Luxemburger Wort

„Saludos Amigos“

Die Pandemie bringt die Spezlwirts­chaft zurück in die deutsche Politik

- Von Cornelie Barthelme (Berlin)

Es kommt in diesen Spätwinter­tagen in Berlin-Regierungs­viertel mit einem Mal einiges zusammen. Erst wird dem CSU-Abgeordnet­en Georg Nüßlein die Immunität entzogen; der stellvertr­etende Vorsitzend­e der Unionsfrak­tion steht im Verdacht, für die Vermittlun­g eines Masken-Deals an die Bundesregi­erung unter der Hand 660 000 Euro kassiert zu haben; strafrecht­lich läuft das unter Bestechlic­hkeit und Steuerhint­erziehung.

Zeitgleich ergibt sich, dass die Töchter der einstigen CSU-Heroen Franz Josef Strauß und Gerold Tandler in Geschäfte mit Masken involviert sein sollen: Monika Hohlmeier, für die CSU im Europaparl­ament, will lediglich einen Kontakt vermittelt haben – für Andrea Tandler zu Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU). Die Tochter des der Spezlwirts­chaft – der Geschäftch­en unter Freunden also – nicht abgeneigte­n Ex-Ministers und Strauß-Kumpels wiederum soll dann nicht nur einen 15-Millionen-Euro-Abschluss der Schweizer Firma Emix Trading mit dem bayerische­n Gesundheit­sministeri­um eingestiel­t haben und Nordrhein-Westfalen (NRW) 527 200 Masken zum Stückpreis von 9,90 Euro verkauft – schwer überteuert, wie der „Spiegel“herausgefu­nden haben will. Auch Spahns Ministeriu­m soll bestellt haben: Masken und andere Ausrüstung für rund 350 Millionen Euro, es gebe „sogar Hinweise auf 700 bis 800 Millionen“.

„Das waren ja Wildwest-Zeiten“Exakt eine Woche nach den „Spiegel“-Enthüllung­en und dem zeitgleich­en Aufploppen der NüßleinAff­äre sitzt Spahn am Freitagmor­gen in der Bundespres­sekonferen­z, es geht vor allem um die Test-Offensive, die Kanzlerin und Länder-Regierende und auch er Mittwochna­cht ausgerufen haben. Damit soll Deutschlan­d trotz leicht steigender Sieben-Tage-Inzidenz langsam aus dem Lockdown herausfind­en. Pro Woche einen Schnelltes­t will der Bund bezahlen; außerdem sollen schleunigs­t weitere sogenannte Selbsttest­s genehmigt werden – wie sie Österreich schon seit Wochen für Schüler und Lehrer nutzt. Als er davon spricht, sieht Spahn seine Chance. „Ich biete mich“, sagt er, „auch als Kontaktbör­se an.“Kurze Pause. „Und ich möchte dann aber nicht in sechs Monaten lesen: Warum hat der Minister selbst telefonier­t?“Leichtes Grinsen.

Mit Andrea Tandler hat Spahn dem „Spiegel“zunächst nur E-Mails bestätigt, später dann auch „telefonisc­hen Kontakt“. Zum Fall Nüßlein indes zunächst nur vage gesagt, es hätten zu Beginn der Pandemie viele „Abgeordnet­e uns Hinweise gegeben, Angebote weitergere­icht“. Später an diesem Morgen wird er daran anknüpfen und sagen: „Das waren ja Wildwest-Zeiten.“

Auch das soll flapsig klingen und obenhin. Aber die Frage ist natürlich, für welche Rolle Spahn sich entschiede­n hat: Cowboy? Sheriff? Bösewicht?

Selbst in der Union ist man nicht wirklich sicher. Was da gerade öffentlich wird, können sie knapp sieben Monate vor der Bundestags­wahl überhaupt gar nicht brauchen. Die CSU scheint um knapp 30 Jahre zurückgebe­amt: Eine Zeit, die als „Amigo-Affäre“die Parteihist­orie nicht ziert. Für den Namen hat der damalige Bayern-Ministerpr­äsident Max Streibl gesorgt, der gerne mitnahm, was Unternehme­n und Unternehme­r ihm boten: Reisen, Testmotorr­äder, Testaments­vollstreck­ungen. Beim Politische­n Aschermitt­woch 1993 begrüßte er das Publikum mit „Saludos Amigos!“– und fragte: „Freunde zu haben – ist das eine

Schande bei uns in der CSU?“Christdemo­krat Spahn war 13 damals und trat erst zwei Jahre später in die Junge Union ein. Im Münsterlan­d, seiner Heimat, hat man natürlich auch Freunde. Zu denen Spahns, vermeldet am Donnerstag „Die Zeit“, gehöre die Grevener Unternehme­rfamilie Fiege, Logistiker von Profession. Mindestens zu den Parteifreu­nden. Senior Hugo Fiege amtiere im Präsidium des CDU-Wirtschaft­srats, Sohn Felix sei in dessen NRWAusgabe engagiert. Laut „Zeit“hat Spahns Ministeriu­m der Firma Fiege Anfang April 2020 Milliarden­aufträge über Beschaffun­g, Lagerung und Verteilung von Masken erteilt – ohne andere Unternehme­n wie „den Weltmarktf­ührer DHL oder den Staatskonz­ern DB Schenker“zu beteiligen. Rasch aber habe Fiege sich überforder­t gezeigt – und DHL sei doch hinzugezog­en worden. Die „Zeit“merkt noch an, seit Sommer 2020 verweigere das Ministeriu­m „die Einsicht in die entscheide­nden Dokumente“.

Teilnahme an Spendendin­ner

Da passt es, dass in der CDU nun manche sagen, Spahn verweigere die Einsicht, dass bei ihm gerade ein bisschen arg viel zusammenko­mme. Den Impfstart verstolper­t, den Teststart schlecht organisier­t – und dazu jede Menge weitere Pannen, die Gutwillige noch als Ungeschick­lichkeiten einstufen, Kritischer­e schon als Affären. Die neueste ist seine Teilnahme an einem Spendendin­ner: Früh mahnte Spahn im Fernsehen, Geselligke­it zu meiden – abends speiste er selbst mit Unternehme­rn, die gern Geld für seinen Wahlkampf geben sollten.

Da ist schon herausgeko­mmen, dass der frühere bayerische CSUJustizm­inister Alfred Sauter den Vertrag für das Nüßlein-Geschäft mit Bayerns Gesundheit­sministeri­um aufgesetzt hat; „eher zufällig“, wie Sauter sagt. Am Freitagnac­hmittag lässt Nüßlein mitteilen, er werde sich mit dem Ende des Legislatur aus der Politik verabschie­den. Sein Parteifreu­nd Streibl hätte gesagt: Adios Amigo.

Die CSU scheint um knapp 30 Jahre zurückgebe­amt: Eine Zeit, die als „Amigo-Affäre“die Parteihist­orie nicht ziert.

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Foto: dpa Den Impfstart verstolper­t, den Teststart schlecht organisier­t: Der deutsche Gesundheit­sminister Jens Spahn ist ins Trudeln geraten.

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