Jede Schule ist anders
Die Bildungspolitik steht im Zentrum der Landtagswahl
Mainz. Chaos, Vertrauensverlust, Lernversagen – seit Monaten kritisiert die CDU Rheinland-Pfalz die Bildungspolitik in RheinlandPfalz. Vor der Wahl am 14. März zeigt sich ihr Spitzenkandidat Christian Baldauf „fest davon überzeugt, dass die Bildungsfragen diese Landtagswahl entscheiden werden“. Alle Parteien legen in ihren Wahlprogrammen einen Schwerpunkt auf die künftige Gestaltung der Arbeit von Kitas und Schulen.
Wie lautet der Befund zur Gegenwart der Bildung in Rheinland-Pfalz? In Untersuchungen zu den Lernergebnissen von Schülerinnen und Schülern liegt das Bundesland im Mittelfeld, ermittelt etwa vom Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB). Dass die Ergebnisse nicht zufriedenstellend sind, räumt Bildungsministerin Stefanie Hubig (SPD) ein: „Die Ergebnisse sind ein großes Problem in Deutschland, und da bewegen sich nahezu alle Bundesländer auf vergleichbarem Niveau.“
Problem der Brennpunktschulen
Bei einzelnen Kenngrößen wie der Klassengröße von Grundschulen mit durchschnittlich 18,5 Kindern liegt Rheinland-Pfalz im Ländervergleich vorn. Einen Spitzenplatz hat das Land auch beim Anteil erfolgreicher Absolventen von Berufsschulen. Gleichzeitig bemängelt der Bildungsmonitor des Instituts der deutschen Wirtschaft aber ein geringes Ganztagsangebot in der Sekundarstufe I (ab Klasse 5) oder den Einfluss des sozialen Hintergrunds der Eltern auf die Mathematikleistungen.
Aber solche Aussagen sind immer Durchschnittswerte – und diese verbergen zum Teil große Ausschläge in beide Richtungen. So beschreibt die von der CDU in ihr „Praktikerteam“zur Bildungspolitik geholte Schulleiterin Jutta Bretz die Verhältnisse an ihrer Grundschule in Essingen (Kreis Südliche Weinstraße) als traumhaft – „wir haben kleine Klassen mit 15 Kindern und ein neues Schulgebäude mit größeren Klassenzimmern“. Insgesamt werden an der Grundschule 83 Kinder unterrichtet. Wünschenswert wäre aber mehr Planungssicherheit – eine schwierig zu erreichendes Ziel, wenn in der Corona-Situation alle „auf Sicht fahren“.
Weniger traumhaft geht es etwa an den sogenannten Brennpunktschulen zu. In Ludwigshafen ist der Anteil von Schulabgängern ohne einen Abschluss zur Berufsreife mit 13,2 Prozent (2019) am höchsten von allen Städten und Landkreisen. Das Bildungsministerium versucht, mit Programmen wie „Keiner ohne Abschluss“gegenzusteuern.
Der CDU geht das nicht weit genug. Ihre bildungspolitische Fraktionssprecherin Anke Beilstein will „flächendeckende Leitplanken statt Projektitis“und vor allem „mehr Zeit für Kinder“. Das soll durch eine kräftige Aufstockung des Personals erreicht werden, durch mehr Erzieherinnen und Erzieher an den Kitas, mehr Lehrkräfte und auch durch eine Verdoppelung der Stellen für die Schulsozialarbeit. Allerdings setzt das Wahlprogramm auch Akzente in Richtung Leistung: Im Kindergarten sollen die Sprachkenntnisse überprüft werden, in der Grundschule soll es eine Stunde mehr Deutsch geben.
