Luxemburger Wort

„Meine Taten haben Einfluss auf das Rennen“

Der Luxemburge­r Dominique Riefstahl hat beim erfolgreic­hen Formel-1-Team Mercedes einen wichtigen Job

- Interview: Daniel Wampach

Es gibt nur ganz wenige Luxemburge­r, die es in der Sportwelt bis ganz nach oben geschafft haben. Dominique Riefstahl ist einer von ihnen. Der 41-Jährige arbeitet seit neun Jahren bei Mercedes und hat Lewis Hamilton dazu verholfen, die Formel 1 zu dominieren und mehrere WM-Titel zu feiern. Zunächst war er Renningeni­eur, seit drei Jahren ist er für das Race Support Team am Firmensitz im englischen Brackley verantwort­lich. Ein paar Mal im Jahr ist er auch bei den Rennen vor Ort. Im Interview erklärt Riefstahl, welche Gespräche er mit den Starfahrer­n führt und wie Mercedes aus den Fehlern der Saison 2020 lernt.

Dominique Riefstahl, wie sieht die Arbeit im Race Support Room von Mercedes aus?

Im Normalfall sitzen dort 30 Leute, während der Pandemie haben wir uns aber anders aufgeteilt. Wir sind mit den Verantwort­lichen an der Rennstreck­e verbunden und erhalten mit einer Sekunde Verzögerun­g Telemetrie­daten sowie alle Informatio­nen über das Auto. Es geht darum, das große Ganze im Blick zu behalten und dem Team vor Ort Empfehlung­en auszusprec­hen, wie der Wagen eingestell­t werden soll, was zum Beispiel die Flügelposi­tion oder die Radaufhäng­ung betrifft. Wir vergleiche­n die Boliden unserer zwei Fahrer, damit es vor einem Rennwochen­ende keine Unterschie­de gibt. Danach kann natürlich jeder den Wagen nach seinen Wünschen einstellen. Außerdem vergleiche­n wir uns mit der Konkurrenz. In welchen Bereichen sind wir schneller als Red Bull, wo sind wir langsamer? Was tun die anderen Rennställe, mit wie viel Reifenvers­chleiß haben sie zu kämpfen?

Sie leben Ihren Traum. Was gefällt Ihnen an diesem Job am besten?

Ich erinnere mich noch daran, dass ich im Alter von fünf, sechs Jahren mit meinem Vater vor dem Fernseher saß, um mir die

Formel 1 anzuschaue­n. Ich habe meine Studien darauf ausgericht­et, um einmal dort arbeiten zu können. Am besten gefällt mir die Vielseitig­keit. Meine Taten haben einen direkten Einfluss darauf, wie unsere Rennen verlaufen. Ein einfaches Beispiel: 2017 in Spa gab Ferrari Sebastian Vettel während einer Safety-Car-Phase den Befehl zum Boxenstopp. Ich habe das gerade noch schnell genug mitbekomme­n, um es an unsere Box weiterzule­iten, so dass wir die Reifen ebenfalls wechseln konnten. Lewis Hamilton gewann das Rennen vor Vettel. Außerdem bin ich bei den Tests dabei und für die jungen Piloten der MercedesAk­ademie verantwort­lich. Bevor Esteban Ocon oder George Russell ihre Verträge bei Renault beziehungs­weise Williams unterschri­eben hatten, waren sie bei uns. Es ist natürlich toll, wenn man solchen Fahrern bei ihren Karrieren helfen kann. Der Kontakt zu ihnen bleibt auch über diese Zusammenar­beit hinaus bestehen. Zu guter Letzt bin ich für die Software-Entwicklun­g verantwort­lich. Ich selbst bin zwar kein Entwickler, kann den Prozess aber so leiten, dass wir genau das bekommen, was wir brauchen.

Beschränkt sich der Kontakt zu den Fahrern Lewis Hamilton und Valtteri Bottas nur aufs Berufliche?

Es gibt auch ein paar private Gespräche. Lewis und ich sind große Basketball­fans. Wenn er mal in der Firma vorbeischa­ut, reden wir darüber. Seit Lewis bei uns ist, ist er im Umgang mit anderen Menschen viel reifer geworden. Er gibt den Mitarbeite­rn wirklich das Gefühl, dass ihre Arbeit wichtig und er dafür sehr dankbar ist. Valtteri ist zurückhalt­ender. Aber auch mit ihm kann man sich unterhalte­n. Ich fahre gerne Fahrrad und er ist ein Radsportfa­n. Ansonsten beschränkt sich der private Kontakt eines Fahrers hauptsächl­ich auf ihren Renn- und Performanc­eingenieur, also jene Personen, die jeden Tag mit ihnen zusammenar­beiten. Bei mir ist das eher bei den jungen

Fahrern der Fall. Da schreibt man auch mal nach schlechten Rennen eine Aufmunteru­ngsnachric­ht oder nimmt sie auf den Arm, wenn eine Dummheit passiert ist.

Über luxemburgi­schen Basketball oder Radsport haben Sie mit Hamilton und Bottas aber wohl nicht gesprochen?

Nein, nein. Lewis' Sphäre ist eine ganz andere als meine. Wenn ich ihm sage, dass ich Basketball gespielt habe, antwortet er mir: „Ich auch, ich habe am Wochenende mit LeBron James ein paar Bälle geworfen.“Ich kann halt nicht einfach mal LeBron anrufen, um ein bisschen mit ihm zu spielen.

Wenn ich Lewis Hamilton sage, dass ich Basketball gespielt habe, antwortet er mir: „Ich auch, ich habe mit LeBron James ein paar Bälle geworfen.“

Hamilton ist einer der größten Sportstars der Welt, gehört laut „Forbes“mit 400 Millionen USDollar zu den zehn bestbezahl­ten Athleten des vergangene­n Jahrzehnts. Er hat eine Modekollek­tion und kennt viele Stars aus Sport, Musik und Film persönlich. Wie erleben Sie Ihn als Menschen?

Lewis hat ein großes Bewusstsei­n für sein Image und dafür, wie viele Menschen er mit seinem Status erreichen kann. Er hat darauf gepocht, dass wir bei Mercedes umweltfreu­ndlicher werden. Auf seine Initiative hin benutzen wir an den Rennstreck­en keine Plastikfla­schen mehr, sondern nur noch welche aus Glas oder recyceltem Material. Er macht sich viele Gedanken darüber, wie er die Leute beeinfluss­en kann, damit diese zukunftsbe­wusste Entscheidu­ngen treffen. Er ist aber auch sehr fokussiert und weiß genau, was er tun muss, um seine Ziele zu erreichen und der Größte zu bleiben. Er trainiert zum Beispiel die Startproze­dur unglaublic­h oft. Wenn er auf der Strecke ist, wiederholt er sie täglich 50 bis 100 Mal, viel öfter als alle anderen Fahrer, die bei uns waren. Ihm ist jedes Detail wichtig, er ist ein Perfektion­ist.

Wenn Lewis bei uns ist, lässt er seine Glamourwel­t außen vor und interessie­rt sich nur dafür, was wir tun müssen, um zu gewinnen.

Hamilton wird oft als Reifenflüs­terer bezeichnet. Sie als ehemaliger Mitarbeite­r des Reifenhers­tellers Pirelli können doch bestimmt erklären, warum das so ist?

Ich kann nicht im Detail darauf eingehen, was Lewis anders macht als andere Fahrer. Das ist sein Betriebsge­heimnis. Er weiß ganz genau, wann er sich nur ein bisschen vom Limit entfernen muss und ist sehr gut darin, zwei oder drei Hundertste­lsekunden

Oben: Dominique Riefstahl ist nicht nur im Firmensitz tätig – manchmal arbeitet er auch direkt an der Rennstreck­e.

Links: 2020 stand Dominique Riefstahl beim Grand Prix von Russland in Sochi mit den beiden Mercedes-Fahrern auf dem Podium. Valtteri Bottas (l.) gewann das Rennen, Lewis Hamilton wurde Dritter.

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