Shoppen mit Konzept
Die großen Ketten verlassen die Innenstadt, kleine Läden kommen – Concept Stores bieten, was Käufer seit Corona suchen
Hinter imposanten Fenstern liegt ein offener Raum mit unverputzten Wänden, Betonplatten als Bodenbelag, im Hintergrund läuft Pop. Von den hohen Decken hängen Metallkonstruktionen mit getrocknete Blumen. Es ist der Charme einer Fabrikhalle. Im offenen Raum bewegt sich Inhaberin Anne Alastalo zwischen Kleiderständern, Pflanzen, Regalen mit Kerzen und Kosmetik hindurch. In einer Ecke lädt ein alter Sessel zum Verweilen ein, auch er ist zu verkaufen. Alastalo kommt aus Finnland und hat ihren Concept Store „Hels1nk1“in Luxemburg-Stadt eröffnet – direkt vor der Corona-Krise.
Ein Trend geht um
In den großen Metropolen gibt es Concept Stores schon länger. Die Boutiquen sehen aus wie eine Mischung aus Wohnzimmer, Galerie und Kaufhaus. Sie wollen nicht nur Orte des Konsums, sondern auch der Inspiration sein. Die Idee ist, Ware wie Kunst zu kuratieren. Betreiber von Concept Stores wählen oft kleine, unbekanntere Marken aus, bestellen limitierte Editionen und bieten im Prinzip alles an, so dass man den gesamten ausgestellten Lifestyle direkt übernehmen könnte: Von Möbeln über Dekoration bis zu Kleidung und Bildbänden. Das Motto ist mal nordisch, mal urban hip, mal asiatisch. Concept Stores meiden häufig die A-Lagen. In Berlin oder Amsterdam findet man sie in Hinterhöfen, alten Werkstätten oder ehemaligen Druckereien. In Luxemburg mag manch einer jetzt zum ersten Mal auf die Concept Stores stoßen – und das inzwischen sehr wohl in bester Lage. Anne Alastalo träumt noch davon, einen Laden in einem ehemaligen Bankgebäude zu eröffnen. Vorerst bleibt sie in der Rue Aldringen, im Herzen der Innenstadt. Hier hat sie im Dezember 2019 eröffnet. Da war
Corona nicht mehr weit. Sie ist nicht die einzige mit diesem Timing. Maddalena Oliva eröffnete den Concept Store „Manalena“mitten in der Krise, im Mai 2020, in der Grand Rue. Der Concept Store „Kyo“der Koreanerin Minhye Jung folgte im Oktober in der Côté d'Eich in der Innenstadt.
Die neuen Geschäfte passen zum neuen Konsumverhalten. In der Krise hat sich die Nachfrage deutlich verändert. Experten von Ernst&Young (EY) haben seit April für ihren „Future Consumer Index“18 000 Menschen in 18 Ländern befragt, was Corona für sie verändert hat, um neue Verbraucherprofile zu identifizieren. Das Ergebnis: Die Konsumenten kaufen bewusster ein. Sie bevorzugen Produkte, die regional, sozial und umweltverträglich sind. „Und sie kaufen das Erlebnis“, sagt Kevin d'Antonio von EY Luxembourg. Übersetzt für den Einzelhandel heißt das: am besten sollten jene Geschäfte laufen, die nachhaltige Produkte in einem besonderen Ambiente anbieten und den Kundenservice in den Mittelpunkt stellen. Concept Stores liefern genau das. Sie vertreten eine moderne Auffassung von erlebnisreichem Einkaufen und Kundenbindung.
Anne Alastalos Leitmotiv ist dabei Nachhaltigkeit. Bei ihr soll man mit gutem Gewissen shoppen können. Außerdem gestaltet sie ihren Laden regelmäßig um, so gibt es immer etwas zu entdecken. Das passt zum neuen Verbraucherprofil. „Ja, ich glaube, die Leute suchen gerade eher nach kleinen Marken. Sie wollen etwas Neues, haben keine Lust mehr auf Innenstädte, die überall gleich aussehen“, sagt Alastalo. Diese Veränderung sei schon vor der Pandemie da gewesen, aber Corona hätte sie verstärkt. „Den Leuten ist inzwischen klar, welche Auswirkungen ihr Konsum hat. Sie suchen nach Alternativen“. Genau das stellen Concept Stores dar: eine Alternative zu den großen und immer gleichen Ketten. Wie läuft das Geschäft also?
