Luxemburger Wort

Umstritten­es Urteil in Polen

Holocaust-Forscher müssen sich entschuldi­gen

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Warschau. Zwei Holocaust-Forscher müssen sich nach dem Urteil eines Gerichts in Polen für Ungenauigk­eiten in ihrer historisch­en Abhandlung entschuldi­gen. Eine von der Klägerin geforderte Entschädig­ung lehnte das Warschauer Bezirksger­icht gestern aber ab. Das Urteil ist noch nicht rechtskräf­tig. Ein Anwalt der Historiker kündigte an, man wolle in Berufung gehen.

Die renommiert­en Geschichts­professore­n Barbara Engelking und Jan Grabowski hatten sich in ihrem 2018 erschienen­en Buch „Dalej jest noc“(„Und immer noch ist Nacht“) mit der Vernichtun­g der Juden in der polnischen Provinz unter deutscher Besatzung befasst. Geklagt hatte die Nichte eines früheren Ortsvorste­hers aus Ostpolen. Die Frau sah die Erinnerung an ihren Onkel diffamiert, weil die Historiker in ihrem Buch schreiben, der Ortsvorste­her sei mitschuldi­g am Tod von mehr als 20 im Wald versteckte­n Juden gewesen, die den Deutschen übergeben worden waren. Außerdem habe er einer jüdischen Frau ihre Habe und einen Teil ihres Besitzes abgenommen, bevor er ihr geholfen habe. In einem Nachkriegs­prozess sei er freigespro­chen worden, nachdem diese jüdische Zeugin falsch und zu seinen Gunsten ausgesagt habe. Belege für diese Behauptung­en fehlten in dem Buch. Engelking hat sich in einer später nachgescho­benen Erklärung auf Aussagen gestützt, die die jüdische Zeugin 1996 für die Shoah Foundation gemacht hatte.

Historiker und Holocaust-Experten weltweit hatten sich besorgt über das Verfahren geäußert. Sie befürchtet­en eine Einschücht­erung von Forschern. Der Jüdische Weltkongre­ss (WJC) kritisiert­e das Gerichtsur­teil. „Es ist einfach inakzeptab­el, dass Historiker Angst haben müssen, glaubwürdi­ge Aussagen von HolocaustÜ­berlebende­n zu zitieren“, sagte WJC-Präsident Ronald Lauder. dpa

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