Späte Anerkennung in tiefdunklem Kapitel
Jerusalem. Zwischen 1948 und 1954 verschwanden in Israel Säuglinge und Kleinkinder. Betroffen waren jemenitische Einwanderer, auch Einwanderer aus Nahost und dem Balkan; möglicherweise waren es Tausende. 70 Jahre später stellt sich das Land dem, was sein Ministerpräsident Benjamin Netanjahu laut Mitteilung aus seinem Büro als „eines der schmerzhaftesten Ereignisse in der Geschichte des Landes“bezeichnete. Vorgestern Abend nun beschloss die Regierung, das unrühmliche Kapitel seiner Geschichte offiziell in die Schulbücher aufzunehmen. Betroffene sollen mit insgesamt umgerechnet rund 40,8 Millionen Euro entschädigt werden.
Zwischen 1948 und 1950 kamen nach offiziellen Angaben knapp 50 000 jemenitische Juden nach Israel. Viele von ihnen waren Teil der geheimen israelischen Rettungsoperation „Auf Adlerflügeln“. Sie wurden mit Luftbrücken in den jungen Staat geflogen und dort vielfach in Auffanglagern untergebracht. Bis 1954 verschwanden mehr als 1 000 Säuglinge und Kleinkinder jemenitischer Einwanderer, oft unmittelbar nach der Geburt oder nach einem Krankenhausaufenthalt. Manche Schätzungen gehen von bis zu 5 000 Verschwundenen aus. Familien berichteten, ihnen sei der Tod der Kinder mitgeteilt worden, ohne dass sie den Leichnam sehen durften oder einen Totenschein erhielten. Sie warfen den Behörden vor, die Kinder geraubt und gezielt an kinderlose Juden europäischer Abstammung gegeben zu haben. Rund 1 000 Familien wandten sich an die israelischen Behörden. Den Verbleib ihrer Kinder untersuchten gleich drei offizielle Kommissionen in den 60er, 80er und 90er Jahren. Die 2016 freigegebenen Dokumente belegen: Alle drei Kommissionen kamen zu dem Schluss, dass die Mehrheit der Kinder gestorben ist. In 48 Fällen sei der Tod wahrscheinlicher Grund für das Verschwinden. Ungeklärt bleibt das Schicksal von 69 Kindern. Jene Familien, die sich an die Behörden gewandt hatten, sollen nun zumindest eine staatliche Entschädigung erhalten. KNA