Leuchtturm der Demokratie
Im „Luxemburger Wort“vom 23. Februar wird unser Außenminister zitiert: „Wenn wir uns selbst nicht mehr an die Rechtsstaatlichkeit halten, dann sollten wir auch nicht mehr mit dem Finger auf andere Staaten zeigen.“Er meinte Polen und Ungarn, aber auch, dass im Umgang von Putins Russland mit Herrn Nawalny die EU den Finger wohl etwas langsamer heben sollte. Lange ist es her, aber während drei Jahren habe ich Luxemburg in Moskau vertreten. Darum weiß ich: Dort hört man gut, sogar leise Töne, aber man lässt nicht gerne locker. Auch nicht Sergej Lawrow, dieser alte Kollege aus New York, der jetzt eben den Hohen EU-Vertreter Josep Borrell lächerlich gemacht hat. Sozusagen unseren Europäischen Außenminister.
Was jetzt folgt, hat Moskau vielleicht überhört. Obwohl? Aber Jean Asselborn hat es sicher nicht verpasst. Im „Luxemburger Wort“vom 30./31. Januar schrieb Herr Schmitz aus Olm, dass er mal gerne wissen möchte, was da los war, mit Frau Semedo, welche auch er gewählt hatte. Recht hat er, als Wähler darf man, sogar ohne diesen oder jenen Kandidaten zu wählen, ja, sollte man fragen, was die gewählten Mandatsträger machen, weil diese natürliche Rechenschaft schuldig sind.
Unvermeidbare Fragen
Wenn sie bestraft werden, sowie in diesem Fall vom Präsidenten des Europäischen Parlaments, sind Fragen unvermeidbar. Antworten ebenfalls. Allerdings war zu hören in der abendlichen Nachrichtensendung im luxemburgischen Fernsehen, dass das, was da los war, nicht bekannt gemacht werden darf. Das geht nicht, das ist geheim und muss es bleiben. Wieso?
Ein erfahrener Mandatsträger hat sich so geäußert. Später sagte er dann, allein Frau Semedo darf dazu etwas sagen, allerdings nur unter Bedingungen. Diese sagt nicht eben viel. Daraufhin frage ich nach, nehmt mir das bitte nicht übel. Klagen vor Gericht werden doch eigentlich öffentlich verhandelt, aber gab, gibt es denn überhaupt eine Klage in dieser Sache?
Schließlich geht es aber um diese Frage: Ist eine Strafe durch Herrn Sassoli einwandfrei? Ist das Europäische Parlament nicht die oberste parlamentarische Instanz in der EU, und als solche ein Leuchtturm der Demokratie in Europa, und wohl auch für die ganze Welt? Ist das Europaparlament also nicht auch der Garant für den Respekt der Unabhängigkeit der drei staatstragenden Pfeiler der Demokratie: der Legislative, der Exekutive und der Justiz. Man sollte das Europaparlament doch wohl nicht mit einem beliebigen Betrieb oder einer sonstigen Struktur verwechseln. EU-Abgeordnete gestalten und erhalten die Demokratie, sie sind nicht Manager, die für Ordnung im Betrieb zu sorgen haben.
Wieso also hat das Europaparlament eine Art interne Justiz geschaffen, wo Strafen vorgeschlagen werden, welche vom Vorsitzenden des Europaparlaments verhängt werden? Wir, und auch das Europaparlament, und auch unser Außenminister, klagen über verschiedene Regierungen in der EU, welche die Unabhängigkeit der Justiz missachten und im Leuchtturm der Demokratie werden interne Urteile vorbereitet und gefällt. Über die eigenen Leute. Und geheim. Sehr eigenartig, beunruhigend und stark verbesserungsfähig.
Wenn Mobbing, oder andere Missstände im Europaparlament auftauchen und aufgedeckt werden, ist es sicher richtig, die Position des Präsidenten zu respektieren, und demzufolge ihn zu informieren. Dieser kann sich nicht um alles kümmern und fragt andere, in einem vertraulichen Gremium, Fakten zu sammeln und ihn dann zu beraten. Dieses Gremium kann seine Ansicht beifügen über die Schwere der geäußerten Beschuldigungen. Daraufhin kann sich der Parlamentsvorsitzende direkt an die Beschwerdeführer wenden und Stellung nehmen. Er könnte feststellen, dass der Streit beigelegt ist. Wenn nicht, dann könnte er den Beschwerdeführern weitere Fragen stellen, oder eine Mediation vorschlagen. Wenn seiner Meinung nach dem Tatbestand keine so solide Grundlage hat, könnte er es andeuten und doch deutlich machen, dass er darüber nicht urteilen kann. Besonders wenn er denkt, dass die Klage wohl nicht aus der Luft gegriffen ist, könnte er feststellen, dass er hier nichts entscheiden darf, aber dass es jedem natürlich freisteht, bei der Justiz Klage zu führen. Und er könnte vielleicht einen Schritt weitergehen, und schreiben, dass er bereit wäre, dem Europaparlament, im Falle einer Klage, die Aufhebung der Immunität einer/s Abgeordneten vorzuschlagen. Es ist gut möglich, dass der Präsident des Europaparlaments den Beschwerdeführern in diesem Fall direkt geantwortet hat. Wir wissen nur nicht was, es ist geheim.
