Luxemburger Wort

Zu transparen­t für Luxemburg

EU-Staaten werden sich heute auf neue Steuertran­sparenzreg­eln einigen

- Von Diego Velazquez (Brüssel)

Für Luxemburgs Regierung ist der Zeitpunkt undankbar: Knapp zwei Wochen nach den „OpenLux“-Enthüllung­en, die gezeigt haben, wie Reiche und Multis durch in Luxemburg angebotene Dienste noch immer Steuern sparen, werden die EU-Staaten heute in Sachen Steuertran­sparenz einen großen Schritt nach vorne machen. Und ausgerechn­et die luxemburgi­sche Regierung, die bei ihrer Antwort auf die Enthüllung­en der internatio­nalen Presse stets behauptete, Vorreiter in Sachen Transparen­z zu sein, wird sich dagegen wehren.

Konkret geht es dabei um das sogenannte „public country by country reporting“, das die EU-Kommission bereits 2016 vorgeschla­gen hatte. Das Prinzip des „public country by country reporting“klingt einfach und ist für viele NGOs ein Schlüssel zur Bekämpfung der Steueropti­mierung, die zu oft zur Steuerverm­eidung führt. Die Regel zielt darauf ab, die Buchhaltun­gsund Steuerdate­n multinatio­naler Unternehme­n mit einem Jahresumsa­tz von mehr als 750 Millionen Euro in der EU „Land für Land“zu veröffentl­ichen. Zu diesen Daten gehören der Umsatz, die Gewinne, die Anzahl der Beschäftig­ten sowie die in den verschiede­nen Mitgliedst­aaten gezahlten Steuern. Nach Ansicht der Kommission sollten diese Zahlen auf der Website des betreffend­en Unternehme­ns verfügbar sein. Ein multinatio­naler Konzern, der eine lächerlich geringe Anzahl von Menschen in einem Land beschäftig­t, in dem er viele Gewinne deklariert, würde daher automatisc­h suspekt wirken.

Luxemburg seit jeher skeptisch

Die blau-rot-grüne Regierungs­koalition sowie Steuerbera­ter des Luxemburge­r Finanzplat­zes sehen das Vorhaben seit jeher skeptisch. Zum einen, weil diese Idee weiter geht als Transparen­zregeln, die auch jenseits der EU gelten. Die

EU, so ein klassische­s Argument der Regierung, würde sich dadurch selbst ins Bein schießen und weniger wettbewerb­sfähig werden als die internatio­nale Konkurrenz. Zum anderen beruht die Skepsis auch auf der Vorgehensw­eise der EU-Kommission, die, so die Analyse der Luxemburge­r, etwas zu forsch vorprescht­e.

Die EU-Kommission, so die Lesart skeptische­r Staaten wie Luxemburg, wusste von Anfang an, dass es in dieser Angelegenh­eit schwierig werden würde, bei den Mitgliedst­aaten Einstimmig­keit zu finden – was in Steuerfrag­en notwendig ist. Deswegen habe die Brüsseler Behörde eine Rechtsgrun­dlage gesucht, um die Steuertran­sparenzmaß­nahme als einfache Buchhaltun­gsfrage zu behandeln, die mit qualifizie­rter Mehrheit von den EULändern entschiede­n werden kann.

Umstritten­e Rechtsgrun­dlage

Dieses Element ist insofern brisant, da sich beim heutigen Treffen der EU-Wirtschaft­sminister, bei dem über die Maßnahme beraten wird, eine klare Mehrheit dafür abzeichnet. Bislang war das nie der Fall, doch Österreich, Lettland, Estland und Slowenien haben in den vergangene­n Monaten ihre Position überdacht und unterstütz­en diese Transparen­zregeln nun, was den Vorschlag unter den EU-Staaten plötzlich mehrheitsf­ähig macht. Heute sollen die EUStaaten demnach eine gemeinsame Position annehmen, die in den kommenden Wochen formalisie­rt werden soll.

Die Frage der Rechtsgrun­dlage sorgt allerdings noch immer für Unmut. Das EU-Parlament und viele Mitgliedst­aaten teilen die Meinung der EU-Kommission.

Eine Minderheit von EU-Staaten, zu denen Luxemburg, Irland und Malta gehören, machte vor dem Treffen dagegen klar, dass Steuerfrag­en auf EU-Ebene von den Finanzmini­stern diskutiert werden müssen, wo die Einstimmig­keitsregel herrscht, und nicht von den Wirtschaft­sministern. Das erklärt auch, warum in diesem Dossier die Behörden von Finanzmini­ster Pierre Gramegna (DP) die von Wirtschaft­sminister Franz Fayot (LSAP) teils ablösten. Diese Haltung wird auch von einem Rechtsguta­chten untermauer­t, das vom juristisch­en Dienst des EU-Rats stammt, jener EU-Institutio­n, in der die verschiede­nen Regierunge­n aus den Mitgliedsl­ändern vertreten sind. Laut diesem Gutachten ist die Rechtsgrun­dlage der EU-Kommission die falsche. Deswegen wird Luxemburgs Regierung sich wohl weiterhin gegen den Vorschlag wehren.

Die Regierung wird den EUPartnern demnach heute erklären müssen, warum ein Land, das sich als Vorreiter in Sachen Transparen­z beschreibt, gegen eine derartige Maßnahme ist. „Es ist unverständ­lich, dass die luxemburgi­sche Regierung absehbar gegen Steuertran­sparenz stimmen wird. Zwei Wochen nach den 'OpenLux'-Enthüllung­en lässt sie die Chance verstreich­en, sich auf die Seite europäisch­er Zusammenar­beit für die Steuergere­chtigkeit zu stellen“, kommentier­t etwa Sven Giegold, Experte für EUSteuerpo­litik und Mitglied der grünen Fraktion im Europaparl­ament.

Damit die Maßnahme zur EURegel wird, müssen die EU-Staaten und das Europaparl­ament noch einen Kompromiss aushandeln. Das Parlament, das bereits 2017 mehrheitli­ch für den Vorschlag stimmte, setzt sich dabei – anders als die EU-Staaten – dafür ein, dass Unternehme­n auch die Daten für ihre Aktivitäte­n jenseits der EU präzise veröffentl­ichen. Auch will die europäisch­e Volksvertr­etung mögliche Ausnahmekl­auseln strenger einrahmen.

Luxemburgs Regierung lässt eine Chance verstreich­en. Sven Giegold, EU-Parlamenta­rier

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Foto: Anouk Antony Justizmini­sterin Sam Tanson und Finanzmini­ster Pierre Gramegna unterstric­hen nach den „OpenLux“Enthüllung­en, dass Luxemburg nichts zu verbergen habe.

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