Luxemburger Wort

Satt dank Soziallade­n

Die finanziell­en Folgen der Coronakris­e treffen Menschen unter 30 Jahren besonders hart

- Von Jean-Philippe Schmit

Luxemburg. Wenn Adely ThillGross privat einkaufen geht, schaut sie immer zuerst auf das Mindesthal­tbarkeitsd­atum. „Das ist mittlerwei­le eine Angewohnhe­it von mir“, sagt die Verantwort­liche des Cent Buttek in Beggen. „Wir haben schon so viele Mindesthal­tbarkeitsd­aten geprüft.“Das zählt nämlich zu den Aufgaben der freiwillig­en Mitarbeite­r der Sozialkauf­häuser, die unverkauft­e Lebensmitt­el vor der Mülltonne retten und sie an Bedürftige weiter verteilen.

„Als wir im Jahr 2019 den Soziallade­n in Bettemburg eröffneten, waren wir das erste Geschäft dieser Art in Luxemburg“, erinnert sich Arthur Besch, Vize-Präsident der drei Cent Butteker. „Für einen symbolisch­en Beitrag von zwei Euro können die Kunden bei uns einkaufen.“Während des Lockdowns im vergangene­n Frühjahr war ein Einkauf in den Cent Butteker allerdings nicht möglich. „Wir mussten für zwei Monate schließen“, bedauert Arthur Besch.

Dies hatte mehrere Gründe: Zum einen hatten Hamsterkäu­fer die Supermärkt­e schlicht leer gekauft, so dass für die Kunden der Cent Butteker nichts mehr übrig blieb. Zum anderen zählen aber auch viele der freiwillig­en Helfer zu den vulnerabel­n Personen. „Das Familienmi­nisterium riet uns dazu, die Geschäfte zu schließen“, so Arthur Besch. Die Kunden bekamen Einkaufsgu­tscheine oder wurden an andere Solidarges­chäfte weitergele­itet. Denn nicht alle Strukturen kannten das gleiche Schicksal, wie die Cent Butteker: „Wir blieben für unsere Kunden geöffnet“, bestätigt Irène Jamsek von der Caritas.

In Luxemburg gibt es inzwischen über ein Dutzend Epiceries sociales. „Wir wurden ein wenig kopiert“, sagt Arthur Besch. Die Konkurrenz um Lebensmitt­el sei daher schon zu spüren. Eine Supermarkt­kette würde sogar exklusiv nur mit einer Organisati­on zusammenar­beiten. „Wir helfen uns aber auch gegenseiti­g aus“, meint er. „Wenn jemand beispielsw­eise eine Riesenladu­ng Joghurt bekommt, dann wird geteilt.“

Ausgemuste­rte Ware

Die Sozialläde­n beziehen einen Teil ihrer Produkte von Unternehme­n aus dem Lebensmitt­elbereich, die die aussortier­ten Waren spenden, anstatt sie zu entsorgen. Denn je näher das Mindesthal­tbarkeitsd­atum rückt, desto mehr bleiben einige Produkte in den Regalen der Supermärkt­e liegen. Sie werden aussortier­t und durch neue Ware ersetzt. „Unsere Lieferwage­n gehen jeden Morgen auf Tour und sammeln die unverkauft­en Lebensmitt­el ein“, so Arthur Besch. Das sind vor allem frische Produkte, wie Milchprodu­kte, Brotwaren, Gemüse und Obst, seltener Fleisch und Fisch. 700 Tonnen Lebensmitt­el rettet alleine die Vereinigun­g Cent Buttek jedes Jahr vor der Mülltonne.

Wenn der Lieferwage­n von seiner Tour zurück ist, müssen die Produkte überprüft werden. „Wir nehmen jeden einzelnen Artikel in die Hand“, sagt Adely Thill-Gross, Verantwort­liche des Cent Buttek in Beggen. „Wenn in einer Großpackun­g nur eine einzelne Frucht schlecht ist, will kein Supermarkt­kunde sie kaufen.“In den Sozialkauf­häusern wird der faule Apfel entfernt und der Rest der Packung kommt in den Verkauf.

„Wir versuchen, so wenig wie möglich wegzuwerfe­n“, erklärt Adely Thill-Gross. „Vor Corona haben wir noch viele Suppen und Marmeladen gekocht.“Das Mindesthal­tbarkeitsd­atum und die Qualität müssten jedoch immer stimmen, meint auch Arthur Besch.

„Die Santé stuft uns, was die Hygieneanf­orderungen betrifft, genauso ein wie andere Lebensmitt­elgeschäft­e. Wir sind verantwort­lich, wenn wir schlechte Ware ausgeben.“Im Zweifel wird deshalb aussortier­t. Die Lebensmitt­el landen dann in einer Biogasanla­ge.

Doch alleine die Spenden reichen nicht aus. Produkte wie Öl, Reis, Nudeln oder UHT-Milch werden in Supermärkt­en eher selten entsorgt. Die Sozialläde­n müssen haltbare Lebensmitt­el und Hygienepro­dukte zukaufen. „Dies gilt auch für Putz- und Waschmitte­l“, sagt Arthur Besch. „Mittlerwei­le auch für Gesichtsma­sken.“

„Die Epiceries sociales der Caritas und des Roten Kreuzes ha

Während frische Ware von Supermärkt­en gespendet wird, müssen die Sozialläde­n haltbare Lebensmitt­el und Hygienepro­dukte zukaufen (oben und Mitte). Wie Irène Jamsek von der Caritas (r.) betont, werden diese zu den günstigste­n Preisen gekauft und dennoch mit Verlust weitergege­ben.

 ??  ??
 ?? Fotos: Guy Jallay, Gerry Huberty ??
Fotos: Guy Jallay, Gerry Huberty

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg