Illuminierte Architektur
„Tomorrowland“, eine Fotoserie von Sebastian Schlüter
Pann’s restaurant & Coffee Shop No.1 / sebastian-schlueter.com 2018
Sebastian Schlüter lebt in der Nähe von Stuttgart, doch seine Bilder macht er derzeit vor allem in Kalifornien. Seine neue Serie „Tomorrowland“, die auch als Buch erschienen ist, zeigt beeindruckend illuminierte Midcentury-Architektur in der Nacht. Fotografien zum dahin schmelzen.
Sebastian Schlüter, vor zwei Jahren wurde Ihre Serie „Between The Light“in PhotoKlassik vorgestellt. In dieser ging es auch um das nächtliche Dunkel. Verstehen Sie Ihre neue Serie „Tomorrowland“als Fortsetzung dieser Bilder?
Besonders die frühen Morgenstunden üben auf mich seit jeher einen besonderen Reiz aus. Die Ruhe der Nacht liegt noch überall in der Luft und das Leben erwacht erst nach und nach. Es steht deshalb außer Frage, dass es verbindende Elemente zwischen den Serien gibt. Die beiden Projekte stehen aber in einem anderen Kontext. Abgesehen von der klaren und nüchternen Wiedergabe der Gebäude, war es mir auch wichtig, die Geschichte einer anderen Zeit zu erzählen. Idealerweise versetzt sich der Betrachter meiner Bilder in die Vergangenheit und fühlt sich als nächtlicher Beobachter oder Flaneur, der eine Stadt erkundet, die es in dieser idealisierten Version vielleicht gar nie gab.
Auch die neue Serie wurde analog fotografiert. Warum arbeiten Sie analog?
Ich fotografiere sehr gerne analog. Der Prozess der analogen Aufnahme passt wunderbar zur Ruhe der Nacht. Die Arbeit mit meiner Hasselblad-Kamera ist beinahe meditativ. Aber darüber hinaus gibt es für mich auch ästhetische Aspekte, die für analoges Material sprechen. So ist die Anmutung der Farben und die Abbildung der hohen Kontraste bei Nachtaufnahmen mit Film unübertroffen.
Auch „Tomorrowland“ist in den USA entstanden – wiederum in Kalifornien. Was fasziniert sie an dieser Gegend?
Ich denke jeder, der einige Zeit in Kalifornien verbracht hat, kann verstehen, dass dieser Bundesstaat der USA etwas Besonderes ist. Neben der Schönheit der Natur und der Einzigartigkeit der Landschaften, sind es die Menschen, die ein starker Freiheitsgedanke eint. Die Entstehung des Googie-Stils, dem ich diese Fotoserie gewidmet habe, ist sehr eng mit diesem Freiheitsgedanken verbunden.
Das futuristische Googie-Design und die Googie-Architektur entstand seit den 1940er Jahren in Kalifornien – ist es schwer, solche Gebäude heute noch zu finden?
Es gibt tatsächlich nicht mehr allzu viele dieser Gebäude. Die meisten von ihnen sind in den vergangenen Jahrzehnten der Umgestaltung des Stadtbildes zum Opfer gefallen. Der Googie-Stil galt lange Zeit als banal oder zu gewöhnlich, um von architektonischer Bedeutung zu sein. Es wurde die Richtlinie verfolgt, dass sich die Gebäude harmonisch in das Stadtbild einfügen sollen und dieser Ansatz passt nicht zum Konzept der Googie-Architektur. Ohne ausführliche vorangegangene Recherche wäre es mir nicht möglich gewesen, all diese Objekte aufzuspüren. Heute finden viele Menschen wieder Gefallen an der ungewöhnlichen Architektur und einige Eigentümer haben mittlerweile erkannt, welchen Schatz sie hüten. Dennoch fehlt oft das Geld, um die Gebäude zu sanieren und überlebensfähig zu machen. Das Bauland, auf dem sie stehen, ist oft viel mehr wert, als das Gebäude. Dennoch ist es einigen Bürgerinitiative gelungen, besonders gut erhaltene Objekte dauerhaft zu schützen.
Es ist das künstliche Licht in der Nacht, das
Sie in Ihren Bildern feiern. Oder hätte man diese Serie auch am Tag fotografieren können? Welche Rolle spielt das Licht in Ihren Bildern?
