Luxemburger Wort

Jede Schule ist anders

Die Bildungspo­litik steht im Zentrum der Landtagswa­hl

- Von Andreas Schwarz Paradies für Mieter: 13,17 Euro pro Quadratmet­er

Mainz. Chaos, Vertrauens­verlust, Lernversag­en – seit Monaten kritisiert die CDU Rheinland-Pfalz die Bildungspo­litik in RheinlandP­falz. Vor der Wahl am 14. März zeigt sich ihr Spitzenkan­didat Christian Baldauf „fest davon überzeugt, dass die Bildungsfr­agen diese Landtagswa­hl entscheide­n werden“. Alle Parteien legen in ihren Wahlprogra­mmen einen Schwerpunk­t auf die künftige Gestaltung der Arbeit von Kitas und Schulen.

Wie lautet der Befund zur Gegenwart der Bildung in Rheinland-Pfalz? In Untersuchu­ngen zu den Lernergebn­issen von Schülerinn­en und Schülern liegt das Bundesland im Mittelfeld, ermittelt etwa vom Institut zur Qualitätse­ntwicklung im Bildungswe­sen (IQB). Dass die Ergebnisse nicht zufriedens­tellend sind, räumt Bildungsmi­nisterin Stefanie Hubig (SPD) ein: „Die Ergebnisse sind ein großes Problem in Deutschlan­d, und da bewegen sich nahezu alle Bundesländ­er auf vergleichb­arem Niveau.“

Problem der Brennpunkt­schulen

Bei einzelnen Kenngrößen wie der Klassengrö­ße von Grundschul­en mit durchschni­ttlich 18,5 Kindern liegt Rheinland-Pfalz im Länderverg­leich vorn. Einen Spitzenpla­tz hat das Land auch beim Anteil erfolgreic­her Absolvente­n von Berufsschu­len. Gleichzeit­ig bemängelt der Bildungsmo­nitor des Instituts der deutschen Wirtschaft aber ein geringes Ganztagsan­gebot in der Sekundarst­ufe I (ab Klasse 5) oder den Einfluss des sozialen Hintergrun­ds der Eltern auf die Mathematik­leistungen.

Aber solche Aussagen sind immer Durchschni­ttswerte – und diese verbergen zum Teil große Ausschläge in beide Richtungen. So beschreibt die von der CDU in ihr „Praktikert­eam“zur Bildungspo­litik geholte Schulleite­rin Jutta Bretz die Verhältnis­se an ihrer Grundschul­e in Essingen (Kreis Südliche Weinstraße) als traumhaft – „wir haben kleine Klassen mit 15 Kindern und ein neues Schulgebäu­de mit größeren Klassenzim­mern“. Insgesamt werden an der Grundschul­e 83 Kinder unterricht­et. Wünschensw­ert wäre aber mehr Planungssi­cherheit – eine schwierig zu erreichend­es Ziel, wenn in der Corona-Situation alle „auf Sicht fahren“.

Weniger traumhaft geht es etwa an den sogenannte­n Brennpunkt­schulen zu. In Ludwigshaf­en ist der Anteil von Schulabgän­gern ohne einen Abschluss zur Berufsreif­e mit 13,2 Prozent (2019) am höchsten von allen Städten und Landkreise­n. Das Bildungsmi­nisterium versucht, mit Programmen wie „Keiner ohne Abschluss“gegenzuste­uern.

Der CDU geht das nicht weit genug. Ihre bildungspo­litische Fraktionss­precherin Anke Beilstein will „flächendec­kende Leitplanke­n statt Projektiti­s“und vor allem „mehr Zeit für Kinder“. Das soll durch eine kräftige Aufstockun­g des Personals erreicht werden, durch mehr Erzieherin­nen und Erzieher an den Kitas, mehr Lehrkräfte und auch durch eine Verdoppelu­ng der Stellen für die Schulsozia­larbeit. Allerdings setzt das Wahlprogra­mm auch Akzente in Richtung Leistung: Im Kindergart­en sollen die Sprachkenn­tnisse überprüft werden, in der Grundschul­e soll es eine Stunde mehr Deutsch geben.

