Vom Helden zum Heuchler
New Yorks Gouverneur Andrew Cuomo steht wegen der Manipulation von Daten und Übergriffen mit dem Rücken zur Wand
Auf dem Höhepunkt der ersten Corona-Welle hingen viele Amerikaner an seinen Lippen. Die Pressekonferenzen Andrew Cuomos waren das Gegenprogramm zu dem gefährlichen Unsinn, den Donald Trump bei seinen Auftritten verbreitete. Muss-TV und mentale Therapie für eine von der Pandemie zutiefst verunsicherte Nation. Der Gouverneur erhielt für die mit Vernunft und Daten gespickten Unterrichtungen sogar einen „Emmy”. Das Magazin „New Yorker“beförderte Cuomo zum „Boyfriend Amerikas” und selbst die ärgsten Kritiker des seit 2010 regierenden Gouverneurs huldigten seiner Führung durch die erste große Krise des Jahrhunderts.
Ein bemerkenswerter Imagewandel für einen Politiker, der wegen seiner raubeinigen Art mehr gefürchtet als geliebt war. Der Gouverneur surfte auf der Popularitätswelle. Bei seinem Bruder Chris tauschte er in dessen Show auf CNN rührselige Familiengeschichten aus. Er sicherte sich einen lukrativen Deal für ein Buch, in dem Cuomo sein Krisenmanagement als Beispiel für politische Führung empfiehlt. Alles mit Blick auf seine Wiederwahl im kommenden Jahr und den Ambitionen für eine mögliche Präsidentschaftskandidatur 2024.
Präsidentschaftspläne sind geplatzt Mindestens aus letzterem wird nun nichts mehr. Und auch seine vierte Amtszeit steht stark infrage, seit herauskam, dass der einstige Held ein Heuchler sein könnte. Der von dem linken Magazin „The Nation“als „Heiliger Andrew von Covid” verspottete Gouverneur ließ die Zahlen der Covid-Toten in den Altersheimen seines Bundesstaates manipulieren.
In New York gab es in den vergangenen Tagen mehrere Demonstrationen gegen Gouverneur Andrew Cuomo (kleines Foto) , bei denen sein Rücktritt gefordert wurde. Wie die „New York Times“und andere Medien berichten, schrieben drei hohe Mitarbeiter des Gouverneurs dafür einen Bericht der Gesundheitsbehörde um. Auf Cuomos Betreiben verschwand die Zahl von 9.250 Toten aus dem Report. Diese lagen im Vergleich zu anderen Bundesstaaten mit Abstand vorn. Das benachbarte New Jersey wies als Staat mit den zweithöchsten Todesfallzahlen in den USA ein Drittel weniger Opfer auf.
Öffentlich gebrauchte der Gouverneur Daten, die deutlich unter denen seiner Gesundheitsbehörde lagen. Die Chefanklägerin von New York, Letitia James, beziffert die Diskrepanz auf „rund 50 Prozent”. Cuomo reagierte brüsk auf die Vorwürfe. Er habe Trump seinerzeit keine Steilvorlage geben wollen, politisch gegen ihn in die Offensive zu gehen, entschuldigt der Gouverneur die schöngerechneten Zahlen. Zu denen gelangte er, indem im Krankenhaus an Covid verstorbene Altersheim-Bewohner einfach nicht mitgezählt wurden.
Mehrere Belästigungsvorwürfe
„Wen juckt es, ob sie im Krankenhaus oder im Altersheim gestorben sind?”, feuerte Cuomo gegen Kritiker zurück. Die halten ihm eine Anweisung zu Beginn der Pandemie vor, die Pflegeeinrichtungen dazu zwang, in Krankenhäusern wegen Covid behandelte Bewohner wieder aufzunehmen. Einer von mehreren Gründen, die zu den hohen Todesfallzahlen beigetragen haben. Restlos beschmutzten seine weiße PRWeste dann die Vorwürfe von drei Frauen, die Cuomo unerwünschte sexuelle Avancen und ein toxisches Klima am Arbeitsplatz vorhielten. Das Gegenbild Trumps verwandelt sich mit jedem weiteren Tag zu dessen Ebenbild. Und wie dieser will der Gouverneur nichts von Rechenschaft hören. Cuomo weist Rufe nach seinem Rücktritt kategorisch zurück.
Das Staatshaus in Albany nahm ihm die Notfallvollmachten ab, mit denen er während der Pandemie regieren konnte. Ein Bundesanwalt in Brooklyn begann Ermittlungen und seine politischen Gegner auf der Parteilinken erinnern sich daran, warum sie Cuomo noch nie wirklich mochten. Er muss nun damit rechnen, bei den Vorwahlen einen Herausforderer im eigenen Lager zu bekommen.
Wen juckt es, ob sie im Krankenhaus oder im Altersheim gestorben sind? Andrew Cuomo