Die Nacht verändert Orte. Das künstliche Licht setzt andere Akzente als das Sonnenlicht. Dabei profitiert grundsätzlich nicht jedes Gebäude von der veränderten Lichtstimmung bei Nacht, aber die von mir hier gezeigten Objekte leben von ihrer spannenden Beleuchtung. Hinzu kommt, dass einige der gezeigten Coffee Shops auch nachts geöffnet waren und der Innenraum hell erleuchtet war. Die Lichtgestaltung des Objekts wird zu einem eigenständigen Element erhoben und bekommt somit eine sehr wichtige Bedeutung in meinen Bildern. Um auf die Frage zurück zu kommen: Die Serie würde eine ganz andere Wirkung auf den Betrachter entfalten, wäre sie am Tag entstanden.
Zeit. Das Automobil war allgegenwärtig, große Hoffnung wurde in die Atomenergie gesetzt und das amerikanische Raumfahrtprogramm zeigte, dass nichts mehr unmöglich war. Heute stehen wir an einem anderen Punkt und deshalb müssen wir nach anderen Elementen in der Architektur suchen, um einen Vergleich anstellen zu können. Wir sind uns über die Probleme in der Welt bewusst und moderne Architektur versucht diese Probleme zu adressieren. Mir fällt in diesem Zusammenhang spontan der „Bosco Verticale“in Mailand ein. Die Türme sollen durch ihre Begrünung neuen Lebensraum für Vögel und Insekten schaffen. Ein Naturbiotop in Mitten der Großstadt. Die Natur wird also ein architektonisches Element. Diese Symbolik ist in meinen Augen durchaus mit der Symbolik der Googie-Architektur zu vergleichen, auch wenn sie einen ganz anderen Charakter aufweist.
Ihre Bilder sind stets menschenleer. Warum?
Wir leben in einer Flut von Bildern und täglich kommen Millionen von ihnen hinzu. Es ist schwer, einen eigenen fotografischen Weg zu gehen, da man stets beeinflusst wird. Der von mir abgebildete Raum ist zwar oft menschenleer, zeigt aber eine von Menschen geschaffene Umgebung. Dieser Kontrast fasziniert mich.
Bewegen wir uns tagsüber in diesem Raum, so werden wir ihn nur in den seltensten Fällen ohne Autos und Menschen sehen. Meine Bilder zeigen also einen ungewöhnlichen und neuen Blickwinkel auf ein Objekt. Man könnte auch sagen, die Gebäude werden ohne Ablenkung und störende Elemente in ihrer reinen Form gezeigt.
„Tomorrowland“– warum haben Sie diesen Titel gewählt?
Der Name der Serie lehnt an das zukunftsorientierte und vom Googie-Stil inspirierte Themenland im Disneyland an. Er zielt auf die futuristisch idealisierte Vision einer Zukunft, die mit Hoffnung und Zuversicht verbunden ist.
Sie haben „Tomorrowland“auch als Buch veröffentlicht. Was war Ihnen bei der Gestaltung und Produktion wichtig?
Die Gestaltung des Buches sollte eine harmonische, aber auch spannende Plattform für Bilder erzeugen. Während der Planung und ersten Konzeptionierung meines Projekts wurde mir sehr schnell klar, dass die Bilder von einer aufgeräumten, aber durchaus interessanten Gestaltung profitieren würden. Typographie und Textlayout sollten die Bilder vervollständigen. Ich suchte nach einem professionellen Gestaltungsbüro
Norms La Cienega No.2 / sebastian-schlueter.com 2018
und wurde bei Sybille Wohlfarth fündig. Ihre Erfahrung und gestalterischen Ideen machen das Buch erst zu dem was es ist.
Welche Pläne haben Sie? Wird es auch Ausstellungen mit der neuen Serie geben?
Einige Bilder der Serie waren bereits im letzten Jahr als Teil einer Sammelausstellung in Frankfurt im Deutschen Architekturmuseum zu sehen. Diese Ausstellung war ebenfalls in anderen Städten wie Kassel und Stuttgart unterwegs. In der momentanen Lage ist es schwer einen Ausblick auf kommende Ausstellungen zu geben. Sicher ist, dass ich sehr gerne noch eine Einzelausstellung mit allen Bildern der Serie realisieren möchte.
Sebastian Schlüter (Instagram: @sibbiblue): „Tomorrowland“, Fotoserie der Architektur im Googie-Stil in Los Angeles. 52 Seiten, 25 Euro. Zu bestellen auf: www.sebastian-schlueter.com