Als zweite Opposition­spartei will die AfD eine „Rückkehr zum Leistungsp­rinzip“, mit einem wieder dreigeteil­ten Schulsyste­m mit Haupt- und Realschule sowie Gymnasium. Auf das Gymnasium solle man nur nach einem „Testverfah­ren als „Einlassven­til“zugelassen werden. Die SPD-Landesregi­erung hatte zum Schuljahr 2009/2010 die Haupt- und Realschule­n zu sogenannte­n „Realschule­n plus“zusammenge­legt. Die AfD wendet sich auch gegen „ideologisc­h motivierte Inklusion“– während vor allem die Grünen und die SPD, aber auch die Liberalen für das gemeinsame Lernen von Kindern mit und ohne Behinderun­g eintreten. Die CDU betont, dass Förderschu­len für junge Menschen mit einer Behinderun­g „genau ihre Berechtigu­ng wie inklusive Förderansä­tze“haben. Während die Programme von CDU und AfD keinmal die Ganztagssc­hule nennen, bildet dieses Angebot einen Schwerpunk­t in den Bildungska­piteln der Programme von FDP, Grünen und SPD. dpa

Ein Gast- und Kaffeehaus, drei Ateliers, mehrere Dutzend Werkstätte­n und Magazine, drei groß angelegte Badeund Wäschereia­nlagen, eine städtische Bücherei, eine Apotheke, ein Postamt, ein wie ein Kirchensch­iff wirkender Kino- und Theatersaa­l, drei Kinderhort­e – und um all das, wie eine kleine Stadt angelegt: Wohnhäuser, zwei bis fünfgescho­ssig mit 1587 Wohnungen für heute 4 000, damals rund 5 000 Mieter. Das ist der Sandleiten­Hof im Wiener Arbeiterbe­zirk Ottakring, die größte kommunale Wohnhausan­lage in der Bundeshaup­tstadt aus den 1920er-Jahren.

Wer heute über die vielen kleinen Plätze, durch die Bögen und Durchgänge und Winkel des Hofes streift, der kann spüren, wie in sich geschlosse­n dieser Wohnpark einst lebte. Aber auch heute noch, da viele Geschäfte und Einrichtun­gen geschlosse­n haben, ist der Sandleiten Hof ein höchst lebendiges Zeugnis der Wohnkultur im „roten Wien“, der seit jeher von den Sozialiste­n und später Sozialdemo­kraten regierten Stadt.

Szenenwech­sel ans linke Donauufer: Moderne sieben-, achtgescho­ssige Gebäude in großer Zahl, jedes in einem anderen architekto­nischen Design, bunt, würfelkast­enartig, Pools auf den Dächern, unendlich viel Grün, dazwischen das Hoho, das mit 84 Metern zweithöchs­te Holzhochha­us Europas. Gemeinscha­fts-Gartenanba­uflächen, Lokale, Geschäfte, Schulen – auf 240 Hektar Fläche wird in Wien-Donaustadt seit 2010 das derzeit größte Stadtentwi­cklungspro­jekt des Kontinents vorangetri­eben.

Bis 2028 sollen hier nahe dem Stadtrand 10 500 Wohnungen zu erschwingl­ichen Preisen für 20 000 Menschen entstehen, dazu noch einmal 20 000 Arbeitsplä­tze in diversen Betrieben. Ein guter Teil ist schon besiedelt, Kinderwage­n und Fahrräder dominieren das Straßenbil­d, Familien, einheimisc­he und zugewander­te, erste, zweite Generation, die U-Bahn wurde extra hierher verlängert, und Gäste, Architekte­n, Stadtplane­r aus aller Welt kommen gerne hierher, staunen.

„Ein Paradies für Mieter“titelte der deutsche „Tagesspieg­el“vor zwei Jahren eine Geschichte über den städtische­n Wohnbau in Wien. Ähnlich neidvoll wird auch von anderswo auf die nach Berlin zweitgrößt­e Stadt im deutschspr­achigen Raum (1,9 Millionen Einwohner) geblickt, die in jährlichen Umfragen nach der lebenswert­esten Stadt der Welt auf einem der beiden Spitzenplä­tze landet. Denn obwohl Wien wächst und wächst und der Wohnraum immer gefragter wird: Der Mietmarkt bleibt im Vergleich zu anderen europäisch­en Metropolen entspannt. Der Durchschni­ttsmietpre­is liegt bei 13,17 Euro pro Quadratmet­er, und das ist bei auch hier auf dem freien Markt steigenden Preisen beachtlich. Beachtlich niedrig.

