In der Klemme
Deutschlands Elitetruppe KSK bleibt ein Zentrum der Affären
Niemand weiß, wie oft Annegret Kramp-Karrenbauer den „eisernen Besen“schon bereut hat. Nicht etwa, weil das sprachliche Bild so alt ist und so verbraucht. Auch nicht, weil so ein metallenes Ding ein ziemlich unpraktisches Kehrgerät ist: So schwer, dass allein sein Gebrauch jede Menge Kraft kostet – ohne dass schon irgendein Effekt erzielt wäre. Nein: Das Problem des eisernen Besens ist, dass die deutsche Verteidigungsministerin ihn nun tatsächlich dort schwingen muss, wo sie das im Sommer 2020 laut ankündigte: beim Kommando Spezialkräfte (KSK), der Eliteeinheit der Bundeswehr.
Schon seit Jahren ist heraus, dass diese im Städtchen Calw am Schwarzwaldrand stationierte Truppe das mit der Auslese etwas anders versteht als es das nichtmilitärische Publikum erwartet. KSK-Aufgabe ist, Terroristen zu jagen und Kriegsverbrecher und über das, was seine Soldaten tun in der Welt, strengstes Stillschweigen zu bewahren.
Rechtsextreme Umtriebe
Nicht zu den Dienstpflichten gehört: Auf der Abschiedsparty eines Kompaniechefs mit Schweinsköpfen werfen, Rechtsrock hören und den Hitlergruß zeigen; ein rechtsextremes Preppernetzwerk namens „Hannibal“leiten und Munition für den „Tag X“horten; im eigenen Garten zwei Kilo Sprengstoff und 6 000 Schuss Munition verbuddeln, dazu Rauch- und Übungsgranaten, ein Sturmgewehr, eine Armbrust und ein paar Pistolen, außerdem ein SS-Liederbuch.
All das allerdings ist beim KSK seit 2017 vorgekommen. Als im Mai 2020 in Sachsen das Unterrasen-Depot des KSK-Ausbilders Philipp Sch. ausgehoben wurde: Da reichte es der noch amtsjungen Ministerin. Kramp-Karrenbauer
löste die 2. KSK-Kompanie auf, die sich als Zentrum der rechten Umtriebe erwies, kündigte umfassende Veränderungen in der Skandal-Einheit an – und dass sie in Calw „mit dem eisernen Besen durchgehen“werde. Als ihren Verbündeten dabei sah und benannte sie den KSK-Kommandanten: Brigadegeneral Markus Kreitmayr. Der schrieb umgehend seinen Soldaten per Runderlass: Rechtsextreme hätten im KSK nichts zu suchen – weshalb sie es aus „eigenem Antrieb“verlassen sollten. „Tun Sie es nicht, werden Sie feststellen, dass wir Sie finden und entfernen werden!“
Seit dieser Woche allerdings steht in Frage, ob nicht Kreitmayr selbst entfernt werden wird. Denn er soll – noch vor dem Fund im sächsischen Garten – seinen Soldaten ein Agreement angeboten haben in Sachen Munition: Sie sollten alles, was sich nicht dort befinde, wo es hingehöre, zurückgeben – anonym und folgenfrei.
Öffentlich wird die Offerte im Prozess gegen den Eigner des unterirdischen Waffenlagers. Im Leipziger Gerichtssaal erklärt die Staatsanwaltschaft, in Calw sei es „möglich gewesen, unauffällig Munition an die Bundeswehr zurückzugeben“. Ab da dauert es noch gut einen Monat, bis das Thema Berlin erreicht – weil die Tageszeitung „taz“davon schreibt. Und dann heißt es seit Wochenbeginn im Tagesturnus aus dem Verteidigungsministerium erst, man habe nichts gewusst. Dann, das Ministerium habe Kenntnis gehabt, nicht aber die Ministerin. Und schließlich, es habe schwere Versäumnisse in ihrem engsten Umfeld gegeben. Im Verteidigungsausschuss des Bundestags erklärt KrampKarrenbauer am Mittwoch, erst nach den Medienberichten sei sie selbst von Generalinspekteur Eberhard Zorn informiert worden.
Der aber – auch das ergibt sich im Ausschuss – wusste bereits seit Ende Juni von der Sammelaktion.
Im Ministerium wurde ein rechtliches Problem erkannt – aber offenbar sonst nicht reagiert. Munitionsdiebstahl ist eine Straftat; nun steht für Kreitmayr der Vorwurf der Strafvereitelung im Amt im Raum. Und für Kramp-Karrenbauer das erste dicke Problem, bei dem sie nicht auf Versäumnisse oder Fehler ihrer Vorgänger verweisen kann.
Bundeswehrverband macht Druck
Wie sehr die Ministerin in der Klemme steckt, zeigt die Reaktion des Bundeswehrverbands, der Interessenvertretung der Soldaten. Kaum ist von der möglichen Ablösung Kreitmayrs die Rede, geht Verbandsvorsitzender André Wüstner in Stellung. Der Oberstleutnant nennt nicht nur den KSKChef einen „äußerst integren, pflichtbewussten Offizier“. Er warnt Kramp-Karrenbauer zugleich vor den Methoden ihrer Vorgängerin. Ursula von der Leyen, inzwischen Chefin der EUKommission, seien „Bauernopfer als vermeintliches Zeichen von Führungsstärke wichtiger gewesen als Aufklärung und Einordnung der Sachlage“.
Gefährlicheres gibt es für Kramp-Karrenbauer kaum, als in einem Atemzug mit von der Leyen genannt zu werden. Die hatte der Bundeswehr in Sachen Rechtsextremismus pauschal „ein Haltungsproblem“unterstellt – und sich damit allen Rückhalt in der Truppe ruiniert.
Und da bekommt der eiserne Besen plötzlich noch mehr Gewicht: Fegt Kramp-Karrenbauer mit ihm nun Kreitmayr weg – so ist Wüstner zu verstehen – ist ihr Ansehen bei den Soldaten perdu. Kehrt sie aber die Affäre unter die Teppiche des Bendlerblocks – auch. Denn dann steht sie als Maulheldin da. Die Sammelaktion, übrigens, erbrachte Zehntausende Schuss und sogar Handgranaten. Mehr als in Calw je vermisst worden war.