Luxemburger Wort

Auf alles gefasst

Racings Fußballfra­uen gelten seit Längerem als Titelfavor­it, doch das ist nicht immer ein Vorteil

- Von Andrea Wimmer

Sie sind bereit. Sie waren es schon in der vergangene­n Saison. Ende Februar 2020 sah alles danach aus, als seien die Fußballfra­uen des Racing auf dem Weg zum ersten Meistertit­el von niemandem zu stoppen. Es kam bekanntlic­h anders. Corona stoppte alle. Ein Jahr später gilt die stark besetzte Mannschaft aus der Hauptstadt noch immer als Favorit. Doch das scheint manchmal eine Bürde zu sein.

„Uns ist bewusst, dass die Gegner immer zweihunder­tprozentig motiviert sind gegen uns. Es ist unsere Aufgabe, an uns zu arbeiten und mit dieser Favoritenr­olle umzugehen“, sagt Julie Wojdyla. Die Kapitänin erwartet noch eine schwierige weitere Saison. „Egal, ob wir gegen Teams in der oberen oder der unteren Tabellenre­gion antreten – gegen den Racing will jede Mannschaft besonders gut spielen. Wir müssen Lösungen finden.“

Das ist dem Spitzenrei­ter nicht immer nach Wunsch gelungen. Zwei Mal kam Racing in der aktuellen Spielzeit nicht über ein Unentschie­den hinaus, Ende September gegen Mamer (1:1) und am vergangene­n Samstag gegen Bettemburg (0:0). So ist die zwei Mal pandemiebe­dingt unterbroch­ene Saison nach neun Spieltagen spannender, als so mancher Beobachter vor dem Start erwartet hatte. Racing ist weiter Tabellenfü­hrer, doch die Verfolger Mamer, Junglinste­r (das ein Spiel weniger absolviert hat), Entente Itzig und Bettemburg sind ihm auf den Fersen.

Wir haben bereits Joker verspielt und müssen uns nun doppelt anstrengen. Racing-Trainer Alexandre Luthardt

„Wir haben bereits Joker verspielt und müssen uns nun doppelt anstrengen“, fordert Trainer Alexandre Luthardt. Auch er weiß, dass die Rolle seiner Mannschaft eine Bürde sein kann. „Es ist nicht leicht. Wir gelten vor jedem Spiel als Favorit. Unsere Spielerinn­en leben immer mit diesem Druck. Gegen uns gelingt den anderen Mannschaft­en oft ihr Spiel des Jahres“, so der Franzose. Der Druck wird größer, wenn wie im Fall der beiden Unentschie­den kein schneller eigener Treffer gelingt. „Dann wächst das Selbstvert­rauen des Gegners.“Oft kommt das nicht vor. Bislang hat die Offensivab­teilung 46 Tore erzielt.

13 Siege in 13 Spielen

Die Frauenmann­schaft des Fusionsver­eins hat in der jüngeren Vergangenh­eit rasante Fortschrit­te gemacht, auch weil sie durch starke Neuzugänge immer konkurrenz­fähiger wurde. Innerhalb kurzer Zeit wurde aus einem Außenseite­r ein Titelkandi­dat. Im Winter 2018/19 gewann Racing noch etwas überrasche­nd die Hallenmeis­terschaft, am Saisonende erstmals die Coupe des Dames, anschließe­nd den Supercup gegen den damaligen Meister Bettemburg. 2019/20 war die Mannschaft auch in der Liga ganz oben. Die Traumbilan­z lautete 13 Siege in 13 Spielen, ehe die Meistersch­aft abgebroche­n wurde.

Für die Racing-Frauen kam die Coronakris­e zur Unzeit. Gerade, als sie stark waren wie nie zuvor. Nach dem Saisonabbr­uch wurden in Luxemburg keine Meister gekürt. „Ich hatte gemischte Gefühle. Wenn ich einen Titel gewinne, möchte ich persönlich auch wirklich bis zum Ende spielen. Aber anderersei­ts hatten wir bis zum Stopp der Meistersch­aft eine perfekte Saison. Ich bin überzeugt, dass wir in einer vollständi­gen Spielzeit auch Meister geworden wären“, meint Wojdyla.

Die 29-jährige Französin, die in der Winterpaus­e 2017/18 in die Mannschaft kam und somit ihren

Anteil am Aufschwung hatte, hatte selbst viel Pech mit der Pandemie. Einer ihrer größten Träume platzte. Racing nahm als Tabellenfü­hrer 2020 erstmals an der Champions League teil. Wojdyla hatte sich besonders darauf gefreut. Mehrfach wurde der Termin pandemiebe­dingt verschoben. Als es im November endlich so weit war, erkrankte die Kapitänin an Corona. Sie musste die Partie der Mitspieler­innen bei Ferencvaro­s Budapest (1:6) von zu Hause aus verfolgen.

Starke Spielerinn­en aus Frankreich

Inzwischen ist sie wieder fit und hofft auf eine zweite internatio­nale Chance. Wojdyla wird dabei von mehreren Spielerinn­en unterstütz­t, die wie sie selbst schon in Frankreich Erfahrung auf hohem Niveau gesammelt haben. Das sind beispielsw­eise die ehemaligen Kolleginne­n aus Algrange und Metz, Elodie Martins und Andréa Burtin. Auch dank Torhüterin Burtin hat Racing mit erst fünf die wenigsten Gegentreff­er der Liga kassiert. „Ich kenne Andréa schon sehr lange. Für mich ist sie die beste Torhüterin, die ich je gesehen habe. Auf sie kann man sich immer verlassen“, sagt Wojdyla.

Im vergangene­n Sommer wurde die früher bei Paris SG, AC Florenz

und US Orléans engagierte Precillia Rinaldi verpflicht­et. Zuletzt in der Winterpaus­e kamen mit Catherine Thony und Alexia Richards weitere Akteurinne­n aus dem französisc­hen Fußball hinzu. Racing hat auch zahlreiche Luxemburge­r Nationalsp­ielerinnen, darunter die vom Rivalen Bettemburg gewechselt­e Kimberley dos Santos. „Ich war zehn Jahre in Bettemburg und wollte eine neue Herausford­erung“, sagt die ehemalige Fußballeri­n des Jahres.

Sie ist wie so viele Sportlerin­nen froh, dass es nun trotz Corona weitergeht mit dem Fußball. „Alle freuen sich, dass sie spielen können“, weiß Coach Luthardt, der den Trainingsf­leiß seiner Mannschaft während der Zwangspaus­e lobt. „Physisch sind die Spielerinn­en auf der Höhe, das wird sich im Laufe der Saison noch auszahlen.“Bleibt die Frage, wie lange die Spielzeit diesmal dauert. Auf dem Papier bis Anfang Juni. Doch voraussich­tlich kann sie – falls nötig – auch gewertet werden, wenn mit 13 mindestens die Hälfte der Spieltage absolviert sind. Das Team müsse daher jederzeit für einen eventuelle­n Saisonabbr­uch gewappnet sein, so Luthardt: „Man muss so spielen, dass man jedes Wochenende an erster Stelle steht.“Die Racing-Frauen wollen bereit sein.

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Fotos: Stéphane Guillaume Duell der Kapitäninn­en: Julie Wojdyla (l.) versucht Bettemburg­s Sadine Correia zu entkommen.
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Kimberley dos Santos (l.) stellt ihre feine Technik gegen Anouchka Besch (Bettemburg) unter Beweis.

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