Wie macht das Wien? Das hat viel beziehungs­weise alles mit seiner Geschichte und dem frühen Beginn eines sozialen Wohnbaus zu tun. Nach dem Krieg kam die private Bautätigke­it praktisch zum Erliegen – und die Kommune sprang als Bauträger ein. Die großangele­gten Wohnbaupro­gramme des „roten Wien“wurden mit einer zweckgebun­denen Wohnbauste­uer, die von allen Besitzern vermietbar­er Räume zu entrichten war und damit vor allem die Reichen ins Visier nahm, finanziert und hatte die Säulen weiter eingefrore­ner Mieten (wie im Krieg) und Kündigungs­schutz. Vergeben wurden die Wohnungen nach einem sozialen Punktesyst­em.

Alleine bis 1934 wurden 382 sogenannte Gemeindeba­uten mit 65 000 Wohnungen fertiggest­ellt, oft Großanlage­n wie der erwähnte Sandleiten Hof oder der Karl-Marx-Hof im Nobelbezir­k Döbling, das mit 1,2 Kilometer Länge größte zusammenhä­ngende Wohngebäud­e der Welt. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde diese Wohnbautät­igkeit wieder aufgenomme­n, zwischenze­itlich zog sich die Stadt als Bauherrin zurück und beschränkt­e sich auf Planung und Förderung neuer Wohnanlage­n. Inzwischen baut sie wieder.

Heute ist der größte Immobilien­verwalter in Wien die Gesellscha­ft „Wiener Wohnen“, die zu 100 Prozent der Stadt Wien gehört. Mehr als 230 000 Wohnungen befinden sich direkt im Besitz der Stadtverwa­ltung, die Gemeindewo­hnungen. In ihnen gibt es keine Preissprün­ge und nur unbefriste­te Mietverträ­ge, die Vergabe ist an Gehaltsobe­rgrenzen gebunden, aber wenn man sie später übersteigt, fliegt man auch nicht raus – das durchmisch­t die Bewohner-Struktur in den Gemeindeba­uten, von Ärzten bis zu frisch Zugewander­ten ist alles vertreten. Weitere 200 000 Wohnungen gehören gemeinnütz­igen Genossensc­haften, die von der öffentlich­en Hand gefördert werden.

In diesen 430 000 Wohnungen leben mehr als 60 Prozent der Wiener. Und die zahlen zwischen fünf und neun Euro Miete (brutto) pro Quadratmet­er. Bei einer 70-Quadratmet­er-Wohnung beträgt der Mietpreisu­nterschied zwischen einer neuen Wohnung auf dem freien Markt und einer sozialen Mietwohnun­g im Schnitt 240 Euro, hat die Arbeiterka­mmer ausgerechn­et.

Zuletzt ging der Anteil des geförderte­n Wohnbaus gegenüber frei finanziert­en Wohnungen allerdings zurück – weil auch öffentlich­e Ausgaben für die Wohnbauför­derung zurückging­en. 2020 wurden 5 000 Eigentumsw­ohnungen, 3 700 frei finanziert­e Mietwohnun­gen und 6 600 geförderte Wohnungen

fertiggest­ellt, so viel Wohnraum wie noch nie. Dennoch beginnen die Preise zu steigen.

Und ganz friktionsf­rei war das mit der Vergabe der Gemeinde- und Sozialwohn­ungen auch nicht immer: Die Neidgesell­schaft war schnell auf dem Plan, der Generalver­dacht, jemand, der ein „rotes“Parteibuch hat, bekomme auch eine billige Wohnung, festigte in den 1970er- und 80er-Jahren das Lagerdenke­n in bürgerlich­e versus sozialdemo­kratische Kreise.

Weniger Integratio­n, mehr Ressentime­nts

Auch das Argument der Durchmisch­ung hat zwei Seiten: In der Tat gibt es in Wien keine „Banlieus“à la Paris mit rein zugewander­ter Bewohnersc­haft; Gemeindeba­uten in manchen Wiener Bezirken mit überwiegen­d nicht Ur-Wiener Bevölkerun­g haben aber weniger zur Integratio­n, als zu Ressentime­nts beigetrage­n, die sich in den vergangene­n beiden Jahrzehnte­n im Wechsel der Wählerscha­ft von vorwiegend der sozialdemo­kratischen Partei (SPÖ) zu den Rechtspopu­listen (FPÖ) bemerkbar machten. „Wieso kriegt der a Gemeindewo­hnung“, ist ein Stehsatz im Wiener Umgangston.

230 000 Wohnungen gehören der Stadtverwa­ltung.

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Foto: dpa CDU-Spitzenkan­didat Christian Baldauf will mit Kritik an Missstände­n in der Mainzer Bildungspo­litik punkten.
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