Am Thema vorbei
So plötzlich die Schließung des Einzelhandels verkündet worden war, so schnell ist sie wieder aufgehoben: Heute dürfen Geschäfte, Friseure und Co. wieder öffnen. Zurück bleibt die Frage: Was hat diese kurzweilige Schließung der Läden denn nun überhaupt gebracht? Letztendlich führt das Hin und Her bloß zu einer zunehmend unsachlichen Diskussion.
Rückblick: Kurz vor Weihnachten hatte die Regierung verkündet, dass Läden, die nicht der Grundversorgung dienen, ab dem 26. Dezember geschlossen bleiben müssten. Zu einem Zeitpunkt also, als Black Friday und Weihnachtskaufrausch längst vorbei waren. In den Grandes-surfaces durften nicht essenzielle Artikel nicht mehr verkauft werden. Was in der völlig absurden Situation gipfelte, dass man als Kunde vor abgesperrten Supermarktregalen stand, das Shampoo zwar in den Einkaufskorb legen durfte, nicht aber die Haarbürste vom Regal daneben.
Nun sind also auch Haarbürsten wieder erlaubt. Zieht man Feier- und Sonntage ab, griff die Einschränkung im Einzelhandel an gerade einmal elf verkaufsoffenen Tagen. Ob sie etwas bewirkt hat, weiß niemand. Falls ja, fragt man sich, wieso sie wieder aufgehoben wird. Geht man hingegen davon aus, dass sie keinen Effekt hatte, ist die Regierung, nachdem sie zuerst wochenlang abwartete, beim Einzelhandel letztendlich sogar übers Ziel hinausgeschossen.
Warum dieser Zickzackkurs bei den Geschäften? Um die Total-Schließung im Horesca-Gewerbe etwas erträglicher zu machen? Um Cafés und Restaurants nicht alleine zu „strafen“? Dieser Verdacht drängt sich angesichts der impulsiven, aber letztlich nicht konsequenten Schließung des Einzelhandels auf und wird durch die wütende Reaktion der Horesca auf die Lockerungen zusätzlich bestärkt. Deren Frust, Unmut und Sorgen sind völlig verständlich, die Forderung nach Kompensationen sowieso. Nicht aber, dass die Horesca sich nun selbst als Sündenbock inszeniert, nach dem Motto „alle anderen dürfen, wir aber nicht“. Im Umkehrschluss würde dies nämlich bedeuten: „Wenn wir nicht dürfen, darf auch sonst niemand.“
In diese Richtung scheint die öffentliche Diskussion allmählich abzudriften. Doch diese Argumentation verfehlt das Thema! Es geht nicht darum, wer am meisten unter der Pandemie leidet, denn das sind in erster Linie die Opfer von Corona und ihre Familien. Es geht auch nicht um die Frage, wer denn nun „schuld“ist – die, die trotz Pandemie einkaufen gehen, oder die, die gerne auswärts essen. Im Zentrum aller Überlegungen muss die Frage stehen, wie man das Virus am effizientesten stoppt, mit so wenig Einschnitten wie möglich und so vielen wie nötig. Damit diese Botschaft wieder in den Vordergrund rückt, ist es unabdingbar, dass die Politik sowohl Einschränkungen als auch Lockerungen überzeugend begründet. Das tut sie aber nicht.
Trotzdem: Wenn nun im Einzelhandel eine vorsichtige Öffnung denkbar ist – wie in Belgien und Frankreich – ist es gut, dass diese Möglichkeit genutzt wird. Nicht nur zur Freude der Kunden, sondern auch für in ihrer Existenz bedrohte Einzelhändler im ganzen Land. „Solden“hin oder her, ein Kunde pro zehn Quadratmeter und zwei pro kleiner Laden scheint, insofern es kontrolliert wird, als Lösung vertretbar. Es mag zwar manch einem schwerfallen, doch Solidarität heißt auch, dem anderen etwas zu gönnen – auch wenn man es selbst schwer hat.
Die Diskussion um Läden und Restaurants wird zunehmend unsachlich.
Kontakt: diane.lecorsais@wort.lu