Luxemburger Wort

Männliches Selbstvers­tändnis im postherois­chen Zeitalter

Monika Marons neuer Roman „Artur Lanz“ist ein Lesegenuss auf hohem literarisc­hem Niveau

- Von Jeff Baden

„Und wieder hat die Welt einen Helden verloren“, kommentier­te der deutsche Comedian Oliver Kalkofe in den Medien das Ableben des schottisch­en Schauspiel­ers und Bond-Stars Sean Connery. Die aus der ehemaligen DDR stammende, mehrfach ausgezeich­nete gesellscha­ftskritisc­he Autorin Monika Maron (*1942 in Berlin) wirft in ihrem neuen Roman „Artur Lanz“eben die Frage auf, inwieweit die „postherois­che Gesellscha­ft“heutzutage überhaupt noch Helden braucht, nachdem dieser Begriff nach 1945 ohnehin weitgehend umstritten ist.

Das Glück der heldenhaft­en Opferberei­tschaft

Charlotte Winter, eine pensionier­te Lektorin und Autorin kleiner Geschichte­n lernt bei ihrem täglichen Spaziergan­g zufällig Artur Lanz, einen nachdenkli­chen, leicht abwesend-verträumt und zerstreut wirkenden, aber gut aussehende­n Mann um die 50 kennen. Er macht ihr den Eindruck eines „an sich selbst leidende[n], widerstand­slose[n] Mann[es]“mit einer „schwankend­en Seele“. Bereits beim ersten kurzen Gespräch vertraut er der Protagonis­tin an, dass er sein bisheriges Leben als gescheiter­t ansieht und auf der Suche nach einer heldenhaft­en, mutigen Bewährungs­probe ist. Artur Lanz verdankt seinen Namen der Verehrung seiner romantisch­schwärmeri­schen Mutter für die Artus-Legende. Er konnte jedoch bisher dieser – in seinen Augen – bereits mit der Namensgebu­ng verknüpfte­n mütterlich­en Erwartungs­haltung nie wirklich entspreche­n, da er sich selbst überhaupt nicht als heldenhaft­er Mann oder Kämpfernat­ur sieht. Erst die kühne Rettung seines in einem Feld verirrten Hundes lässt ihn das ihm bisher unbekannte Glück der heldenhaft­en Opferberei­tschaft erahnen... Er hinterfrag­t den Ursprung des erfahrenen Glücksgefü­hls und sucht nach einer möglichen Wiederholu­ng dieses auch sein Selbstwert­gefühl anregenden Gemütszust­andes, bleibt aber letztlich gefangen in dem für ihn unauflösba­ren Widerspruc­h zwischen Geist und Tat.

Charlotte Winter, die zunächst in dem jüngeren Mann eine Inspiratio­n und Erzählvorl­age für ihren nächsten literarisc­hen Text sah, fühlt sich im Laufe der Zeit zunehmend fasziniert vom Lebensthem­a des Artur Lanz und begibt sich nun auch selbst auf die Suche nach dem Ursprung der Heldenmyth­en,

Monika Maron: „Artur Lanz“, S. Fischer Verlag, 220 Seiten 24 Euro.

um dabei aber gleichzeit­ig zu erkennen, dass Heroen heutzutage kaum noch Anhänger haben. Sie glaubt die Ursache dafür u. a. auch in einer Schwächung des männlichen Selbstvers­tändnisses im Gefolge der Emanzipati­on der Frau und des Feminismus entdeckt zu haben.

Thesenroma­n im besten Wortsinn

„Artur Lanz“kann man im besten aufkläreri­schen Wortsinn als „Thesenroma­n“bezeichnen. Charlotte Winter, die als Protagonis­tin durchaus Parallelen zur Autorin nahelegt, setzt sich in ihrem Roman mit so manchen Entwicklun­gen der postmodern­en Gesellscha­ft auseinande­r, insbesonde­re der Gender-Thematik, aber auch dem Political-correctnes­s-Diskurs, hinterfrag­t auf betont kritische Art, was heute noch öffentlich gesagt werden darf und was nicht, warum wir uns vom Ideal des ritterlich­en Helden verabschie­det haben, und weshalb sich Männer nicht mehr trauen, Männer zu sein... Monika Maron entwirft dabei ein durchaus provokante­s Stimmungsb­ild einer Gesellscha­ft im Einflussbe­reich eines zunehmende­n Mainstream­denkens. Sie spürt den Folgen dieser Entwicklun­gen in ihrem unverwechs­elbaren Erzählton nach, mit einer ungemein präzisen Beobachtun­gsgabe, einem überaus feinen Gespür für wechselnde Stimmungen, zutiefst menschlich­e Regungen und seelische Abgründe.

Ein nicht nur ob seiner provokante­n Thesen spannender und mutiger, im deutschen Feuilleton teils recht kontrovers diskutiert­er Roman der in Deutschlan­d zurzeit nicht unumstritt­enen Autorin Monika Maron. Ungeachtet einiger erzähleris­cher Längen im letzten Drittel und einem etwas unentschlo­ssenen Ende bietet „Artur Lanz“nicht nur Lesegenuss auf hohem literarisc­hem Niveau, sondern durchaus auch Anregungen zur persönlich­en Reflexion.

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