„Es ist schwierig“, sagt Alastalo. „Die Mieten sind zum Teil höher als in anderen Großstädten, aber der Preis entspricht nicht dem Käuferpotenzial, das es hier gibt.“Mit dem Homeoffice kommen viele potenzielle Käufer gar nicht mehr in die Stadt. Da Alastalo direkt vor der Krise eröffnet hat, hat sie keine Vergleichszahlen. Aber sie hatte mit einem dreimal höheren Umsatz gerechnet.
Maddalena Oliva hat ihren Store in der Grand Rue zwar erst im Mai eröffnet, doch ein zweiter im Bahnhofsviertel besteht bereits seit 2018. „Es ist sehr, sehr schwierig“, bestätigt sie. „Mit der Krise hat sich einfach alles geändert“. In ihren Läden verkauft Oliva etwa Rucksäcke aus veganem Leder, schwedische Textilien aus Bio-Baumwolle, die in Luxemburg designed wurden und eine eigene vegane Kosmetiklinie. Wer hier vor der Pandemie einkaufen ging, konnte dazu an der Bar im Shop ein Glas Wein bestellen. Jetzt ist die Bar geschlossen, die Zahl der Kunden limitiert, der Umsatz um mehr als 60 Prozent eingebrochen. „Ich werde sehr ehrlich antworten“, sagt Oliva: „Man muss schon extrem an seinem Laden hängen, um jetzt noch offen zu bleiben.“Das Geschäft lohne sich einfach nicht. Die Passanten fehlten, die Menschen kauften insgesamt weniger. Bei der Sommerware hat Oliva einen radikalen Schnitt gemacht und nur die Hälfte bestellt, um nicht auf den Massen sitzen zu bleiben. Auch was sie einkauft, ist von der Krise bestimmt. „Ich habe viel mehr Homewear bestellt: Jogginghosen, Kleidung, die man gerne zum Spazierengehen
trägt.“Die Hilfe fehle, sagt Oliva. „Es ist einfach nicht an uns gedacht worden.“Der einzige Ansatzpunkt seien die Vermieter. „Aber warum sollten sie das auf sich nehmen und die Miete senken?“Ans Aufgeben denkt sie dennoch nicht. „Es hängt ja nur an Covid“, sagt sie. „Concept Stores liefen vor der Krise gut in Luxemburg!“. Im Bahnhofsviertel stehen immer mehr Geschäfte leer, ihr Store aber soll bleiben. „Die Leute mögen unser Konzept sehr. Die Luxemburger reisen ja viel, kennen solche Geschäfte aus dem Ausland und kommen immer wieder.“
Zwischen 14 und 16 Uhr herrscht in so manchem Laden tote Hose. Nicht so bei Minhye Jung in ihrem kleinen Laden „Kyo“. „Ich war mir nicht sicher, ob es die richtige Zeit ist, einen Laden zu eröffnen. Auf der anderen Seite habe ich mir gedacht: Wir brauchen genau jetzt Schönheit“. Aufgewachsen in Seoul war die Koreanerin zunächst in Frankreich und kam 2017 nach Luxemburg. Jetzt verkauft sie hier unter anderem Kimonos, die in Japan gefertigt werden. Im vergangenen Herbst eröffnete sie im Herzen der Innenstadt, und die Kunden lassen nicht auf sich warten. Sie unterbricht und verkauft einer jungen Frau einen Tee, schreibt ihr noch kurz ein Rezept dazu auf. Das Konzept Nähe funktioniert hier offenbar gut, gerade in Zeiten von Social Distancing.
Die Menschen suchen nach Alternativen. Anne Alastalo
Aus Luxemburger Sicht war das gestrige Treffen der EU-Wirtschaftsminister ein Minenfeld: Einerseits will das Land seinen Ruf als Steueroase in Brüssel nicht zusätzlich verfestigen. Andererseits aber hat die luxemburgische Regierung ein ernsthaftes Problem mit dem Vorschlag, der auf dem Tisch lag.
