Auf alles gefasst
Racings Fußballfrauen gelten seit Längerem als Titelfavorit, doch das ist nicht immer ein Vorteil
Sie sind bereit. Sie waren es schon in der vergangenen Saison. Ende Februar 2020 sah alles danach aus, als seien die Fußballfrauen des Racing auf dem Weg zum ersten Meistertitel von niemandem zu stoppen. Es kam bekanntlich anders. Corona stoppte alle. Ein Jahr später gilt die stark besetzte Mannschaft aus der Hauptstadt noch immer als Favorit. Doch das scheint manchmal eine Bürde zu sein.
„Uns ist bewusst, dass die Gegner immer zweihundertprozentig motiviert sind gegen uns. Es ist unsere Aufgabe, an uns zu arbeiten und mit dieser Favoritenrolle umzugehen“, sagt Julie Wojdyla. Die Kapitänin erwartet noch eine schwierige weitere Saison. „Egal, ob wir gegen Teams in der oberen oder der unteren Tabellenregion antreten – gegen den Racing will jede Mannschaft besonders gut spielen. Wir müssen Lösungen finden.“
Das ist dem Spitzenreiter nicht immer nach Wunsch gelungen. Zwei Mal kam Racing in der aktuellen Spielzeit nicht über ein Unentschieden hinaus, Ende September gegen Mamer (1:1) und am vergangenen Samstag gegen Bettemburg (0:0). So ist die zwei Mal pandemiebedingt unterbrochene Saison nach neun Spieltagen spannender, als so mancher Beobachter vor dem Start erwartet hatte. Racing ist weiter Tabellenführer, doch die Verfolger Mamer, Junglinster (das ein Spiel weniger absolviert hat), Entente Itzig und Bettemburg sind ihm auf den Fersen.
Wir haben bereits Joker verspielt und müssen uns nun doppelt anstrengen. Racing-Trainer Alexandre Luthardt
„Wir haben bereits Joker verspielt und müssen uns nun doppelt anstrengen“, fordert Trainer Alexandre Luthardt. Auch er weiß, dass die Rolle seiner Mannschaft eine Bürde sein kann. „Es ist nicht leicht. Wir gelten vor jedem Spiel als Favorit. Unsere Spielerinnen leben immer mit diesem Druck. Gegen uns gelingt den anderen Mannschaften oft ihr Spiel des Jahres“, so der Franzose. Der Druck wird größer, wenn wie im Fall der beiden Unentschieden kein schneller eigener Treffer gelingt. „Dann wächst das Selbstvertrauen des Gegners.“Oft kommt das nicht vor. Bislang hat die Offensivabteilung 46 Tore erzielt.
13 Siege in 13 Spielen
Die Frauenmannschaft des Fusionsvereins hat in der jüngeren Vergangenheit rasante Fortschritte gemacht, auch weil sie durch starke Neuzugänge immer konkurrenzfähiger wurde. Innerhalb kurzer Zeit wurde aus einem Außenseiter ein Titelkandidat. Im Winter 2018/19 gewann Racing noch etwas überraschend die Hallenmeisterschaft, am Saisonende erstmals die Coupe des Dames, anschließend den Supercup gegen den damaligen Meister Bettemburg. 2019/20 war die Mannschaft auch in der Liga ganz oben. Die Traumbilanz lautete 13 Siege in 13 Spielen, ehe die Meisterschaft abgebrochen wurde.
Für die Racing-Frauen kam die Coronakrise zur Unzeit. Gerade, als sie stark waren wie nie zuvor. Nach dem Saisonabbruch wurden in Luxemburg keine Meister gekürt. „Ich hatte gemischte Gefühle. Wenn ich einen Titel gewinne, möchte ich persönlich auch wirklich bis zum Ende spielen. Aber andererseits hatten wir bis zum Stopp der Meisterschaft eine perfekte Saison. Ich bin überzeugt, dass wir in einer vollständigen Spielzeit auch Meister geworden wären“, meint Wojdyla.
Die 29-jährige Französin, die in der Winterpause 2017/18 in die Mannschaft kam und somit ihren
Anteil am Aufschwung hatte, hatte selbst viel Pech mit der Pandemie. Einer ihrer größten Träume platzte. Racing nahm als Tabellenführer 2020 erstmals an der Champions League teil. Wojdyla hatte sich besonders darauf gefreut. Mehrfach wurde der Termin pandemiebedingt verschoben. Als es im November endlich so weit war, erkrankte die Kapitänin an Corona. Sie musste die Partie der Mitspielerinnen bei Ferencvaros Budapest (1:6) von zu Hause aus verfolgen.
Starke Spielerinnen aus Frankreich
Inzwischen ist sie wieder fit und hofft auf eine zweite internationale Chance. Wojdyla wird dabei von mehreren Spielerinnen unterstützt, die wie sie selbst schon in Frankreich Erfahrung auf hohem Niveau gesammelt haben. Das sind beispielsweise die ehemaligen Kolleginnen aus Algrange und Metz, Elodie Martins und Andréa Burtin. Auch dank Torhüterin Burtin hat Racing mit erst fünf die wenigsten Gegentreffer der Liga kassiert. „Ich kenne Andréa schon sehr lange. Für mich ist sie die beste Torhüterin, die ich je gesehen habe. Auf sie kann man sich immer verlassen“, sagt Wojdyla.
Im vergangenen Sommer wurde die früher bei Paris SG, AC Florenz
und US Orléans engagierte Precillia Rinaldi verpflichtet. Zuletzt in der Winterpause kamen mit Catherine Thony und Alexia Richards weitere Akteurinnen aus dem französischen Fußball hinzu. Racing hat auch zahlreiche Luxemburger Nationalspielerinnen, darunter die vom Rivalen Bettemburg gewechselte Kimberley dos Santos. „Ich war zehn Jahre in Bettemburg und wollte eine neue Herausforderung“, sagt die ehemalige Fußballerin des Jahres.
Sie ist wie so viele Sportlerinnen froh, dass es nun trotz Corona weitergeht mit dem Fußball. „Alle freuen sich, dass sie spielen können“, weiß Coach Luthardt, der den Trainingsfleiß seiner Mannschaft während der Zwangspause lobt. „Physisch sind die Spielerinnen auf der Höhe, das wird sich im Laufe der Saison noch auszahlen.“Bleibt die Frage, wie lange die Spielzeit diesmal dauert. Auf dem Papier bis Anfang Juni. Doch voraussichtlich kann sie – falls nötig – auch gewertet werden, wenn mit 13 mindestens die Hälfte der Spieltage absolviert sind. Das Team müsse daher jederzeit für einen eventuellen Saisonabbruch gewappnet sein, so Luthardt: „Man muss so spielen, dass man jedes Wochenende an erster Stelle steht.“Die Racing-Frauen wollen bereit sein.