Suspendierung ist kein Pappenstiel Sollte aber der Präsident des Europäischen Parlaments sich hinreißen lassen, selbst zu urteilen? Wohl eher nicht, so scheint es mir. Wieso kann der Vorsitzende von seinem Pult aus selbst richten und Strafen gegen politische Mandatsträger/innen verhängen, durchaus öffentlich, und ohne viel Drumherum? Nicht geheim oder vertraulich und sehr plötzlich für alle Nichteingeweihte, das heißt für fast alle. Eine vierzehntägige Aussperrung ist nicht eine Ordnungsstrafe nach einem unziemlichen Auftritt oder einem verbalen Ausrutscher. Eine Suspendierung ist für eine/n Mandatsträger/in kein Pappenstiel. Eine derartige Strafe eines Abgeordneten ist immer auch politisch. Gehört es zum Mandat eines Parlamentspräsidenten, Mitglieder zur Rechenschaft zu ziehen in einem Arbeitskonflikt? Wieso ist er berechtigt zu richten und noch vor dem kompetenten Richter eines Rechtsstaates? Versucht er nicht hier einen Streit über das Tun und (Nicht)-Lassen eines
Mitgliedes des Europaparlaments aus dem normalen Verlauf der Dinge heraus zu manövrieren? Der Präsident des Europaparlaments hätte besser getan, die Finger von dieser heißen und faulen Kartoffel zu lassen. Remedur ist angebracht bei einer solchen Prozedur.
Im stillen Kämmerlein
Aussperren geht nicht, sowie auch das Stimmrecht aberkennen nicht geht. Das Mandat ist demokratisch zustande gekommen, und kein Präsident oder Gremium sollte es eigenhändig antasten.
Aber vielleicht verstehe ich einfach nicht genug von dieser Art Causa, da sie ja geheim bleiben müssen ... Trotzdem soll/te ja anscheinend eine Fraktion des Europaparlaments und eine Partei in Luxemburg oder deren interner Weisenrat sich einer Sache annehmen dürfen, obwohl die doch geheim bleiben muss.
Muss eine Fraktion oder Partei beurteilen, sich ihre Meinung machen? Eventuell Konsequenzen ziehen? Selbstverständlich: Ja! Aber doch nicht vor oder an der Stelle eines kompetenten Gerichts, ohne Details zu kennen, im stillen Kämmerlein, im Geheimen. Wenn keine Klage vor Gericht eingereicht wird, gibt es dann eine Ursache, die Sache auf die Spitze zu treiben? Wer kann das wissen, außer den Betroffenen und den kompetenten Mechanismen in unserem Rechtssystem? Allein ein normales Gericht kann das bestimmen. Danach kann natürlich auch der Wähler sein Urteil fällen bei der nächsten Wahl.
Der Präsident des Europaparlaments und seine Weisen, politische Fraktionen und Parteien und ihre Weisen, welche sich hastend und nervös gebären, das ergibt Polemik überall, das liefert als Resultat dann wohl am Ende einen Haufen Mist. Das befürchte zumindest ich, als Immer-Noch-Jurist. Verwirrend vielleicht auch für unseren Herrn Außenminister, meinen früheren Chef, mit dem ein Austausch wohl möglich bleibt, und nicht unbedingt geheim. Alles in allem: Ermutigend für Herrn Lawrow in Moskau, wenn er denn hinhört.
Wieso hat das Europaparlament eine Art interne Justiz geschaffen?
Die Überlebensstrategie
Der Politologe in mir kann sich durchaus an den herausragenden Wert des Prinzips der Gewaltentrennung erinnern, dieser wunderbaren Überlebensstrategie der Demokratie, welche übrigens die gute Überlebensstrategie an sich der Menschheit ist. Montesquieu hat die Karte gezeichnet, zweieinhalb Jahrhunderte später bleibt es an uns, dem vorgezeichneten Weg zu folgen. Und übrigens: Gibt es nicht auch irgendwo diese Idee, dass keiner für den gleichen Tatbestand mehrere Male verurteilt und bestraft werden sollte?
Kann nicht die Rede sein von ziemlich weit verbreiteter und erschütternder Orientierungslosigkeit?
