Neuer Anlauf beim Atom-Deal?
Am 24. November 2013 einigten sich die fünf UN-Vetomächte USA, Russland, China, Frankreich und Großbritannien sowie Deutschland mit dem Iran in Genf darauf, dass die Islamische Republik ihre Urananreicherung begrenzt und den Inspektoren der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) Zutritt zu mehreren Anlagen ermöglicht. Dabei handelte es sich um ein Übergangsabkommen, das am 20. Januar 2014 in Kraft trat. Am 2. April 2015 wurde ein Rahmenvertrag vereinbart, der die Bedingungen für internationale Kontrollen bis 2025 regelt. Der damalige US-Präsident Barack Obama sprach von einer „historischen
Übereinkunft“. Am 16. Januar 2016 trat dann das definitive Abkommen in Kraft. Damit sollte verhindert werden, dass der Iran jemals über Atomwaffen verfügt. Nach jahrelanger Kritik, vor allem mit Verweis auf die Unterstützung terroristischer Gruppen durch den Iran, kündigte Obamas Amtsnachfolger Donald Trump das Abkommen 2018 auf und verhängte erneut Sanktionen. Der aktuelle US-Präsident Joe Biden kann sich unter bestimmten Voraussetzungen eine Wiederaufnahme der Gespräche vorstellen. Aber ist das überhaupt erstrebenswert? MaH
Frau Dieschbourg ruft öffentlich dazu auf, weniger Fleisch zu essen (siehe „3e plan pour un développement durable“). Herr Turmes will in der Grundschule die Schüler gezielt auf vegane Ernährung trimmen (RTL-Interview vom 4. Februar 2021). Beide Minister unterstellen dem wiederkäuenden Rind eine Hauptschuld an erhöhten Schadstoffgasen und bestätigen die Vorurteile des übermäßigen Wasserverbrauchs der Fleischproduktion.
Die Gemeindeverantwortlichen von Lyon haben kürzlich beschlossen, die 29 000 Kantinengerichte fleischlos zu gestalten. Restopolis, die Betreiberorganisation der Schulkantinen in Luxemburg, arbeitet an einem Konzept, in Schulkantinen weniger Fleisch anzubieten. Wenn diese Überlegungen zu weniger Importfleisch und mehr regionalen Fleischgerichten führen, so ist diese Initiative lobenswert. Mal abwarten. In Lyon jedenfalls ist Fleisch ersatzlos gestrichen. Aus Kreisen des luxemburgischen Bildungsministeriums ist zu hören, man habe sich vor allem aus ökologischen Gründen dafür entschieden.
Das Umweltministerium will mit mobilen Schlachtanlagen endlich Tierleid mildern. Dasselbe Ministerium organisiert und begleitet die ganzjährige Weidehaltung von (importierten, also nicht heimischen) Extensivrassen und verwaltet in Luxemburg über 1 000 Hektar Agrarland. Staatlich aufgekauft zu unangemessen hohen Preisen und steuerfrei. Agraringenieur Stoll schreibt Halbwahrheiten („Luxemburger Wort“vom 6. Februar 2021) über landwirtschaftliche Praktiken. In den (a)sozialen Medien und bei vielen (welche die Landwirtschaft aus oberflächlicher Distanz zwar unklar verstehen, diese aber desto klarer bewerten) ist der Beifall parallel steigend zum abnehmendem objektiv-fachlichen Verständnis.
Geht's noch?
Wenn die Landwirtschaft all diese vermehrt auftretenden Nackenschläge erträgt, ist dies kein Beweis „grüner“Stärke, sondern ganz klar ein Zeichen von interner Schwäche. Dies ist umso bedauerlicher, da es zu vielen Unterstellungen sachliche Argumente gibt, welche die hiesigen Landwirte leicht aus der Defensivrolle herausheben können.
Wo sind unsere landwirtschaftlichen Organisationen mit klaren Gegendarstellungen? Warum darf das Umweltministerium sich landwirtschaftlich austoben und warum übernimmt das Landwirtschaftsministerium nicht proaktiv in gleichem Umfang Entscheidungen im Umweltsektor? Warum kuscht das Landwirtschaftsministerium mitsamt seinen Verwaltungen vor einem stets mächtigeren Umweltministerium?
Zu der ministeriellen Unterstellung, dass Fleisch dem Klima schadet: Diese Aussage ist pauschal und falsch. Welches Fleisch meinen die Minister? Das importierte Rindfleisch aus Südamerika, das weiße Kalbfleisch aus den
Niederlanden, das Luxemburger Biofleisch oder das in Luxemburg produzierte Fleisch aus Mutterkuhhaltung? Letztere haben folgende Kennwerte: deutlich abnehmende Stückzahl (2010: 32 000 Mutterkühe in Luxemburg, 2020: 25 000 Mutterkühe); größtenteils Weidehaltung im Sommer beziehungsweise Winterhaltung im Strohlaufstall; Futtergrundlagen aus Gras und Mais; Kühe ziehen ihre Kälber acht Monate selbst auf; Futterautarkie (betriebseigenes Futter) von etwa 80 bis 90 Prozent. Wenn sich die Politik über internationale Abkommen dazu verpflichtet, Eiweißfutter in die EU (und nach Luxemburg) zu importieren und gleichzeitig die sojafressende Kuh als Alibi missbraucht, um eine vorurteilsreiche Ideologie zu verteidigen, so ist dies heuchlerisch und entbindet die politisch Verantwortlichen jeglicher fachlichen Autorität.
Die Gesamtzahl an Rindern in Luxemburg ist 2020 auf demselben Niveau wie 1970 (193 000 Tiere). Hatten wir 1970 bereits dasselbe Klimaproblem?
Das Rind und das Klima
Die noch 2006 als Klimasünderin ausgewiesene Kuh mutierte in einer 2016 erschienenen Studie der FAO zu einer wichtigen Stütze der weltweiten Eiweißversorgung. Zitat FAO: „Da Rinder beispielsweise auf Weiden und Futter angewiesen sind, benötigen sie nur 0,6 Kilogramm Eiweiß aus essbaren Futtermitteln zur Herstellung von einem Kilogramm Eiweiß in Milch und Fleisch, was eine höhere Nährstoffqualität aufweist. Rinder tragen somit direkt zur globalen Ernährungssicherheit bei.“
Zugleich wurde der CO2-Weltanteil der Kuh durch neue Berechnungen auf vier Prozent reduziert. Interessant: Bio-Rinder – bei allen Vorteilen der Biolandwirtschaft – haben je Kilogramm Fleisch, einen schlechteren CO2Bilanzwert als Hochleistungskühe. Anders ausgedrückt: Wissenschaftliche
Berechnungen gibt es für jeden Geschmack und müssen mit Vorsicht bewertet werden.
Bedingt durch die Hufabdrücke absorbieren methanotrophe Bakterien im Boden mehr Methan, als die Kühe ausstoßen, so sagen andere Wissenschaftler. Diese Aussagen passen nicht ins Feindbild Fleisch, und werden gezielt ignoriert. Ohne Huftiere vertrocknen und verwüsten die Steppen. Überall, wo der Mensch die natürlichen Huftierherden stark dezimiert hat, sind danach die Regionen vertrocknet.
Viehzucht ist nicht für 18 Prozent des weltweit durch Menschen verursachten Treibhausgase verantwortlich. Die seit 2006 häufig zitierte Zahl ist falsch, wie unter anderem auch ein Autor der damaligen FAO-Studie eingesteht. Tatsächlich ist der Transportsektor wohl die größere Treibhausgasquelle. Das ändert nichts am unnötigen Treibhausgasausstoß der industriellen Intensivtierhaltung, die jedoch in Luxemburg definitiv inexistent ist.
Wir brauchen in unseren Regionen unbedingt Wiederkäuer, um unsere Biodiversität, unser Klima, unsere Natur zu schützen. Nur der Wiederkäuer kann Grasland verwerten und in vom Menschen nutzbare Nahrungsmittelquellen umwandeln. Grasland ist der bessere Kohlenstoffspeicher, besser als Wald. Ohne Rinder sterben erst die Weiden, dann unsere gewohnten Lebensräume. Es sei denn, diese werden vorher vom Menschen (nicht von der Kuh!) zerstört durch Asphaltierung, Tourismus, Autos, Flugzeuge, Industrie und ähnlichem mehr.
Das Rind und der Wasserverbrauch Überspitzt gesagt: Fleisch verbraucht kein Wasser. Niemand verbraucht Wasser. Alles ist Kreislauf. Und die Zahlen für den Bedarf sind überwiegend falsch.
Wer heute nach dem Wasserfußabdruck googelt, wird schnell fündig: 15 000 Liter Wasser sind für die Erzeugung eines Kilogramms Fleisch notwendig. Hochgerechnet auf einen Mastbullen wären das sagenhafte sechs Millionen Liter oder bei Wasserkosten von angenommen 1,80 Euro/1 000 Liter rund 1 800 Euro. Dazu kommen unter anderem Futter-, Arbeits- und Stallkosten. Der Bauer bekommt aber nur rund 3,8 Euro für das Kilogramm Fleisch, also macht er je Mastbulle stolze 9 000 Euro Minus. Hier kann etwas nicht stimmen.
