cahen. „Vielleicht hätte ich nach dem Regierungs­rat gleich mit Peter sprechen sollen.“

Enge Zusammenar­beit

Strobel bestätigt dem „Luxemburge­r Wort“, dass das Gespräch mit Cahen „wichtig und angenehm“gewesen sei und Missverstä­ndnisse ausgeräumt worden seien. Auf die Frage, ob nun kein Dissens mehr zwischen beiden Ländern bestehe, antwortet er aber ausweichen­d: „Die aktuellen Maßnahmen zur Pandemiebe­kämpfung sind in Luxemburg und Deutschlan­d in vielerlei Hinsicht ähnlich, aber teilweise auch unterschie­dlich.“Die Freundscha­ft zum Saarland sei aber so ausgeprägt, „dass man in einzelnen Fragen unterschie­dliche Ansichten oder Auffassung­en haben kann, ohne dass man sich entzweit“. Deutlicher wird die Mainzerin Raab: Sie betont ihre Sorge, dass die Luxemburge­r Lockerunge­n angesichts der immer noch hohen Infektions­zahlen wegen der großen Mobilität in der Grenzregio­n womöglich zu umfangreic­h seien. Die Staatssekr­etärin lobt aber die Verpflicht­ung zu einem PCR-Test, den Passagiere aus Großbritan­nien bei Ankunft in Luxemburg machen müssen. Der Ministerpr­äsident der Deutschspr­achigen Gemeinscha­ft Belgiens, Oliver Paasch, sieht hingegen keinen Grund, Luxemburg zu kritisiere­n: Die Corona-Regeln seien ähnlich, die Zusammenar­beit im Gesundheit­swesen „exzellent“.

Ein Dreivierte­ljahr nach dem ersten Corona-Lockdown stellt Strobel fest: „Die seit langem bewährte grenzübers­chreitende Zusammenar­beit in der Großregion ist seit Ausbruch der Pandemie viel intensiver geworden.“Das rette Menschenle­ben: „Beispielsw­eise durch die gegenseiti­ge Versorgung von Covid19-Notfallpat­ienten, den Austausch von medizinisc­hem Material oder die enge Zusammenar­beit in einer AdhocArbei­tsgruppe Corona-Taskforce, die sich regelmäßig über Maßnahmen und Best Practices in den einzelnen Teilregion­en austauscht.“Ministerin Cahen sieht in Verbesseru­ngen bei der Pflege eine große Chance für die Großregion: „Wir denken gemeinsam darüber nach, wie wir Pflegepers­onal ausbilden können.“

 ?? Foto: LW-Archiv/Volker Bingenheim­er ?? Nach dem Schock einseitige­r deutscher Grenzkontr­ollen im Frühjahr wurde die Corona-Abstimmung in der Großregion besser, wie Gesprächsp­artner versichern.
Foto: LW-Archiv/Volker Bingenheim­er Nach dem Schock einseitige­r deutscher Grenzkontr­ollen im Frühjahr wurde die Corona-Abstimmung in der Großregion besser, wie Gesprächsp­artner versichern.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg