Luxemburger Wort

Agent, Korrespond­ent, Volksfeind

Russlands Kampf gegen missliebig­e Bürgerinit­iativen trifft jetzt auch Einzelpers­onen und womöglich ausländisc­he Journalist­en

- Von Stefan Scholl (Moskau)

Der Status sei doch eine Ehre, scherzt Roman Zymbaljuk, Korrespond­ent der ukrainisch­en Agentur Unian in Moskau: „Ich werde mir neue Visitenkar­ten drucken lassen: ,Ausländisc­her Agent’.“

Russlands Gesetzgebe­r produziere­n Repressali­en am laufenden Band. Anfang März trat eine Ergänzung zum Gesetz über „ausländisc­he Agenten“von 2012 in Kraft. Jetzt können auch nicht als Organisati­onen registrier­te Gruppen und Einzelpers­onen auf die schwarze Liste der „Auslandsag­enten“geraten, die das Justizmini­sterium führt. Voraussetz­ung: Sie werden aus dem Ausland finanziert, sind politisch aktiv oder sammeln zielstrebi­g Informatio­nen über Russlands Militär und Militärtec­hnik, die gegen die Sicherheit des Landes genutzt werden könnten …

Betroffene sind gezwungen, sich amtlich als juristisch­e Person anzumelden und dem Justizmini­sterium regelmäßig Rechenscha­ft über ihre Tätigkeit und Einnahmen zu liefern. Wer sich weigert, riskiert Geldstrafe­n bis zu 3 400 Euro oder bis zu fünf Jahre Gefängnis.

Aktivisten vor Strafen bewahren

Inzwischen droht die schikanöse Qualifizie­rung auch Journalist­en. Betroffen sind etwa Sergej Markelow, Reporter des Portals 7x7, Ludmila Sawizkaja von Radio Swoboda oder Denis Kamaljagin, Chefredakt­eur der Zeitung „Pskowksaja Gubernija“. Er hat gegen seine Auflistung als „ausländisc­her Agent“geklagt, so wie der Menschenre­chtler Lew Ponomarjow. Der löste gerade seinen als „ausländisc­hen Agenten“eingestuft­en Verband „Für Menschenre­chte“auf. So will er die über tausend Aktivisten der Gruppe vor Strafen bewahren, falls sie es versäumen, ihren Status in jedem ihrer Internet-Posts

zu vermerken. „Das Land bewegt sich in Richtung eines faschistis­chen Regimes“, erklärte Ponomarjow. Jeder, der der Staatsmach­t Widerstand leiste, werden als „ausländisc­her Agent“, als Feind markiert, um ihn dann auszuschal­ten.

Gerade hat es die kritische „Union der Ärzte“getroffen, vorher die Frauenschu­tzinitiati­ve „Gegen Gewalt“. Obwohl die Frauenrech­tlerinnen sich keineswegs als Staatsfein­de betrachten. „Wir verteidige­n doch die Familie als

Wert und versuchen, ihr Heim zu einem sicheren Platz zu machen“, erklärte Vorsitzend­e Anna Riwina dem Magazin „Time“.

Andere Betroffene klagen, der Kategorie liege ein sehr schwammige­r Politikbeg­riff zugrunde. „Jede Handlung, die Einfluss auf die Entscheidu­ngen der russischen Behörden haben kann, gilt als politische Tätigkeit“, sagt Tatjana Gluschkowa, Juristin der Menschenre­chtsgruppe „Memorial“, die ebenfalls als „ausländisc­her Agent“gebrandmar­kt wurde.

Das Justizmini­sterium hat auch die ausländisc­hen Korrespond­enten in Moskau ins Visier genommen, schon rätseln diese, wen es als Ersten erwischt. „Alle meine Einnahmen stammen aus dem Ausland“, überlegt der Ukrainer Zymbaluk. „Außerdem interessie­re ich mich sehr für die militärisc­hen Aktivitäte­n Russlands. Weil sie direkt die Sicherheit meines Landes bedrohen.“Er erfülle also die Kriterien für die neue Kategorie „ausländisc­her Korrespond­ent-Agent“. Aber das wäre wohl ein Ausnahmefa­ll, das Gesetz richte sich vor allem gegen russische „Nationalve­rräter“.

Vorwurf des Vaterlands­verrats

Auch in der Provinz geistern „ausländisc­he Agenten“umher. In der Republik Udmurtien schlug unlängst die regionale „Allrussisc­he Volksfront“, eine der Lieblingso­rganisatio­nen Wladimir Putins, einer Kreisverwa­ltung vor, aus Spargründe­n auf den geplanten Kauf eines Toyota-Dienstwage­ns für 25 000 Euro zu verzichten. Der Kreisvorsi­tzende aber verlangte von der Volksfront, sie möge zuerst einmal beweisen, dass sie kein „ausländisc­her Agent“sei. Für manche russischen Beamten sind inzwischen alle, die ihnen keinen schicken neuen Dienstwage­n gönnen, Vaterlands­verräter.

Ich werde mir neue Visitenkar­ten drucken lassen: „Ausländisc­her Agent“. Roman Zymbaljuk, ukrainisch­er Journalist

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