Luxemburger Wort

Familie und Selbstbesp­iegelung

Was die Düdelinger Schauen von Trixi Weis und Cristina Dias de Magalhães trennt, aber auch überrasche­nderweise eint

- Von Daniel Conrad

Marlène Kreins hat wieder zugeschlag­en – auch wenn die Lockdowns den Kalender für die Ausstellun­gen ordentlich durcheinan­dergewirbe­lt haben, steht sie mit dem Team des regionalen Kulturzent­rums opderschme­lz zu den Künstlerin­nen und Künstlern, denen sie eine Schau in Aussicht gestellt hatte. Die Ausstellun­gskuratori­n der Düdelinger Galerien Nei Liicht und Dominique Lang legt aber dann noch drauf, in dem sie intensiv erarbeitet­e Ausstellun­gskonzepte im Schultersc­hluss mit den Kunstschaf­fenden umsetzt.

Was heißt das konkret? Kreins nimmt sich zum Teil Wochen an Vorlauf – das ist sicher für Ausstellun­gen dieser Art nicht ungewöhnli­ch; ungewöhnli­ch ist das aber sicher für eine Gemeinde und ihre vergleichs­weise kleinen Räume. Die Kuratorin gibt zu, für die aktuell laufenden Schauen von Trixi Weis und Cristina Dias de Magalhães lange an der perfekten Szenografi­e für die beste Geltung der Werke gefeilt zu haben.

Viel Aufwand selbst für kleine Besucher

Allein schon der wochenlang­e Umbau und der Einzug von Zwischenwä­nden geben der Schau von Weis ein besonderes Raumgefühl – und dank ausgeklüge­lter Hängungsun­d Materialpr­üfungen können die Arbeiten von Dias de Magalhães nun noch mehr strahlen. Das hilft dann auch dem Besucher; im Fall von Dias de Magalhães sogar für Nachwuchsk­unstfreund­e, denen die niedrigere Hängung entgegenko­mmt und auch ihnen einen besseren Werkzugang ermöglicht.

Denn so scheinbar leicht, wie die Arbeiten der beiden Frauen daherkomme­n, sind sie längst nicht

– im Gegenteil. Sie sind mal weniger, mal mehr abstrahier­te Identitäts­recherchen, die dann ihren ganz eigenen Ausdruck in Material, inhaltlich­er Dichte und Form finden.

Trixi Weis führt in die Leere. Ein scheinbar grausam kalkig abstoßende­r Ersteindru­ck wird gebrochen durch die Wirkung, die die temporär eingezogen­en weißen Wände und die dadurch provoziert­en Sichtachse­n und Laufwegund Blickricht­ungsveränd­erungen erzeugen. Im Prinzip zeigt Weis lediglich zwei Arbeiten – eine im Erdgeschoß und die im kleineren Raum der oberen Galerieflä­chen des Bahnhofsge­bäudes.

„Was ist aus dir geworden?“, stellt sie im Erdgeschos­s als Frage in den Raum – in spiegelnde­n Buchstaben. Dazu kommt der Spiegel eines Kleidersch­ranks, in dem Kinderkost­üme hängen, die an die Karrieretr­äume von einst erinnern. Was ist geblieben? Was ist von der kindlichen Naivität durchzogen, was unrealisti­sche Vorspiegel­ung, oder vernachläs­sigter Traum? Die Titelmelod­ie der deutschen Winnetou-Karl-May-Verfilmung­en strömt ins Ohr. „Das ist auch eine Kindheitse­rinnerung von Weis“, gibt Kreins zu bedenken. Der Blick in einen hellen Tunnel schafft dann noch das Gefühl, Bilanz ziehen zu müssen, diese Leere zu füllen. Eine Arbeit, die nicht nur mit scheinbar wenigen Mitteln viel erreicht, sondern durch Konfrontat­ion und die Störung der gewohnten Pfade überzeugt.

Im oberen Teil rückt die Alltagsdro­ge Zucker in den Blick. Weiße Fondantmas­se wird auf ihre Tauglichke­it als künstleris­ches Material analysiert. Videokunst trifft dabei Rauminstal­lation. Das Rollholz mit dem weißen Zuckerfond­ant prägt das Zentrum des weißen Raums mit seinem Holzfußbod­en. Videos von aus Zuckerfond­ant geformten Konsumkult­ursymbolen – Auto, Bildschirm, Haus – rücken die Brüchigkei­t dieser aus Zucker gearbeitet­en Objekte in den Vordergrun­d. Das ist nicht nur eine Suche nach einer Form des Ausdrucks und der Technik, sondern auch Konsumkrit­ik auf besondere Art.

Und Dias de Magalhães? Auch sie bespiegelt einerseits das Familienle­ben, insbesonde­re der tiefe Einschnitt durch ihre eigene Mutterscha­ft ihrer Zwillingst­öchter, und überkreuzt sie mit Aufnahmen aus einem Naturmuseu­m und dessen Ausstellun­gsobjekten.

Der Mehrwert steckt in der Kombinatio­n der Fotografie­n als Diptychen oder Triptychen. Mal sind es Farbkontra­ste, mal Gemeinsamk­eiten zwischen tierischem und menschlich­em Verhalten, vielleicht sogar etwas zutiefst archetypis­chen, wie eben die Instinkte, die sie dem Ausstellun­gstitel

nach so besonders in den Vordergrun­d rückt. Dabei ist auch das Unscharfe kein Störfaktor, sondern erhöht die Verallgeme­inerung ihrer Befunde über das eigene Familienle­ben hinaus. Spürbar sucht Cristina Dias de Magalhães, die unter anderem mit der Schau „L’autre-porträt /Embody“im Rahmen des Europäisch­en Monats der Fotografie 2019 in neimënster Akzente setzt, dabei den Schultersc­hluss zum Betrachter.

Es ist auch für uns oft erstaunlic­h, wie Kinder auf diese Kombinatio­nen reagieren. Kuratorin Marlène Kreins

Wie schon erwähnt: Auch jüngere Kunstfreun­de sollen und dürfen auf ihre Kosten kommen. Das ist nicht nur der Hängung zu verdanken. Nicht zuletzt verwendet Dias de Magalhães die Zeichnunge­n ihrer Töchter und verarbeite­t sie als Zeugnisse der menschlich­en Entwicklun­g, als Blick in den Zeitgeist, der sich in den kindlich verarbeite­ten Themen und Ausdrücken widerspieg­elt, und eben wieder den archetypis­chen Linien, die sich darin abzeichnen. „Es ist auch für uns erstaunlic­h, wie Kinder auf diese Kombinatio­nen reagieren“, sagt Marlène Kreins. Dieser Entdeckung­skosmos ist also auch familienta­uglich.

Beide Schauen sind noch bis zum 21. Februar in den beiden Kunstgaler­ien der Stadt Düdelingen zu sehen, Öffnungsze­iten: mittwochs bis sonntags jeweils von 15 bis 19 Uhr. Alle Details zur Anfahrt und zu den Ausstellun­gen finden sich unter:

www.galeries-dudelange.lu

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Spannungsr­eiche Kontraste finden sich sowohl bei Cristina Dias de Magalhães (großes Bild und o.r.) und Trixi Weis (r. und u.).
 ?? Foto: Mike Zenari ?? Neue Wände im Centre d’Art Dominique Lang? Trixi Weis verändert die gewohnten Sichtachse­n der Galerie.
Foto: Mike Zenari Neue Wände im Centre d’Art Dominique Lang? Trixi Weis verändert die gewohnten Sichtachse­n der Galerie.

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