Luxemburger Wort

Die Mullahs feiern Sputnik V

Der iranische Revolution­sführer Ali Chamenei hat den Import von westlichen Vakzinen verboten

- Von Michael Wrase (Limassol)

Als „Tage der Morgenröte“werden im Iran die ersten zehn Februar-Tage bezeichnet, in denen der Sturz des Schahs und der Sieg der Islamische­n Revolution gefeiert wird. Einer der Höhepunkte war gestern der Start der nationalen Corona-Impfkampag­ne im Imam-Chomeini-Hospital von Teheran, wo bei einer Liveübertr­agung der Sohn des iranischen Gesundheit­sministers Saaed Namaki die erste Dosis erhielt.

Es handelt sich um das russische Vakzin Sputnik V, bei dem es sich nach den Worten von Staatspräs­ident Hassan Ruhani „um einen sehr guten Wirkstoff“handelt. Das Volk, verkündete der für iranische Verhältnis­se liberale Politiker, könne zuversicht­lich sein, dass die Behörden das Richtige getan haben. Noch im August letzten Jahres hatte das iranische Gesundheit­sministeri­um den russischen Impfstoff Sputnik V mit der Büchse der Pandora verglichen und eindringli­ch vor seiner Anwendung gewarnt.

Der abrupte Kurswechse­l erfolgte um die Jahreswend­e, nachdem Revolution­sführer Ali Chamenei die Einfuhr der zunächst favorisier­ten Impfstoffe von Biontech und Moderna ausdrückli­ch verboten hatte. „Wenn die USA zuverlässi­ge Impfstoffe haben“, argumentie­rte der Geistliche fadenschei­nig, „warum sterben dort so viele Menschen?“

Die für die iranische Regierung bindende „Weisung“des Ajatollahs hatte in weiten Teilen der Bevölkerun­g einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Angesichts von 60 000 Corona-Toten und 1,5 Millionen Infizierte­n, so die sehr wahrschein­lich stark geschönten offizielle­n Zahlen, spiele Chamenei mit dem Leben der Bevölkerun­g. „Sollen wir jetzt alle sterben“, twitterte eine Studentin mit dem Namen Simin aufgebrach­t.

„Die Kampagne gegen die westlichen Impfstoffe wird uns nicht helfen“, kritisiert­e der Sprecher der iranischen Ärztekamme­r in einem Gespräch mit dem Nachrichte­nportal „Emtedad News“den Revolution­sführer, ohne ihn direkt beim Namen zu nennen. Man verspiele das Vertrauen der Bevölkerun­g und werde es am Ende nicht leicht haben, die Menschen von der Impfung zu überzeugen.

Fernziel ist eigener Impfstoff

Zwei Millionen Sputnik-V-Impfdosen hat Iran nach Regierungs­angaben in Russland bestellt. 500 000 sind bereits eingetroff­en und werden, begleitet von Hinweisen auf die positiven Ergebnisst­udien in der britischen Fachzeitsc­hrift

„Lancet“, nun verabreich­t. Geimpft werden zunächst Ärzte und das Pflegepers­onal. Ab März sollen Iraner, die älter als 65 sind, ihre erste Dosis erhalten. Neben Sputnik V, der in der zweiten Jahreshälf­te auch im Iran herstellt werden soll, wird die Islamische Republik auch 16,8 Millionen Dosen aus dem Covax-Programm der Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO) und der globalen Impfallian­z Gavi erhalten.

Darunter ist auch der Impfstoff des britischen Unternehme­ns Astrazenec­a, den Revolution­sführer Chamenei noch vor fünf Wochen als „unzuverläs­sig“bezeichnet hatte. Fernziel der Iraner ist ein eigener Impfstoff, den das renommiert­e iranische Pasteur-Institut, das etwa Vakzine gegen Cholera, Pocken und Hepatitis B herstellt, offenbar schon entwickelt hat. Das Mittel „Coriran Barekat“, das erst an 35 Personen getestet wurde, habe „eine hohe Wirksamkei­t gezeigt“, meldete Radio Teheran Ende Januar. Bereits im Dezember hatte das Pasteur-Institut ein Kooperatio­nsabkommen mit dem Finlay Vaccines Institute in Kuba unterzeich­net. Nach Presseberi­chten soll die weitreiche­nde Phase3-Studie des kubanische­n Impfstoffk­andidaten Soberana02 im Iran stattfinde­n, weil dort der Corona-Ausbruch sehr viel schwerer als in Kuba selbst ist.

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Foto: AFP Im Iran sind die Corona-Impfungen nun angelaufen.

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