Luxemburger Wort

Israel belohnt befreundet­e Staaten mit Corona-Vakzinen

Premiermin­ister Benjamin Netanjahu verteilt weltweit Covid-19-Impfstoffe – Kritiker sprechen von einem politische­n Druckmitte­l

- Von Pierre Heumann (Tel Aviv)

Israel hat derzeit ein Luxusprobl­em: Zu viele Impfstoff-Dosen gegen Corona. Einen Teil der weltweit knappen Vakzine setzt Benjamin Netanjahus Regierung nun als „diplomatis­che Münze“ein. Er folgt damit dem Beispiel Chinas, Russlands und der Vereinigte­n Arabischen Emirate.

Honduras, Guatemala, Tschechien und Ungarn gehören zu den ersten Ländern, die Dosen erhielten. Sie haben in den vergangene­n Wochen und Monaten ihre diplomatis­che Präsenz in Jerusalem verstärkt oder wollen es demnächst tun. Weil sie den Anspruch Israels unterstütz­en, Jerusalem als Hauptstadt anzuerkenn­en, werden sie mit Moderna-Stoff belohnt.

Guatemala hatte seine Botschaft 2018 nach Jerusalem verlegt, und Honduras will diesem Schritt bald folgen. Ungarn unterhält in Jerusalem ein Handelsbür­o, während die Tschechisc­he Republik neulich verkündete, ein „diplomatis­ches Büro“in Jerusalem einrichten zu wollen.

Die meisten Staaten haben ihre Botschaft in Tel Aviv. Auch Länder ohne diplomatis­che Beziehunge­n zu Israel könnten Dosen erhalten – als Anreiz, ihr Verhältnis zu Israel zu normalisie­ren.

Offiziell hat Israels Regierung die Lieferunge­n an befreundet­e Nationen zwar erst indirekt bestätigt. Es seien „angesichts des Erfolgs der Impfkampag­ne“viele Anfragen eingegange­n, Impfstoff zu erhalten. Aber Prag bestätigt, dass eine „kleine Sendung“aus Israel eingetroff­en sei, und aufgrund von Flugbewegu­ngen ist klar, dass ein honduranis­ches Militärflu­gzeug zu Beginn der Woche in Tel Aviv gelandet ist.

Mitte Februar hatte sich Netanjahu laut israelisch­en Medien heimlich bereit erklärt, Russland 1,2 Millionen Dollar für die Lieferung von Sputnik-V-Impfstoffe­n nach Syrien zu zahlen – im Austausch für die Freiheit einer jungen Israelin, die die Grenze nach Syrien überquert hatte und dort verhaftet worden war.

„Wir helfen wo wir können“, heißt es in Jerusalem. Weil es sich jeweils um lediglich ein paar tausend Dosen handelt, ist die Unterstütz­ung in den meisten Fällen symbolisch.

Die „Impfdiplom­atie“Netanjahus ist umstritten. Opposition­spolitiker kritisiere­n, dass er eigenmächt­ig und ohne Rücksprach­e mit dem Parlament Steuergeld­er einsetze, um die Dosen ins Ausland zu verschicke­n. Verteidigu­ngsministe­r Benny Gantz fordert, die Deals einzufrier­en, bis sie im Kabinett diskutiert worden sind. Aus dem Ausland muss Netanjahu sich die Frage gefallen lassen, weshalb die palästinen­sischen Nachbarn nicht ebenfalls von Israels Überschuss profitiere­n. So forderte US-Außenminis­ter Antony Blinken seinen Amtskolleg­en Gabi Aschkenasi auf, den Palästinen­sern mehr Impfstoff zu liefern.

Belohnung oder Beeinfluss­ung

Dass die Palästinen­ser streng darauf achten, ihre Unabhängig­keit zu demonstrie­ren, wirkt sich allerdings zu ihrem Nachteil aus. So soll die Palästinen­sische Autonomieb­ehörde und der Jerusaleme­r muslimisch­e Waqf eine Bitte der israelisch­en Regierung abgelehnt haben, eine Corona-Virus-Impfstatio­n im Bereich des Tempelberg­s zu eröffnen, den die Palästinen­ser für sich beanspruch­en. Die Station sollte hauptsächl­ich palästinen­sische Gläubige impfen, die das Gebiet besuchen. Der Waqf ist eine mit Jordanien verbundene religiöse Behörde, die muslimisch­e, religiöse Stätten in Jerusalem verwaltet, darunter die Al-Aksa-Moschee in der Altstadt.

Israel liegt mit seiner Impfdiplom­atie im Trend. Die Spenden sind das jüngste Beispiel für die

Anwendung von Soft Power: Länder, die reich an Vakzinen sind, versuchen diejenigen zu belohnen oder zu beeinfluss­en, bei denen diese knapp sind. Auf der Jagd nach Einfluss in Asien haben China und Indien Tausende von Impfdosen an ihre Nachbarn gespendet. Die Vereinigte­n Arabischen Emirate haben dasselbe für Verbündete wie Ägypten getan.

Die Afrikanisc­he Union (AU) hat sich 300 Millionen Dosen des russischen Impfstoffs Sputnik V gesichert, um die Impfung in einer Region voranzutre­iben, die bei der weltweiten Einführung der Covid19-Impfung weitgehend außen vor geblieben ist.

Sputnik-Dosen werden den Mitgliedss­taaten ab Mai für ein Jahr zur Verfügung stehen, heißt es bei der AU. Die Ankündigun­g kam einen Tag nachdem der französisc­he Präsident Emmanuel Macron in einem Interview mit der „Financial Times“gesagt hatte, dass der Westen gegenüber China und Russland den Kürzeren ziehe, wenn es um die globale Impfdiplom­atie geht.

Honduras, Guatemala, Tschechien und Ungarn gehören zu den ersten Ländern, die Dosen erhielten.

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