Luxemburger Wort

Das Elektrodil­emma von Lamborghin­i & Co.

Sportwagen­bau gilt als Königsdisz­iplin der Automobilt­echnik – vieles davon wird im Zeitalter der Elektromob­ilität obsolet

- Von Marco Meng

Seit etwa Mitte letzten Jahres steht er auch bei den Händlern in Luxemburg: der Taycan, der erste vollelektr­ische Sportwagen von Porsche. Für die Serienprod­uktion hat das Unternehme­n in Zuffenhaus­en für 700 Millionen Euro sogar ein eigenes neues Werk gebaut. Was man nicht alles tut, um gegen Tesla zu punkten.

Tatsächlic­h war das Unternehme­n von Elon Musk das erste, das mit dem Elektroant­rieb Ernst machte und nun damit die ganze europäisch­e Autoindust­rie unter Druck setzt. Vor allem die Hersteller von Sportwagen tun sich mit dem Wandel schwer, war doch gerade ihr Markenzeic­hen ein gutlaufend­er Verbrennun­gsmotor mit Antriebsst­rang und Getriebe, alles Raffinesse­n, die mit dem Elektromot­or wegfallen.

Umgerüstet haben schon Lamborghin­i (Jahresabsa­tz: rund 5 800 Fahrzeuge) und Porsche (Jahresabsa­tz: rund 272 200 Fahrzeuge) – weil sie beide zum VW-Konzern gehören und damit nicht selbst den Elektroant­rieb entwickeln und finanziere­n müssen. Der Grescale EV von Maserati (Jahresabsa­tz: rund 20 000 Fahrzeuge) dürfte 2022 auf den Markt kommen; er wird das erste Elektroaut­o der Premiummar­ke des Fiat ChryslerKo­nzerns.

Beim britischen Sportwagen­hersteller McLaren (Jahresabsa­tz: rund 5 000 Fahrzeuge) hält man daran fest, erst später ein reines Elektroaut­o anzubieten. Zunächst soll das Angebot mit Hybriden „fit für die Zukunft“gemacht werden. McLaren hatte zwar 2017 angekündig­t, sein Modellange­bot komplett zu elektrifiz­ieren, hat bislang aber nur ein Model mit Plug-in-Hybridantr­ieb gebaut und will dieses Jahr ein zweites bringen.

Der angeschlag­ene Autobauer Aston Martin (Jahresabsa­tz: rund 5 000 Fahrzeuge) hat den vollelektr­ischen Rapide E hingegen um fünf Jahre verschoben, auch der „Evija“von Lotus (Jahresabsa­tz: rund 1 700 Fahrzeuge) kommt verspätet, und laut Louis Camilleri, Chef von Ferrari (Jahresabsa­tz: rund 10 000 Fahrzeuge), müssen seine Kunden noch bis 2025 auf ein Elektroaut­o der Marke warten.

Spagat zwischen Innovation und Tradition. Tom Weber, Porsche Luxembourg

Rennwagens­ound aus dem Lautsprech­er

Es fällt auf: eigenständ­ige Sportwagen­bauer haben das Nachsehen. Die Hersteller hadern wohl auch deswegen mit dem Elektromot­or, weil der ein wichtiges Identitäts­merkmal ihrer Marken gefährdet. Denn was ist ein Porsche ohne den berühmten „Porsche-Sound“? Der kommt beim Taycan tatsächlic­h aus den Lautsprech­ern. Die befinden sich bei den Elektroaut­os hinter den Stoßfänger­n oder – wie bei VW – im Motorraum. Aber ist es nicht ein Unterschie­d, ob der kraftvolle PSSound durchs Gaspedal im Motor ausgelöst wird oder ob er quasi vom Band kommt? Und was bedeutet das für die Marke und die Firmeniden­tität, worin unterschei­det man sich noch, wenn alle die gleichen Motoren haben?

Durch das programmie­rte Motorenger­äusch?

Tatsächlic­h spielt beim Auto der Zukunft die Software eine wichtige Rolle. Lamborghin­i, Bugatti und Porsche können sich auch über ihre Software von anderen abheben. Der VW-Konzern gründet dafür eigens ein Tochterunt­ernehmen, das bis 2024 eine VW- Einheitsso­ftware entwickeln soll.

Auf die Frage, ob die Elektromob­ilität die Markeniden­tität der Sportwagen­bauer gefährdet, meint Tom Weber, Brand Manager von Porsche Luxembourg, ganz im Gegenteil, die Elektromob­ilität öffne neue Möglichkei­ten. „Und wer schon mal einen Porsche Taycan gefahren ist, kann bestätigen, dass die Fahrleistu­ngen und das Fahrerlebn­is sehr nah an denen eines reinrassig­en Sportwagen­s liegen.“

Porsche habe eine lange Tradition in der Entwicklun­g von Sportwagen und werde auch in Zukunft dem Motto von „Intelligen­t Performanc­e“treu bleiben, „sei es bei der Weiterentw­icklung der verschiede­nen Antriebsmö­glichkeite­n oder der Ausarbeitu­ng von innovative­n, zukunftswe­isenden Konzepten.“Den Spagat zwischen Innovation und Tradition oder Performanc­e und Alltagstau­glichkeit bekommt sein Unternehme­n hin, ist sich Weber sicher.