Beim Treffen der EU-Wirtschaftsminister ging es nämlich darum, auszuloten, ob es für das sogenannte „public country by country reporting“eine Mehrheit unter den EU-Staaten gibt. Laut dieser Idee, die bereits 2016 von der EU-Kommission vorgeschlagen wurde, wären Unternehmen mit einem Jahresumsatz von über 750 Millionen Euro gezwungen, ihre Einnahmen, Gewinne, Mitarbeiterzahlen und abgeführten Steuern aufgeschlüsselt nach Ländern zu veröffentlichen. Damit soll für jeden klar erkennbar sein, welche Unternehmen aggressive Steuervermeidungsstrategien anwenden, indem sie Geschäfte in einem Land machen, Gewinne aber in Staaten mit niedrigen Steuersätzen wie Luxemburg verlagern. Auf Ebene der Steuerbehörden werden die Informationen zwar bereits ausgetauscht, aber indem die Daten nun auch Journalisten, NGOs und potenziellen Kunden zugänglich gemacht werden, sollte der Druck auf potenzielle Steuervermeider größer werden.
Streit über Rechtsgrundlage
„Wir brauchen faire und effiziente Steuersysteme sowie informierte öffentliche Debatten“, sagte die EU-Kommissarin für Finanzdienstleistungen Mairead McGuinness gestern. „Die Maßnahme wird den Druck erhöhen, um ein international kohärentes Steuersystem auf die Beine zu stellen“, meint auch Sven Giegold, EU-Parlamentarier in der grünen Fraktion. Durch den öffentlichen Pranger soll erreicht werden, dass Firmen ihre Steuern dort abführen, wo sie ihre Gewinne machen. Auch aus Angst, von verärgerten Konsumenten abgestraft zu werden. Luxemburg teile dieses Ziel, meinte Wirtschaftsminister Franz Fayot (LSAP), der in seiner Wortmeldung gestern klarstellen wollte, dass seine Regierung auch „für Steuertransparenz und gegen Steuervermeidung“sei. Allerdings, so Franz Fayot weiter, habe Luxemburgs Regierung noch immer starke Vorbehalte gegenüber der von der EU-Kommission angewandten Methode, um dieses Ziel zu erreichen.
Die EU-Kommission, so die Lesart in Luxemburg, wusste von Anfang an, dass es in dieser Angelegenheit schwierig werden würde, bei den Mitgliedstaaten Einstimmigkeit zu finden – was in Steuerfragen notwendig ist. Deswegen habe die Brüsseler Behörde eine Rechtsgrundlage gesucht, um die Steuertransparenzmaßnahme als einfache Buchhaltungsfrage zu behandeln, die mit qualifizierter Mehrheit von den EU-Ländern entschieden werden kann.
Dagegen wehrten sich Luxemburg, Zypern, Irland, Malta, Ungarn und Schweden gestern erneut. Diese Haltung wird auch von einem Rechtsgutachten untermauert, das vom juristischen Dienst des EU-Rats stammt – einer EU-Institution, in der die verschiedenen Regierungen aus den Mitgliedsländern vertreten sind. Laut diesem Gutachten ist die Rechtsgrundlage der EU-Kommission die falsche. Franz Fayot bedauerte, dass eine große Anzahl von Mitgliedstaaten dies einfach ignorieren würde.
Doch „aufgrund seines Engagements für Steuertransparenz wird Luxemburg den Zielen des Vorschlags jedoch nicht im Wege stehen“, so Fayot gestern. Damit gab die Regierung ihren während fünf
Jahren gepflegten Widerstand gegen das Vorhaben auf. Vieles ändern wird die Luxemburger Kehrtwende aber ohnehin nicht.
Der Streit rund um die Rechtsgrundlage wirkt nämlich verloren: Eine große Mehrheit unter den EU-Staaten unterstützt den Vorschlag sowie die Rechtsgrundlage der EU-Kommission. Das stellte die gestrige Debatte unmissverständlich klar. Und auch die Kritiker des Vorschlags wirken etwas resigniert, betonten aber, dass es sich dabei nicht „um einen Präzedenzfall handeln dürfe“, wie der Vertreter aus Estland sagte.
„Heute erlebten wir einen Durchbruch für die Steuergerechtigkeit“, meinte Sven Giegold anschließend. Nun müssen die EUStaaten den Vorschlag noch formell annehmen und dann können die Verhandlungen mit dem EUParlament beginnen.