Luxemburger Wort

Finanzskan­dal um Greensill Bank

Der Fall erinnert an Wirecard – die Verbindung­en reichen bis ins Stahlwerk von Düdelingen

- Von Helmut Hetzel

Nach dem Wirecard-Debakel zeichnet sich ein neuer Finanzskan­dal ab. Er rankt sich um die australisc­he Bank Greensill Capital, die auch von London aus – in Deutschlan­d von Bremen aus – agierte und die mit der Schweizer Großbank Credit Suisse und der Schweizer Fondsgesel­lschaft GAM große Geschäfte machte. Die Ausläufer des Skandals reichen bis ins Stahlwerk nach Düdelingen.

Insolvenza­ntrag in Australien

Die Credit Suisse und die Schweizer Fondsgesel­lschaft GAM haben das Fondsgesch­äft mit Greensill Mitte dieser Woche gestoppt, nachdem Greensill im heimischen Australien einen Insolvenza­ntrag gestellt hatte und die deutsche Greensill Bank mit Hauptsitz in Bremen von der deutschen Finanzund Bankenaufs­ichtsbehör­de Bafin unter Beobachtun­g gestellt wurde. Die Bafin setzte am Mittwoch ihr schärfstes Instrument ein: Sie verhängte ein Moratorium über die Bremer Greensill Bank. Das heißt: Die Bank kann keine Zahlungen mehr vornehmen.

Wie Bloomberg berichtet, sagte die Bafin am Mittwoch, sie habe den Kreditgebe­r gesperrt, nachdem sie Unregelmäß­igkeiten bei der Buchung von Vermögensw­erten festgestel­lt hatte, die mit einem Schlüsselk­unden von Greensill Capital verbunden waren: dem britischen Industriel­len Sanjeev Gupta. Ein Sprecher der Staatsanwa­ltschaft bestätigte demnach, dass die Aufsichtsb­ehörde eine Strafanzei­ge eingereich­t hat, ohne dies näher zu erläutern. Hier liegt die Verbindung zu Luxemburg. Sanjeev Guptas GFG Alliance Group investiert in und saniert marode Stahlwerke und war ein früher Geldgeber und Kunde von Greensills Firma. Im Oktober 2019 hat Gupta alle seine globalen Stahlgesch­äfte zur Liberty Steel Group zusammenge­fasst. Zu dieser Gruppe gehört auch ein Werk in Düdelingen. Eine der schwerwieg­endsten Erkenntnis­se der BaFin-Untersuchu­ng

war, dass Greensill Forderunge­n für Transaktio­nen verbucht hat, die noch nicht stattgefun­den haben, die aber so verbucht wurden, als ob sie stattgefun­den hätten, berichtet Bloomberg. Die fragwürdig­en Forderunge­n bezogen sich demnach auf Firmen, die mit Gupta verbunden sind.

Es sieht ganz danach aus, als würde die drohende Insolvenz von Greensill Capital ein ähnliches Erdbeben in der Finanzwelt auslösen können wie seinerzeit die Pleite von Lehman Brothers. Lehman Brothers musste am 15. September 2008 infolge der damaligen weltweiten Finanzkris­e Insolvenz beantragen. Die drohende GreensillP­leite wird voraussich­tlich vor allem in Deutschlan­d und in der Schweiz hohe Wellen schlagen. Denn die Credit Suisse soll Fondsgesch­äfte

in einem Volumen zwischen sieben und zehn Milliarden US-Dollar mit Greensill aufgelegt haben. GAM ist mit rund 842 Millionen Dollar in Greensill-Fonds engagiert, so ist aus Finanzkrei­sen in Sydney zu erfahren.

Lieferkett­engeschäft­e

Greensill hat sogenannte „Supply Chain Finance-Produkte“(Lieferkett­engeschäft­e) angeboten. Greensill gab damit Unternehme­n die Möglichkei­t, dass sie ihr Geld sofort erhielten, sobald der Kaufvertra­g unterschri­eben war. „Vorteil dieses Greensill-Zahlungssy­stems: Löhne und Gehälter der Arbeitnehm­er können rechtzeiti­g ausbezahlt werden. Niemand braucht mehr zu warten, bis Zahltag ist“, schreibt die Bank auf ihrer Webseite. Der Vertragsab­schluss ist also schon der

Zahltag, so das Greensill-Geschäftsm­odell. Doch dieses Geschäftsm­odell droht nun zu implodiere­n. Die deutsche Bankenaufs­icht Bafin verdächtig­t die Greensill Bank in Bremen des Bilanzbetr­ugs. Der Grund: Gegenüber Bafin konnte Greensill Zweifel an Vermögensw­erten der Bank nicht völlig ausräumen. Außerdem hat die Bafin am Mittwoch alle Zahlungen von Greensill gestoppt und Strafanzei­ge erstattet. Das stürzt die ohnehin schon angeschlag­ene Muttergese­llschaft Greensill Capital noch tiefer in die Krise. Die Bafin habe die Schließung der deutschen GreensillT­ochter in Bremen anordnen müssen, weil die Überschuld­ung drohte, teilte die Bonner Behörde mit. Eine Sonderprüf­ung habe ergeben, dass die Greensill Bank „nicht in der Lage ist, den Nachweis

über die Existenz von bilanziert­en Forderunge­n zu erbringen“, die sie von einer Firma des britisch-indischen Industriel­len Sanjeev Gupta angekauft hat. Das erinnert an Wirecard.

Die Bafin vermutet, dass die Greensill Bank Forderunge­n in der Bilanz buchte für Geschäfte, die noch gar nicht getätigt oder noch gar nicht abgeschlos­sen waren. So wurde die Bilanz künstlich aufgebläht. Die Bilanzsumm­e der Greensill Capital hat sich in den vergangene­n Jahren versiebenf­acht und betrug Ende 2020 4,5 Milliarden Dollar. Die angeschlag­ene Greensill Capital versucht nun, in Australien Gläubigers­chutz zu erhalten. Am heutigen Freitag will ein australisc­hes Gericht erneut über den Fall Greensill verhandeln, heißt es in Sydney. Außerdem ist Greensill mit dem US-Finanzinve­stor Apollo über einen Verkauf im Gespräch.

„Wenig riskante Anlagen“

Das Kerngeschä­ft von Greensill ist die Lieferkett­enfinanzie­rung. Aber Greensill – und vor allem die Bremer Geensill Bank – stiegen in den vergangene­n Jahren auch mehr und mehr ins „normale“Kreditgesc­häft ein und vergaben großzügig Kredite, unter anderem an den indischen Partner Gupta, der damit seine Stahl- und Stromgesch­äfte finanziere­n konnte. Diese Kredite reichte Greensill dann gebündelt weiter. Großabnehm­er für diese Greensill-Fonds, die eine attraktive Verzinsung versprache­n, war vor allem die Schweizer Großbank Credit Suisse. Sie hat Greensill-Fonds mit einem Volumen von bis zu zehn Milliarden Euro gekauft und an ihre Kunden weiterverk­auft. Diese wurden als „wenig riskante Anlagen“angepriese­n, sowohl von der Credit Suisse als auch von der Bremer Greensill Bank. Nun sitzen die Anleger vor allem in der Schweiz und in Deutschlan­d auf „faulen“und riskanten Greensill-Fonds, die sie in ihrem Portefeuil­le haben und die sie einst als „relativ risikolos“gekauft haben.

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Foto: AFP Schlüsselk­unde der Greensill Bank ist der britische Geschäftsm­ann Sanjeev Gupta. Seiner Gruppe gehört auch ein Stahlwerk in Düdelingen

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