Als zweite Oppositionspartei will die AfD eine „Rückkehr zum Leistungsprinzip“, mit einem wieder dreigeteilten Schulsystem mit Haupt- und Realschule sowie Gymnasium. Auf das Gymnasium solle man nur nach einem „Testverfahren als „Einlassventil“zugelassen werden. Die SPD-Landesregierung hatte zum Schuljahr 2009/2010 die Haupt- und Realschulen zu sogenannten „Realschulen plus“zusammengelegt. Die AfD wendet sich auch gegen „ideologisch motivierte Inklusion“– während vor allem die Grünen und die SPD, aber auch die Liberalen für das gemeinsame Lernen von Kindern mit und ohne Behinderung eintreten. Die CDU betont, dass Förderschulen für junge Menschen mit einer Behinderung „genau ihre Berechtigung wie inklusive Förderansätze“haben. Während die Programme von CDU und AfD keinmal die Ganztagsschule nennen, bildet dieses Angebot einen Schwerpunkt in den Bildungskapiteln der Programme von FDP, Grünen und SPD. dpa
Ein Gast- und Kaffeehaus, drei Ateliers, mehrere Dutzend Werkstätten und Magazine, drei groß angelegte Badeund Wäschereianlagen, eine städtische Bücherei, eine Apotheke, ein Postamt, ein wie ein Kirchenschiff wirkender Kino- und Theatersaal, drei Kinderhorte – und um all das, wie eine kleine Stadt angelegt: Wohnhäuser, zwei bis fünfgeschossig mit 1587 Wohnungen für heute 4 000, damals rund 5 000 Mieter. Das ist der SandleitenHof im Wiener Arbeiterbezirk Ottakring, die größte kommunale Wohnhausanlage in der Bundeshauptstadt aus den 1920er-Jahren.
Wer heute über die vielen kleinen Plätze, durch die Bögen und Durchgänge und Winkel des Hofes streift, der kann spüren, wie in sich geschlossen dieser Wohnpark einst lebte. Aber auch heute noch, da viele Geschäfte und Einrichtungen geschlossen haben, ist der Sandleiten Hof ein höchst lebendiges Zeugnis der Wohnkultur im „roten Wien“, der seit jeher von den Sozialisten und später Sozialdemokraten regierten Stadt.
Szenenwechsel ans linke Donauufer: Moderne sieben-, achtgeschossige Gebäude in großer Zahl, jedes in einem anderen architektonischen Design, bunt, würfelkastenartig, Pools auf den Dächern, unendlich viel Grün, dazwischen das Hoho, das mit 84 Metern zweithöchste Holzhochhaus Europas. Gemeinschafts-Gartenanbauflächen, Lokale, Geschäfte, Schulen – auf 240 Hektar Fläche wird in Wien-Donaustadt seit 2010 das derzeit größte Stadtentwicklungsprojekt des Kontinents vorangetrieben.
Bis 2028 sollen hier nahe dem Stadtrand 10 500 Wohnungen zu erschwinglichen Preisen für 20 000 Menschen entstehen, dazu noch einmal 20 000 Arbeitsplätze in diversen Betrieben. Ein guter Teil ist schon besiedelt, Kinderwagen und Fahrräder dominieren das Straßenbild, Familien, einheimische und zugewanderte, erste, zweite Generation, die U-Bahn wurde extra hierher verlängert, und Gäste, Architekten, Stadtplaner aus aller Welt kommen gerne hierher, staunen.
„Ein Paradies für Mieter“titelte der deutsche „Tagesspiegel“vor zwei Jahren eine Geschichte über den städtischen Wohnbau in Wien. Ähnlich neidvoll wird auch von anderswo auf die nach Berlin zweitgrößte Stadt im deutschsprachigen Raum (1,9 Millionen Einwohner) geblickt, die in jährlichen Umfragen nach der lebenswertesten Stadt der Welt auf einem der beiden Spitzenplätze landet. Denn obwohl Wien wächst und wächst und der Wohnraum immer gefragter wird: Der Mietmarkt bleibt im Vergleich zu anderen europäischen Metropolen entspannt. Der Durchschnittsmietpreis liegt bei 13,17 Euro pro Quadratmeter, und das ist bei auch hier auf dem freien Markt steigenden Preisen beachtlich. Beachtlich niedrig.
Wie macht das Wien? Das hat viel beziehungsweise alles mit seiner Geschichte und dem frühen Beginn eines sozialen Wohnbaus zu tun. Nach dem Krieg kam die private Bautätigkeit praktisch zum Erliegen – und die Kommune sprang als Bauträger ein. Die großangelegten Wohnbauprogramme des „roten Wien“wurden mit einer zweckgebundenen Wohnbausteuer, die von allen Besitzern vermietbarer Räume zu entrichten war und damit vor allem die Reichen ins Visier nahm, finanziert und hatte die Säulen weiter eingefrorener Mieten (wie im Krieg) und Kündigungsschutz. Vergeben wurden die Wohnungen nach einem sozialen Punktesystem.
Alleine bis 1934 wurden 382 sogenannte Gemeindebauten mit 65 000 Wohnungen fertiggestellt, oft Großanlagen wie der erwähnte Sandleiten Hof oder der Karl-Marx-Hof im Nobelbezirk Döbling, das mit 1,2 Kilometer Länge größte zusammenhängende Wohngebäude der Welt. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde diese Wohnbautätigkeit wieder aufgenommen, zwischenzeitlich zog sich die Stadt als Bauherrin zurück und beschränkte sich auf Planung und Förderung neuer Wohnanlagen. Inzwischen baut sie wieder.
Heute ist der größte Immobilienverwalter in Wien die Gesellschaft „Wiener Wohnen“, die zu 100 Prozent der Stadt Wien gehört. Mehr als 230 000 Wohnungen befinden sich direkt im Besitz der Stadtverwaltung, die Gemeindewohnungen. In ihnen gibt es keine Preissprünge und nur unbefristete Mietverträge, die Vergabe ist an Gehaltsobergrenzen gebunden, aber wenn man sie später übersteigt, fliegt man auch nicht raus – das durchmischt die Bewohner-Struktur in den Gemeindebauten, von Ärzten bis zu frisch Zugewanderten ist alles vertreten. Weitere 200 000 Wohnungen gehören gemeinnützigen Genossenschaften, die von der öffentlichen Hand gefördert werden.
In diesen 430 000 Wohnungen leben mehr als 60 Prozent der Wiener. Und die zahlen zwischen fünf und neun Euro Miete (brutto) pro Quadratmeter. Bei einer 70-Quadratmeter-Wohnung beträgt der Mietpreisunterschied zwischen einer neuen Wohnung auf dem freien Markt und einer sozialen Mietwohnung im Schnitt 240 Euro, hat die Arbeiterkammer ausgerechnet.
Zuletzt ging der Anteil des geförderten Wohnbaus gegenüber frei finanzierten Wohnungen allerdings zurück – weil auch öffentliche Ausgaben für die Wohnbauförderung zurückgingen. 2020 wurden 5 000 Eigentumswohnungen, 3 700 frei finanzierte Mietwohnungen und 6 600 geförderte Wohnungen
fertiggestellt, so viel Wohnraum wie noch nie. Dennoch beginnen die Preise zu steigen.
Und ganz friktionsfrei war das mit der Vergabe der Gemeinde- und Sozialwohnungen auch nicht immer: Die Neidgesellschaft war schnell auf dem Plan, der Generalverdacht, jemand, der ein „rotes“Parteibuch hat, bekomme auch eine billige Wohnung, festigte in den 1970er- und 80er-Jahren das Lagerdenken in bürgerliche versus sozialdemokratische Kreise.
Weniger Integration, mehr Ressentiments
Auch das Argument der Durchmischung hat zwei Seiten: In der Tat gibt es in Wien keine „Banlieus“à la Paris mit rein zugewanderter Bewohnerschaft; Gemeindebauten in manchen Wiener Bezirken mit überwiegend nicht Ur-Wiener Bevölkerung haben aber weniger zur Integration, als zu Ressentiments beigetragen, die sich in den vergangenen beiden Jahrzehnten im Wechsel der Wählerschaft von vorwiegend der sozialdemokratischen Partei (SPÖ) zu den Rechtspopulisten (FPÖ) bemerkbar machten. „Wieso kriegt der a Gemeindewohnung“, ist ein Stehsatz im Wiener Umgangston.
230 000 Wohnungen gehören der Stadtverwaltung.