Angesichts dieser verfahrenen und undurchsichtigen Lage könnte sich vielleicht, wenn die Gemüter sich etwas beruhigt haben, in der Schilda-Europaparlaments-Geschichte ein neuer Anlauf rechtfertigen. Im Europaparlament, in Fraktion und Partei und natürlich bei Frau Semedo. Weil Mobbing bestimmt kein Pappenstiel ist.
Was Herrn Nawalny betrifft: Er sitzt zu Unrecht und sollte raus.
Trotz Pandemie ist der Wohnungsbau immer noch die erste Priorität der Menschen in Luxemburg. Dennoch hat Blau-RotGrün das Sorgenkind Nummer eins in unserem Land in die unterste politische Schublade verbannt. An der Wohnungsbaufront tut sich nämlich nichts Neues. Die Lethargie der vergangenen Jahre wird lediglich konsequent fortgesetzt. Mit dieser Logement-Trägheit muss Schluss sein.
Pacte Logement 2.0 ohne Parlament ausgearbeitet
Ein Beispiel für diese müde Wohnungsbaupolitik: Wie es ist zu verstehen, dass die Allzweckmaßnahme Pacte Logement 2.0 dieser Regierung nicht wie geplant 2021 in Kraft tritt? Der entsprechende Gesetzestext wurde noch kein einziges Mal im Wohnungsbauausschuss der Abgeordnetenkammer diskutiert. Der Wohnungsbauminister setzt ausschließlich auf seine eigenen Fachkenntnisse sowie auf die Ratschläge einiger auserwählter Sachkundiger. Der Gesetzgeber wird einfach ignoriert. Bei der Ausarbeitung des ersten Pacte Logement tagte der zuständige Ausschuss immerhin zwölfmal.
Dies hat bei dieser Regierung Methode: Alles im stillen Kämmerlein ausarbeiten oder besser gesagt aus der Öffentlichkeit fernhalten. Dass nur ja keine Kritik aufkommt. Die Abgeordneten, die über die Gesetze zu entscheiden haben, werden derweil zum einfachen Stimmvieh degradiert. So kann Demokratie nicht funktionieren. Hinzu kommt, dass der Pacte Logement 2.0 bereits vor seiner Abstimmung – wann auch immer diese stattfinden wird – fachlich und praktisch zum Rohrkrepierer verdammt ist. Tragisch, aber wahr.
Regierung übergibt Verantwortung an Gemeinden
Und was macht die Regierung? Sie übergibt die Alleinverantwortung – man lese den Schwarzen Peter – für den Wohnungsbau an die Gemeinden. Das grün geführte Wohnungsbauministerium delegiert statt zu handeln. Weil es ist ja so praktisch, im Falle eines Scheiterns auf die Gemeinden zu verweisen. Doch diese Taktik ist nicht neu. Bereits die ehemalige Wohnungsbauministerin Maggy Nagel (DP) hatte die Gemeinden als Hauptverantwortliche für die Schieflage am Wohnungsbaumarkt auserkoren.
Erstaunlich ist allerdings die Kehrtwende sowohl der DP als auch der Grünen zu bezeichnen. Im Jahr 2008, als über das erste Gesetz zum Pacte Logement abgestimmt wurde, hatten die damaligen Oppositionsparteien DP und Déi Gréng wenig Verständnis für dieses Gesetz. Ihrer Meinung nach wurden die Gemeinden damals viel zu sehr in die Pflicht genommen. Das neue Gesetz sieht indes die alleinige Verantwortung der Gemeinden vor. So ändern die Zeiten.
Der Pacte Logement 2.0 hätte ein gutes Gesetz werden können, wenn die Regierung etwas weniger administrative Hürden eingebaut und die Gemeinden als verlässlichen Partner angesehen hätte. Sowohl das Erstellen eines „Programme d’action local – logement“sowie die Hürden beim Ausbezahlen der Zuschüsse an die Gemeinden zeugen nicht von vertrauensvollem Umgang mit den Gemeinden. Und warum bei der Schaffung von erschwinglichem Wohnraum die Bezuschussung nicht zu 100 Prozent erfolgt, bleibt ein Geheimnis des zuständigen Ministers.
Dabei sollte das neue Gesetz eigentlich eine Kehrtwende bringen, um mehr erschwinglichen Wohnraum zu schaffen. Ende 2019 hatte die CSV-Fraktion ein 23-Punkte-Paket vorgestellt. Mit der Aufforderung, in guter zentraler Lage, mit guter Anbindung an den öffentlichen Transport an die Geschäfts- und Berufswelt dichter zu bauen sowie ebenfalls in gleicher Sachlage neues Bauland unter spezifischen Bedingungen auszuweisen, wurden einige CSV-Forderungen aus den vergangenen Jahren in das Gesetz aufgenommen. Immerhin.
