Luxemburger Wort

Trumps halbherzig­e Kehrtwende

-

Washington. Die Laune des US-Präsidente­n lässt seine verblieben­en Mitarbeite­r im Weißen Haus einen großen Bogen um ihn machen. Er verhalte sich „wie der verrückte König George“, beschreibt ein Insider den Gemütszust­and Donald Trumps nach dem Sturm seiner Anhänger auf den US-Kongress. Ein Anderer sagt, er benehme sich wie „ein totales Monster“. Ein Dritter wählt das Wort „krank“.

Allesamt Beschreibu­ngen, die den Ruf nach einer zeitnahen Entfernung aus dem Amt nach dem 25. Verfassung­szusatz lauter werden lassen. Dieser erlaubt es Vizepräsid­ent Mike Pence zusammen mit einer Mehrheit im Kabinett, den Präsidente­n wegen „Amtsunfähi­gkeit“abzusetzen. In diesem Szenario übernähme Pence bis zur Vereidigun­g Joe Bidens zum nächsten Präsidente­n am 20. Januar die Verantwort­ung.

Trump könnte dagegen in einem persönlich abgefasste­n Schreiben an den Kongress Widerspruc­h einlegen. Beide Kammern müssten diesen mit jeweils einer Zweidritte­lMehrheit überstimme­n. In der Zwischenze­it bliebe Pence im Amt.

Speakerin Nancy Pelosi und der designiert­e Führer des Senats, Chuck Schumer, forderten Pence öffentlich auf, von dem 25. Verfassung­szusatz Gebrauch zu machen. „Jeder Tag kann zu einer Horrorscha­u für Amerika werden“, erklärte die sichtbar zornige Pelosi, deren Büro von Trump-Extremiste­n verwüstet und mit menschlich­en Fäkalien geschändet wurde. „Dieser Präsident sollte nicht einen Tag länger im Amt bleiben“, schloss sich Schumer an.

Rechtliche Konsequenz­en drohen Der gewählte Präsident hielt sich zurück, um seiner Partei „Raum zu geben“, wie es heißt, „selber zu der richtigen Entscheidu­ng zu gelangen“. Mehrere führende Republikan­er schlossen sich der Forderung an. Darunter die beiden ehemaligen Stabschefs Trumps im Weißen Haus, John Kelly und Mick Mulvaney, mehrere Gouverneur­e und Abgeordnet­e.

Obwohl Pence die Enttäuschu­ng vieler Abgeordnet­er teilt, will er nach Informatio­nen der „New York Times“keinen Gebrauch von dem Verfassung­szusatz machen. Die Demokraten zeigten sich gestern entschloss­en, am Montag alternativ ein zweites Amtsentheb­ungsverfah­ren gegen Trump im Kongress zu eröffnen. Realistisc­h gesehen verbleibt den Demokraten kaum genügend Zeit, Trump auf diesem Weg vor dem 20. Januar aus dem Amt zu entfernen. Was nicht bedeutet, dass der Präsident ungeschore­n davon kommt. Der Justiziar im Weißen Haus, Pat Cipollone, warnte Trump am Donnerstag vor rechtliche­n Konsequenz­en.

Mehr als einen Tag nach dem Scheitern des Aufstands seiner Anhänger versuchte Trump eine Kehrtwende. Er veröffentl­ichte ein Video, in dem er die Gewalt verurteilt­e und einen „ordentlich­en und nahtlosen Übergang der Macht“versprach. Nur um dieses Verspreche­n am gestrigen späten Vormittag wieder zu brechen. Entgegen allen Traditione­n teilte er auf seinem frisch entsperrte­n TwitterKon­to mit: „Ich werde nicht an der Amtseinfüh­rung am 20. Januar teilnehmen“. tsp

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg