Agent, Korrespondent, Volksfeind
Russlands Kampf gegen missliebige Bürgerinitiativen trifft jetzt auch Einzelpersonen und womöglich ausländische Journalisten
Der Status sei doch eine Ehre, scherzt Roman Zymbaljuk, Korrespondent der ukrainischen Agentur Unian in Moskau: „Ich werde mir neue Visitenkarten drucken lassen: ,Ausländischer Agent’.“
Russlands Gesetzgeber produzieren Repressalien am laufenden Band. Anfang März trat eine Ergänzung zum Gesetz über „ausländische Agenten“von 2012 in Kraft. Jetzt können auch nicht als Organisationen registrierte Gruppen und Einzelpersonen auf die schwarze Liste der „Auslandsagenten“geraten, die das Justizministerium führt. Voraussetzung: Sie werden aus dem Ausland finanziert, sind politisch aktiv oder sammeln zielstrebig Informationen über Russlands Militär und Militärtechnik, die gegen die Sicherheit des Landes genutzt werden könnten …
Betroffene sind gezwungen, sich amtlich als juristische Person anzumelden und dem Justizministerium regelmäßig Rechenschaft über ihre Tätigkeit und Einnahmen zu liefern. Wer sich weigert, riskiert Geldstrafen bis zu 3 400 Euro oder bis zu fünf Jahre Gefängnis.
Aktivisten vor Strafen bewahren
Inzwischen droht die schikanöse Qualifizierung auch Journalisten. Betroffen sind etwa Sergej Markelow, Reporter des Portals 7x7, Ludmila Sawizkaja von Radio Swoboda oder Denis Kamaljagin, Chefredakteur der Zeitung „Pskowksaja Gubernija“. Er hat gegen seine Auflistung als „ausländischer Agent“geklagt, so wie der Menschenrechtler Lew Ponomarjow. Der löste gerade seinen als „ausländischen Agenten“eingestuften Verband „Für Menschenrechte“auf. So will er die über tausend Aktivisten der Gruppe vor Strafen bewahren, falls sie es versäumen, ihren Status in jedem ihrer Internet-Posts
zu vermerken. „Das Land bewegt sich in Richtung eines faschistischen Regimes“, erklärte Ponomarjow. Jeder, der der Staatsmacht Widerstand leiste, werden als „ausländischer Agent“, als Feind markiert, um ihn dann auszuschalten.
Gerade hat es die kritische „Union der Ärzte“getroffen, vorher die Frauenschutzinitiative „Gegen Gewalt“. Obwohl die Frauenrechtlerinnen sich keineswegs als Staatsfeinde betrachten. „Wir verteidigen doch die Familie als
Wert und versuchen, ihr Heim zu einem sicheren Platz zu machen“, erklärte Vorsitzende Anna Riwina dem Magazin „Time“.
Andere Betroffene klagen, der Kategorie liege ein sehr schwammiger Politikbegriff zugrunde. „Jede Handlung, die Einfluss auf die Entscheidungen der russischen Behörden haben kann, gilt als politische Tätigkeit“, sagt Tatjana Gluschkowa, Juristin der Menschenrechtsgruppe „Memorial“, die ebenfalls als „ausländischer Agent“gebrandmarkt wurde.
Das Justizministerium hat auch die ausländischen Korrespondenten in Moskau ins Visier genommen, schon rätseln diese, wen es als Ersten erwischt. „Alle meine Einnahmen stammen aus dem Ausland“, überlegt der Ukrainer Zymbaluk. „Außerdem interessiere ich mich sehr für die militärischen Aktivitäten Russlands. Weil sie direkt die Sicherheit meines Landes bedrohen.“Er erfülle also die Kriterien für die neue Kategorie „ausländischer Korrespondent-Agent“. Aber das wäre wohl ein Ausnahmefall, das Gesetz richte sich vor allem gegen russische „Nationalverräter“.
Vorwurf des Vaterlandsverrats
Auch in der Provinz geistern „ausländische Agenten“umher. In der Republik Udmurtien schlug unlängst die regionale „Allrussische Volksfront“, eine der Lieblingsorganisationen Wladimir Putins, einer Kreisverwaltung vor, aus Spargründen auf den geplanten Kauf eines Toyota-Dienstwagens für 25 000 Euro zu verzichten. Der Kreisvorsitzende aber verlangte von der Volksfront, sie möge zuerst einmal beweisen, dass sie kein „ausländischer Agent“sei. Für manche russischen Beamten sind inzwischen alle, die ihnen keinen schicken neuen Dienstwagen gönnen, Vaterlandsverräter.
Ich werde mir neue Visitenkarten drucken lassen: „Ausländischer Agent“. Roman Zymbaljuk, ukrainischer Journalist