Warum den Verbraucher in die Irre führen? Oder geht es darum, die eigene Klientel zufriedenzustellen? Anstatt eine steigende Lebensmittelnachfrage als Chance für die heimische, Ressourcen schonende und effiziente Landwirtschaft zu begreifen, wird Verzicht gepredigt. Der Aufschrei wäre gewaltig, wenn dies ein Minister für andere Branchen, welche weniger nachhaltig als die Landwirtschaft sind (zum Beispiel Banken, Autoindustrie, Tourismus) ebenso fordern würde.
Die gezielt staatlich organisierte Irreführung der Grundschüler ist ein weiteres Beispiel ministerieller Arroganz. Hier wird den (leichtgläubigen) Kleinkindern in der Schule beigebracht, dass Fleisch „böse“ist. Welch schändliche Anmaßung!
Warum darf Claude Turmes in der Grundschule Kinder aktiv zu veganer Ernährung aufrufen? Darf er das wirklich? Minister heißt übersetzt dienen; regieren bedeutet wohl leiten und lenken, nicht einseitig dirigieren. Genau deshalb ist der Kommunismus gescheitert.
Zum mobilen Schlachten
Das vom Umweltministerium über Jahrzehnte bezahlte Planungsbüro weiß zwar von den übermäßigen Anschaffungs- und Folgekosten, extrem aufwendiger Logistik, schwierigsten Hygieneauflagen. Und trotzdem plant dieses Büro munter weiter und erfreut sich immer wieder über neue Aufträge. Noch nie in der zig-tausendjährigen Geschichte, in der Menschen Tiere töten, wurde so tiergerecht getötet wie heute. Ältere erinnern sich ans Schweineschlachten zuhause. War das Tier beim dritten Schlag immer noch nicht betäubt, so war es spätestens beim zweiten Stich tot. Heute würde dies den Facebook-Speicher sprengen, damals war es ein reales soziales Event für Familie und Nachbarschaft. Und dennoch muss nun das Wohl der Tiere als Vorwand herhalten, um solch ein Projekt – dessen Irrsinnigkeit nur von seinem Unnütz übertroffen wird – durchzuziehen.
Wir schlachten in Luxemburg professionell und unter strengsten hygienischen und tiergerechten Bedingungen mit absolut kurzen Transportwegen pro Woche knapp 500 Rinder, die mobile Geldverschlingungsanlage schafft deren zehn bis 15 je Woche. Investition plus laufende Kosten sind unverschämt hoch. Wie endete noch die Geschichte vom Esel, der auf dem Eis tanzen wollte?
Miteinander fürs Klima
Es ist zu hoffen, dass die beschriebenen Falsch- und Fehleinschätzungen nicht systemisch sind. Es wäre dem sozialen Klima förderlich, wenn verantwortliche Minister, angestellte Planungsbüros, ehemalige und aktuelle von der Landwirtschaft bezahlte Kader und die vielen selbst ernannten Spezialisten in den so genannten sozialen Medien, aber auch große Teile der Landwirtschaft, ideologiefrei den sachlichen Dialog suchen und fördern würden. Das Land Luxemburg darf nicht einseitig zum Naherholungsgebiet umgewandelt werden, ohne die spezifischen Belange und Leistungen der Landwirtschaft zu respektieren. Natur- und Tierschutz gegen die Landwirtschaft geht nicht. Die Landwirtschaft andererseits muss die allgemeine Sensibilität für Natur und Umwelt als Chance nutzen, um konsumenten- und umweltgerecht zu produzieren.
Dem Bauern gehört die Zukunft, so sollte die Losung sein. Fleisch und Milchprodukte kann man essen. Fleisch und Milch – gewissenhaft produziert, so wie vielfach in Luxemburg der Fall – tragen zum Naturschutz bei. Autos, Häuserbau, Computer und Handys kann man weder essen, noch sind sie regional und gewiss der Natur nicht förderlich.
Das Land Luxemburg darf nicht einseitig zum Naherholungsgebiet umgewandelt werden, ohne die spezifischen Belange und Leistungen der Landwirtschaft zu respektieren.
Der Autor ist Prof. Ing. im Lycée technique agricole und Verwaltungsratmitglied bei Convis