Entspannung nach Disput um „Sonderweg“
Saarbrücken und Mainz betonen Verbundenheit mit dem Großherzogtum – weiter Sorge wegen Luxemburger Lockerungen
Nicht jedes Interview des Saarländische Rundfunks (SR), in dem das Wort Luxemburg fällt, wird gleich zur Schlagzeile im Großherzogtum. Doch die Aussagen des saarländischen Ministerpräsidenten Tobias Hans werden auch in den hiesigen Redaktionsräumen und Ministerialbüros wahrgenommen. „Ich halte das, ehrlich gesagt, für verantwortungslos, bei solch hohen Virus-Inzidenzzahlen zu lockern“, sagt der CDU-Politiker. Während in Deutschland strengere Besuchsregeln eingeführt werden und der Lockdown bis Ende Januar gilt, dürfen in Luxemburg der Einzelhandel, Sport- und Kultureinrichtungen wieder öffnen. Die Entscheidung der luxemburgischen Regierung sei eine „Belastung für die Großregion“.
Luxemburg, das verantwortungslose Land der Lockerer? Diesen Eindruck kann der bei deutschen Medien bestens vernetzte Außenminister Jean Asselborn so nicht stehen lassen. Umgehend kontert er die Kritik in einer Liveschalte im SR, in der er den saarländischen Zuhörern deutlich macht, dass es da wohl einige Missverständnisse gegeben habe. Auch im Saarland selbst bekommt Hans Widerstand: Mehrere Spitzenpolitiker kritisieren ihn für seine Äußerungen. „Instinktlos“nennt sie der frühere Ministerpräsident Oskar Lafontaine (Linke), der den Finger in eine Wunde legt: Frankreich und Luxemburg hätten die unabgestimmte Grenzschließung im Frühjahr, die zu viel Verärgerung geführt habe, nicht vergessen. Doch ist die Kritik von Hans eine Einzelmeldung, oder hat Luxemburg seine Nachbarn wirklich vor den Kopf gestoßen – so wie im Frühjahr der deutsche Innenminister Horst Seehofer (CSU), als er mit plötzlichen und einseitigen Grenzkontrollen lange Pendlerstaus verursachte?
Cahen muss die Wogen glätten
Als sie von dem Interview hörte, war für Corinne Cahen (DP) klar, dass sie einige Telefonate führen muss. „Mir war es wichtig, dass wir miteinander sprechen und nicht übereinander“, sagt die für die Großregion zuständige Ministerin dem „Luxemburger Wort“. Am Mittwochabend habe sie ein langes Gespräch mit dem saarländischen Europaminister Peter Strobel (CDU) geführt, auch mit der für Europa zuständigen rheinlandpfälzischen Staatssekretärin Heike Raab (SPD). Bei den ausländischen Politikern habe die Sorge bestanden, dass auch die Gastronomie wieder geöffnet werden solle. „Das ist ja überhaupt nicht so“, konnte Ministerin Cahen die Kollegen beruhigen. Den Gesprächspartnern habe sie versichert: „Wir lockern nicht – wir kommen wieder darauf zurück, was wir vor Weihnachten hatten. Da ist überhaupt kein Missverständnis mehr.“
So habe etwa Berlin die Besuchsregeln über die Feiertage auf vier Personen gelockert, während in Luxemburg durchgängig eine Beschränkung auf zwei Personen bestand. „Das ist ein sehr großer Unterschied zwischen Luxemburg und Deutschland: Wir haben keine Ausnahmen gemacht für Weihnachten
– und wir sind auch jetzt noch immer sehr streng.“
Eine Vorab-Konsultation, wenn sich innerhalb der Großregion die Corona-Regeln ändern, gibt es nicht. Doch der Austausch untereinander sei sehr eng; im aktuellen Fall sei das ungünstig gelaufen, sagt Cahen. „Vielleicht hätte ich nach dem Regierungsrat gleich mit Peter sprechen sollen.“
Enge Zusammenarbeit
Strobel bestätigt dem „Luxemburger Wort“, dass das Gespräch mit Cahen „wichtig und angenehm“gewesen sei und Missverständnisse ausgeräumt worden seien. Auf die Frage, ob nun kein Dissens mehr zwischen beiden Ländern bestehe, antwortet er aber ausweichend: „Die aktuellen Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung sind in Luxemburg und Deutschland in vielerlei Hinsicht ähnlich, aber teilweise auch unterschiedlich.“Die Freundschaft zum Saarland sei aber so ausgeprägt, „dass man in einzelnen Fragen unterschiedliche Ansichten oder Auffassungen haben kann, ohne dass man sich entzweit“. Deutlicher wird die Mainzerin Raab: Sie betont ihre Sorge, dass die Luxemburger Lockerungen angesichts der immer noch hohen Infektionszahlen wegen der großen Mobilität in der Grenzregion womöglich zu umfangreich seien. Die Staatssekretärin lobt aber die Verpflichtung zu einem PCR-Test, den Passagiere aus Großbritannien bei Ankunft in Luxemburg machen müssen. Der Ministerpräsident der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens, Oliver Paasch, sieht hingegen keinen Grund, Luxemburg zu kritisieren: Die Corona-Regeln seien ähnlich, die Zusammenarbeit im Gesundheitswesen „exzellent“.
Ein Dreivierteljahr nach dem ersten Corona-Lockdown stellt Strobel fest: „Die seit langem bewährte grenzüberschreitende Zusammenarbeit in der Großregion ist seit Ausbruch der Pandemie viel intensiver geworden.“Das rette Menschenleben: „Beispielsweise durch die gegenseitige Versorgung von Covid19-Notfallpatienten, den Austausch von medizinischem Material oder die enge Zusammenarbeit in einer AdhocArbeitsgruppe Corona-Taskforce, die sich regelmäßig über Maßnahmen und Best Practices in den einzelnen Teilregionen austauscht.“Ministerin Cahen sieht in Verbesserungen bei der Pflege eine große Chance für die Großregion: „Wir denken gemeinsam darüber nach, wie wir Pflegepersonal ausbilden können.“