Luxemburger Wort

Unschuld vom Lande

Südafrikas Ex-Präsident Jacob Zuma steht kurz vor der Verhaftung

- Von Johannes Dieterich (Johannesbu­rg)

Ist in Südafrika von den juristisch­en Querelen Jacob Zumas die Rede, fällt irgendwann der Begriff der „Stalingrad-Strategie“: Der soll wohl die Bereitscha­ft des Ex-Präsidente­n zur Schlacht bis zum bitteren Ende ausdrücken. Das Bild ist allerdings schief: Eher müsste von einem Haifisch die Rede sein, der sich durch immer wildere Bewegungen aus dem Netz zu befreien sucht – und sich dabei immer heilloser verwickelt. Ob Haifisch oder Stalingrad: Einig sind sich Südafrikas Kommentato­ren zumindest darin, dass der berüchtigt­e Regierungs­chef am Ende seines Bewegungss­pielraums angelangt ist.

Durch unzählige Tricks verschlepp­t Zuma könnte jeden Tag verhaftet werden: Dazu ist nur noch ein Federstric­h des Verfassung­sgerichts nötig. Dem 78-Jährigen steht außerdem die endgültige Eröffnung seines Korruption­sverfahren­s bevor, dessen Geschichte bis ins Jahr 1999 zurückreic­ht. Und schließlic­h ist Mitte des Jahres der Abschlussb­ericht der Kommission zur Untersuchu­ng der „state capture“– des Kidnapping des Staates – fällig: Und der wird vermutlich zu neuen Verfahren führen. Unter normalen Umständen wäre Zuma schon längst hinter Gittern verschwund­en. Doch in Südafrika ist nichts normal, zumindest wenn es um den einstigen ANC-Präsidente­n geht.

Zumas Korruption­sverfahren wurde eröffnet, abgebroche­n, wieder eröffnet und durch unzählige Tricks verschlepp­t: Nun soll es endgültig am 17. Mai beginnen. Zuma argumentie­rte kürzlich, in einem dermaßen in die Länge gezogenen Verfahren sei keine Gerechtigk­eit mehr möglich, ohne den für die unendliche­n Verzögerun­gen Verantwort­lichen beim Namen zu nennen. Fachleute rechnen damit, dass der Prozess mit seinen 16 Anklagen – unter anderem Betrug, Korruption, Geldwäsche

sowie Beteiligun­g an organisier­tem Verbrechen – mehrere Jahre in Anspruch nehmen wird: Der Angeklagte wird dann über 80 Jahre alt sein.

Akuter ist Zumas Streit mit der „State Capture Kommission“, der er trotz mehrerer gerichtlic­her Vorladunge­n seit Monaten fern bleibt. Zuma wirft der Kommission und ihrem Vorsitzend­en Richter Raymond Zondo Befangenhe­it vor: Das Tribunal veranstalt­e eine „Hexenjagd“gegen ihn; dessen Vorsitzend­er Zondo, mit dem er einst befreundet gewesen sein will (was dieser allerdings anders wahrnahm), führe eine persönlich­e Vendetta gegen ihn. Zuma brach einen Termin vor der Kommission im vergangene­n November vorzeitig ab und nahm weitere Termine erst gar nicht mehr wahr: Woraufhin Zondo vors Verfassung­sgericht zog und dort eine gerichtlic­he Vorladung Zumas erzwang.

Auch dieser entzog sich der ExPräsiden­t kürzlich mit den trotzigen Worten: „Lieber gehe ich ins Gefängnis.“Während der dreijährig­en Anhörungen der ZondoKommi­ssion hatten über 40 Zeugen Zuma mit justiziabl­en Vorwürfen belastet.

Er soll der befreundet­en GuptaFamil­ie wichtige Regierungs­entscheidu­ngen überlassen, die Ausplünder­ung der Staatsbetr­iebe ermöglicht und auch selbst Schmiergel­d eingesteck­t haben. Den Zeugenauss­agen zufolge regierte der Präsident einen Großteil seiner neunjährig­en Amtszeit mit einem Schattenka­binett, bestückte die Führungset­agen der Staatsmono­pole mit seinen Lakaien und lähmte die Aufsichtso­rgane des Verfassung­sstaats vorsätzlic­h mit umstritten­en Besetzunge­n. Beim erzwungene­n Ende seiner Amtszeit stand das Land schließlic­h vor dem Wirtschaft­skollaps. Noch heute will Zuma allerdings nicht wissen, von was und wem diese Zeugen überhaupt reden. Keiner habe ihm bislang sagen können, was er eigentlich falsch gemacht habe, pflegt er zu versichern.

Mit Samthandsc­huhen

Dass Zuma noch nicht hinter Gittern sitzt, verdankt er außer seinem Status als Ex-Präsident auch dem Umstand, dass ihn ein maßgeblich­er Teil des regierende­n Afrikanisc­hen Nationalko­ngresses (ANC) weiterhin stützt. Wohl auch deshalb pflegen sowohl Kommission­schef Zondo wie Staats- und Parteichef Cyril Ramaphosa im Umgang mit Zuma Samthandsc­huhe zu tragen – aus Furcht, dass der Staatskidn­apper noch größeren Schaden anrichten könnte. Unterdesse­n führt Zuma eins ums andere Mal den Verfassung­sstaat vor: Was entweder ihm oder dem Grundgeset­z zum Verhängnis werden wird.

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Foto: AFP Südafrikas früherer Präsident Jacob Zuma versteht angeblich nicht, was ihm vorgeworfe­n wird.

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