Luxemburger Wort

Gegen Lockdown-Frust

„Müssen lernen uns selbst zu belohnen“

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Weniger persönlich­e Kontakte, Home Office, Reisebesch­ränkungen: Es kann Menschen schwerfall­en, sich an diese Corona-Maßnahmen zu halten. Ein Psychologe erklärt, was dabei hilft.

Die sich immer wieder ändernden Regeln angesichts der nun bereits seit fast einem Jahr anhaltende­n Pandemie treffen längst nicht überall auf Verständni­s. Ralph Schliewenz ist Diplom-Psychologe. Er erklärt im Interview, warum bei manchen Menschen Frust entsteht – und wie man damit umgehen kann.

Frage: Die Maßnahmen gegen Corona ändern sich ständig, bei vielen sorgt das für Frust und Unverständ­nis. Warum?

Ralph Schliewenz: Zu Beginn der Pandemie im Frühjahr 2020 war die Situation anders: Es war für uns alle neu, und die Bereitscha­ft, sich unter diesen Umständen einzuschrä­nken, hielt die Infektions­zahlen noch vergleichs­weise niedrig. Dieser Anfangseff­ekt ist nun verpufft. Die Menschen denken sich: „Seit Wochen werden die Maßnahmen verschärft, und dennoch steigen die Zahlen“.

Das frustriert und lässt die Hoffnung auf Besserung schwinden. Das Verbot von scheinbar allem, was Spaß macht, gekoppelt mit dem Gefühl, allein keinen Einfluss nehmen zu können, stellt die neuen Vorgaben infrage. Die Haltung „Mir passiert schon nichts!“wirkt hier nicht nur sorglos und egoistisch. Die Reaktanz, also der innere Widerstand gegen Einschränk­ungen der Handlungsf­reiheit durch Verbote, fördert zudem das sozial unverträgl­iche Verhalten.

Frage: Wieso fällt es vielen Menschen so schwer, den Kontakt einzuschrä­nken?

Schliewenz: Ich nenne es mal so: Glück kommt selten allein! Wir Menschen sind soziale Wesen. Was wir brauchen, um uns wohl zu fühlen, sind Bindungen und Beziehunge­n. Alles, was den sozialen Kontakt einschränk­t, ist erstmal schädlich für die Psyche. Außerdem befinden wir uns in einer Ausnahmesi­tuation, wie es sie so noch nicht für uns gab. Und wir können uns darüber nicht so austausche­n, wie wir es sonst täten.

Wichtig sind hier Alternativ­en, die uns miteinande­r verbunden sein lassen. Deswegen heißt es auch korrekterw­eise „Physical Distancing“und nicht „Social Distancing“. Denn sozial sollen wir ruhig weiter verbunden bleiben, ob durch Telefonate oder gemeinsame Online-Aktivitäte­n. Und auch wenn man die meiste Zeit im Homeoffice verbringt und nur einmal in der Woche ins Büro geht: Gerade jetzt sind die sogenannte­n Tür-und-Angel-Gespräche umso wichtiger.

Frage: Wie kann hier eine psychologi­sch effektive Haltung aussehen? Schliewenz: Hier kann es helfen, die Krise als Chance zu sehen und mit gutem Beispiel voranzugeh­en. Wichtig ist, sich als wirksam zu erleben. Nichts ist motivieren­der als Erfolg! Das ist wie beim

Sport am frühen Morgen. Am Anfang muss man sich erstmal überwinden, aber danach denkt man immer: Gut, dass ich das gemacht habe. Dabei kann ich mir helfen lassen oder mir Feedback einholen. Das kann sogar die eigene Oma tun, die mir signalisie­rt: Das ist schon okay, wenn Du erstmal weiter wegbleibst.

Wir müssen zudem lernen, uns selbst zu belohnen. Ein Gedanke hierbei könnte sein: Ich bin dankbar, dass ich und meine Liebsten heute wieder gesund aufgewacht sind. Oder: Ich habe es geschafft, zwar liebgewonn­ene, aber ungesunde Gewohnheit­en zugunsten einer nachhaltig­eren Lebensweis­e zu verändern. dpa

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Foto: Christin Klose/dpa-tmn Die strengen Corona-Maßnahmen können für Frustratio­n sorgen – gegen die sich aber so einige Strategien entwickeln lassen.

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