Grüne Ideologie verteuert Wohnungsbau
Doch für die Regierung handelt es sich hierbei nur um Lippenbekenntnisse. Die grüne Wohnungsbaupolitik wird weiter von grüner Ideologie beherrscht. Das grüne Umweltministerium sträubt sich weiter mit Händen und Füssen gegen jedwede Perimeter-Erweiterung. Die Fraktion von Déi Gréng unterstützt diese Herangehensweise und moniert immer wieder, den Wohnungsbau nicht gegen die Umwelt auszuspielen. Wir teilen diese Sorge, wenn es um den Erhalt unserer Landschaft und die Klimaschutzziele geht. Wir teilen aber die gleiche Sorge, wenn es um Sozialprobleme geht. Der überteuerte Wohnungsbau und die Suche nach einer geeigneten und erschwinglichen Wohnung ist heute bereits Hauptthema in den Sozialämtern.
Die Preise für Bauland innerhalb des Perimeters erlauben es schlicht und einfach nicht mehr, erschwinglichen Wohnraum zu schaffen. Staat, Gemeinden und öffentliche Bauträger sind aber leider nur zu zehn Prozent Eigentümer des noch verfügbaren Baulandes. Diese Rechnung kann beim Schaffen von erschwinglichem Wohnraum nicht aufgehen. Fakt ist: Ohne Perimeter-Erweiterung ist eine erfolgreiche Logement-Politik unmöglich.
Zukunft der Jugend nicht aufs Spiel setzen
Von den 2 586 Quadratkilometern der Fläche unseres Landes sind zehn Prozent bebaut. Fünf Prozent sind öffentliche Transportwege. 35 Prozent der Landesfläche sind von Wäldern bedeckt und 50 Prozent machen Felder und Wiesen aus. Unserem
Land soll und muss seine landschaftliche und ländliche Prägung erhalten bleiben. Gleichwohl dürfen wir die Zukunft unserer Jugend und der breiten Mittelschicht nicht aufs Spiel setzen.
Aus diesem Grund fordert die CSV zum Beispiel, dass in zentraler Lage verschiedene Grünflächen umklassiert werden müssen. Und dass die Allgemeinheit in den Besitz eines gewissen Anteils dieser Flächen kommt, um erschwinglichen Wohnraum schaffen zu können. Dies alleine reicht aber nicht aus, um der Überteuerung entgegenzuwirken. Auch der private Investor muss verstärkt mit in das soziale Mietboot genommen werden.
Neue Konzepte bei Miet- oder Optionskauf
Um jungen Leuten und Leuten mit bescheidenem Einkommen den Zugang zu erschwinglichem Wohnraum zu erlauben hat die CSV-Fraktion ebenfalls 2019 ein Gesetzprojekt über den Mietoder Optionskauf auf den Instanzenweg gebracht. Leider wurden diese Proposition de loi sowie drei weitere und neun Motionen mir nichts, dir nichts von den Mehrheitsparteien von BlauRot-Grün verworfen. Ohne Gegenargument und Debatte.
Doch unser Land muss sich auch der Wachstumsdebatte stellen. Die Kernfrage ist und bleibt: Welches Wachstum brauchen wir und welches Wachstum wollen wir? Der Baulandvertrag wird von der DP als das Instrument angesehen, das für eine Baupflicht sorgen soll. Laut Syvicol liegt die Hauptverantwortung bei der Umsetzung eines Baulandvertrages erneut bei den Gemeinden. Eine entsprechende Klagewelle wird befürchtet. Erneut hat es den Anschein eines Ablenkungsmanövers. Als wollte die Partei des Premierministers mit dem Instrument des Baulandvertrages versuchen, sich aller Verantwortung in Sachen eventueller Spekulationssteuer auf unbebautem und verfügbarem Bauland zu entledigen.
Regierung in Kernfragen nicht politikfähig
Zunehmend wird klar: Der eigentliche Grund für die oben beschriebene Lethargie ist, dass diese Regierung in Kernfragen zerstritten, ja nicht politikfähig ist. Dies gilt sowohl für die Wachstumsfrage als auch für die Umsetzung eines Wohnungsbauplans. Diese Zerstrittenheit führt zu Stagnation. Und Stagnation besonders beim Kernthema des Wohnungsbaus führt zu einem preistreiberischen Gebaren der Marktteilnehmer. Dies ist wiederum Gift für den sozialen Zusammenhalt und das Wohlbefinden der gesamten Bevölkerung.
Auf was wartet diese Regierung noch? Mit reinen Floskeln, Absichtserklärungen und Schwarzer-Peter-Taktik kommen wir nicht weiter. Handeln ist angesagt. Mit einer langfristigen Strategie statt parteipolitischer Ideologie. Damit der Traum vom Eigenheim möglichst für alle Menschen erreichbar bleibt. Und nicht nur für die „Happy Few“.
Das grün geführte Wohnungsbauministerium delegiert statt zu handeln.