Familie und Selbstbespiegelung
Was die Düdelinger Schauen von Trixi Weis und Cristina Dias de Magalhães trennt, aber auch überraschenderweise eint
Marlène Kreins hat wieder zugeschlagen – auch wenn die Lockdowns den Kalender für die Ausstellungen ordentlich durcheinandergewirbelt haben, steht sie mit dem Team des regionalen Kulturzentrums opderschmelz zu den Künstlerinnen und Künstlern, denen sie eine Schau in Aussicht gestellt hatte. Die Ausstellungskuratorin der Düdelinger Galerien Nei Liicht und Dominique Lang legt aber dann noch drauf, in dem sie intensiv erarbeitete Ausstellungskonzepte im Schulterschluss mit den Kunstschaffenden umsetzt.
Was heißt das konkret? Kreins nimmt sich zum Teil Wochen an Vorlauf – das ist sicher für Ausstellungen dieser Art nicht ungewöhnlich; ungewöhnlich ist das aber sicher für eine Gemeinde und ihre vergleichsweise kleinen Räume. Die Kuratorin gibt zu, für die aktuell laufenden Schauen von Trixi Weis und Cristina Dias de Magalhães lange an der perfekten Szenografie für die beste Geltung der Werke gefeilt zu haben.
Viel Aufwand selbst für kleine Besucher
Allein schon der wochenlange Umbau und der Einzug von Zwischenwänden geben der Schau von Weis ein besonderes Raumgefühl – und dank ausgeklügelter Hängungsund Materialprüfungen können die Arbeiten von Dias de Magalhães nun noch mehr strahlen. Das hilft dann auch dem Besucher; im Fall von Dias de Magalhães sogar für Nachwuchskunstfreunde, denen die niedrigere Hängung entgegenkommt und auch ihnen einen besseren Werkzugang ermöglicht.
Denn so scheinbar leicht, wie die Arbeiten der beiden Frauen daherkommen, sind sie längst nicht
– im Gegenteil. Sie sind mal weniger, mal mehr abstrahierte Identitätsrecherchen, die dann ihren ganz eigenen Ausdruck in Material, inhaltlicher Dichte und Form finden.
Trixi Weis führt in die Leere. Ein scheinbar grausam kalkig abstoßender Ersteindruck wird gebrochen durch die Wirkung, die die temporär eingezogenen weißen Wände und die dadurch provozierten Sichtachsen und Laufwegund Blickrichtungsveränderungen erzeugen. Im Prinzip zeigt Weis lediglich zwei Arbeiten – eine im Erdgeschoß und die im kleineren Raum der oberen Galerieflächen des Bahnhofsgebäudes.
„Was ist aus dir geworden?“, stellt sie im Erdgeschoss als Frage in den Raum – in spiegelnden Buchstaben. Dazu kommt der Spiegel eines Kleiderschranks, in dem Kinderkostüme hängen, die an die Karriereträume von einst erinnern. Was ist geblieben? Was ist von der kindlichen Naivität durchzogen, was unrealistische Vorspiegelung, oder vernachlässigter Traum? Die Titelmelodie der deutschen Winnetou-Karl-May-Verfilmungen strömt ins Ohr. „Das ist auch eine Kindheitserinnerung von Weis“, gibt Kreins zu bedenken. Der Blick in einen hellen Tunnel schafft dann noch das Gefühl, Bilanz ziehen zu müssen, diese Leere zu füllen. Eine Arbeit, die nicht nur mit scheinbar wenigen Mitteln viel erreicht, sondern durch Konfrontation und die Störung der gewohnten Pfade überzeugt.
Im oberen Teil rückt die Alltagsdroge Zucker in den Blick. Weiße Fondantmasse wird auf ihre Tauglichkeit als künstlerisches Material analysiert. Videokunst trifft dabei Rauminstallation. Das Rollholz mit dem weißen Zuckerfondant prägt das Zentrum des weißen Raums mit seinem Holzfußboden. Videos von aus Zuckerfondant geformten Konsumkultursymbolen – Auto, Bildschirm, Haus – rücken die Brüchigkeit dieser aus Zucker gearbeiteten Objekte in den Vordergrund. Das ist nicht nur eine Suche nach einer Form des Ausdrucks und der Technik, sondern auch Konsumkritik auf besondere Art.
Und Dias de Magalhães? Auch sie bespiegelt einerseits das Familienleben, insbesondere der tiefe Einschnitt durch ihre eigene Mutterschaft ihrer Zwillingstöchter, und überkreuzt sie mit Aufnahmen aus einem Naturmuseum und dessen Ausstellungsobjekten.
Der Mehrwert steckt in der Kombination der Fotografien als Diptychen oder Triptychen. Mal sind es Farbkontraste, mal Gemeinsamkeiten zwischen tierischem und menschlichem Verhalten, vielleicht sogar etwas zutiefst archetypischen, wie eben die Instinkte, die sie dem Ausstellungstitel
nach so besonders in den Vordergrund rückt. Dabei ist auch das Unscharfe kein Störfaktor, sondern erhöht die Verallgemeinerung ihrer Befunde über das eigene Familienleben hinaus. Spürbar sucht Cristina Dias de Magalhães, die unter anderem mit der Schau „L’autre-porträt /Embody“im Rahmen des Europäischen Monats der Fotografie 2019 in neimënster Akzente setzt, dabei den Schulterschluss zum Betrachter.
Es ist auch für uns oft erstaunlich, wie Kinder auf diese Kombinationen reagieren. Kuratorin Marlène Kreins
Wie schon erwähnt: Auch jüngere Kunstfreunde sollen und dürfen auf ihre Kosten kommen. Das ist nicht nur der Hängung zu verdanken. Nicht zuletzt verwendet Dias de Magalhães die Zeichnungen ihrer Töchter und verarbeitet sie als Zeugnisse der menschlichen Entwicklung, als Blick in den Zeitgeist, der sich in den kindlich verarbeiteten Themen und Ausdrücken widerspiegelt, und eben wieder den archetypischen Linien, die sich darin abzeichnen. „Es ist auch für uns erstaunlich, wie Kinder auf diese Kombinationen reagieren“, sagt Marlène Kreins. Dieser Entdeckungskosmos ist also auch familientauglich.
Beide Schauen sind noch bis zum 21. Februar in den beiden Kunstgalerien der Stadt Düdelingen zu sehen, Öffnungszeiten: mittwochs bis sonntags jeweils von 15 bis 19 Uhr. Alle Details zur Anfahrt und zu den Ausstellungen finden sich unter:
www.galeries-dudelange.lu