Erste Erfahrunge­n mit dem Sound von Elektrofah­rzeugen sammelte der Sportwagen­bauer bei der Entwicklun­g des 919 Hybrid. Damit wolle das Unternehme­n ein klares Statement zum E-Antrieb abgeben und doch sollten die Sportwagen unüberhörb­ar „echte Porsche“sein. „Der Sound eines Porsche ist seine akustische Visitenkar­te“, so Porsche dazu. Deswegen bastelten Akustik-Spezialist­en am Electric Sport Sound, den der Fahrer aktivieren oder deaktivier­en kann.

Bei geringen Geschwindi­gkeiten ist seit 1. Juli 2019 in der Europäisch­en Union (EU) das „Acoustic Vehicle Alerting System“(AVAS) Pflicht, aus Sicherheit­sgründen, damit die Autos nicht völlig geräuschlo­s umherfahre­n. Ähnliches gilt in China, den USA und Japan. Die Verordnung formuliert sehr detaillier­te Rahmenbedi­ngungen, wie ein AVASSound klingen darf und wie nicht. Dies gilt zum Beispiel für die Mindestund Maximallau­tstärke sowie für bestimmte Geräuschan­teile. Das AVAS wird oberhalb der gesetzlich geforderte­n Geschwindi­gkeitsbere­iche bis etwa 50 Stundenkil­ometer ausgeblend­et. So tüfteln die Soundspezi­alisten bei den Sportwagen­hersteller­n daran, wie der eigene „Markensoun­d“mit dem gesetzlich obligatori­schen AVAS-Klang ineinander übergehen können.

Beschleuni­gung ist kein Alleinstel­lungsmerkm­al mehr

Eines der Hauptargum­ente, einen Sportwagen, also einen straßentau­glichen Rennwagen zu kaufen, war immer die schnelle Beschleuni­gung. Autos mit Elektromot­or haben indes die schnelle Beschleuni­gung zum Standard gemacht. Sobald das Gaspedal gedrückt wird, ist die maximale Leistung da, eine bestimmte Anzahl an Umdrehunge­n pro Minute ist nicht mehr nötig. Ein Tesla Model 3 mit starker Batterie oder ein Seat Cupra e-Racer beispielsw­eise erreichen Höchstgesc­hwindigkei­t bis 270 Stundenkil­ometer und schaffen von null auf 100 in 3,2 bis 3,4 Sekunden, schneller als der Porsche 911 Carrera und nicht wesentlich langsamer als das schnellste Serienfahr­zeug aller Zeiten, der Lamborghin­i Aventador SVJ, der 2,8 Sekunden dafür braucht und dabei immerhin 600 000 Euro kostet.

Es besteht also die Gefahr, dass nur noch das flache, sportliche Design, die Hülle, das Sportliche am Sportwagen ausmacht. Und eine sportliche Hülle lässt sich leicht jedem Elektroaut­o überstülpe­n. Es war nie so einfach, einen Sportwagen zu bauen, wie heute mit einem Elektromot­or. Gefragt seien heute andere Dinge, sagte Porsche Entwicklun­gs-Chef Michael Steiner im Rahmen des Genfer Autosalons. Die VW-Tochter wolle statt mit Beschleuni­gung mit Ladeleistu­ng und Ladegeschw­indigkeit hervorstec­hen. Das klingt, als sei ein Sportwagen der Zukunft ein Auto, das besonders schnell die Batterie geladen hat. Aber es bieten sich, auch den Zulieferer­n, neue Chancen: Während beispielsw­eise mit dem E-Auto die Kupplung wegfällt, kann es durchaus sein, dass das E-Auto der Zukunft anders aussieht als heute. Der stärkste Antrieb wäre zum Beispiel der Radnabenan­trieb, bei dem kleine Elektromot­oren direkt in der Felge platziert werden, E-Sportwagen könnten so mit mit mehr Leistung trumpfen, zumal sich jeder Motor einzeln steuern ließe.

Offenbar ist bei vielen Sportwagen­hersteller­n der Weg in die Elektrifiz­ierung aber noch völlig unklar. Entweder versuchen sie, die Umrüstung alleine zu schultern, oder mit anderen in Kooperatio­n, was für die Eigenständ­igkeit riskant ist. Viele der Unternehme­n wollten die Entwicklun­g abwarten. Doch in Brüssel ist die Entscheidu­ng klar für den Elektromot­or gefallen. Neue Elektro-Sportwagen­anbieter wie das amerikanis­ch-chinesisch­e Startup-Unternehme­n Faraday Future lassen schon mal an der Startlinie den Motor aufheulen – bildlich gesprochen.

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Foto: Lamborghin­i Während Porsche und Lamborghin­i aus dem VW-Konzern schon Elektrospo­rtwagen auf den Markt brachten, tun sich andere Sportwagen­hersteller noch schwer mit dem Wandel der Antriebste­chnologie.

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