Die Mullahs feiern Sputnik V
Der iranische Revolutionsführer Ali Chamenei hat den Import von westlichen Vakzinen verboten
Als „Tage der Morgenröte“werden im Iran die ersten zehn Februar-Tage bezeichnet, in denen der Sturz des Schahs und der Sieg der Islamischen Revolution gefeiert wird. Einer der Höhepunkte war gestern der Start der nationalen Corona-Impfkampagne im Imam-Chomeini-Hospital von Teheran, wo bei einer Liveübertragung der Sohn des iranischen Gesundheitsministers Saaed Namaki die erste Dosis erhielt.
Es handelt sich um das russische Vakzin Sputnik V, bei dem es sich nach den Worten von Staatspräsident Hassan Ruhani „um einen sehr guten Wirkstoff“handelt. Das Volk, verkündete der für iranische Verhältnisse liberale Politiker, könne zuversichtlich sein, dass die Behörden das Richtige getan haben. Noch im August letzten Jahres hatte das iranische Gesundheitsministerium den russischen Impfstoff Sputnik V mit der Büchse der Pandora verglichen und eindringlich vor seiner Anwendung gewarnt.
Der abrupte Kurswechsel erfolgte um die Jahreswende, nachdem Revolutionsführer Ali Chamenei die Einfuhr der zunächst favorisierten Impfstoffe von Biontech und Moderna ausdrücklich verboten hatte. „Wenn die USA zuverlässige Impfstoffe haben“, argumentierte der Geistliche fadenscheinig, „warum sterben dort so viele Menschen?“
Die für die iranische Regierung bindende „Weisung“des Ajatollahs hatte in weiten Teilen der Bevölkerung einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Angesichts von 60 000 Corona-Toten und 1,5 Millionen Infizierten, so die sehr wahrscheinlich stark geschönten offiziellen Zahlen, spiele Chamenei mit dem Leben der Bevölkerung. „Sollen wir jetzt alle sterben“, twitterte eine Studentin mit dem Namen Simin aufgebracht.
„Die Kampagne gegen die westlichen Impfstoffe wird uns nicht helfen“, kritisierte der Sprecher der iranischen Ärztekammer in einem Gespräch mit dem Nachrichtenportal „Emtedad News“den Revolutionsführer, ohne ihn direkt beim Namen zu nennen. Man verspiele das Vertrauen der Bevölkerung und werde es am Ende nicht leicht haben, die Menschen von der Impfung zu überzeugen.
Fernziel ist eigener Impfstoff
Zwei Millionen Sputnik-V-Impfdosen hat Iran nach Regierungsangaben in Russland bestellt. 500 000 sind bereits eingetroffen und werden, begleitet von Hinweisen auf die positiven Ergebnisstudien in der britischen Fachzeitschrift
„Lancet“, nun verabreicht. Geimpft werden zunächst Ärzte und das Pflegepersonal. Ab März sollen Iraner, die älter als 65 sind, ihre erste Dosis erhalten. Neben Sputnik V, der in der zweiten Jahreshälfte auch im Iran herstellt werden soll, wird die Islamische Republik auch 16,8 Millionen Dosen aus dem Covax-Programm der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und der globalen Impfallianz Gavi erhalten.
Darunter ist auch der Impfstoff des britischen Unternehmens Astrazeneca, den Revolutionsführer Chamenei noch vor fünf Wochen als „unzuverlässig“bezeichnet hatte. Fernziel der Iraner ist ein eigener Impfstoff, den das renommierte iranische Pasteur-Institut, das etwa Vakzine gegen Cholera, Pocken und Hepatitis B herstellt, offenbar schon entwickelt hat. Das Mittel „Coriran Barekat“, das erst an 35 Personen getestet wurde, habe „eine hohe Wirksamkeit gezeigt“, meldete Radio Teheran Ende Januar. Bereits im Dezember hatte das Pasteur-Institut ein Kooperationsabkommen mit dem Finlay Vaccines Institute in Kuba unterzeichnet. Nach Presseberichten soll die weitreichende Phase3-Studie des kubanischen Impfstoffkandidaten Soberana02 im Iran stattfinden, weil dort der Corona-Ausbruch sehr viel schwerer als in Kuba selbst ist.