Luxemburger Wort

Goldener Bär für Luxemburge­r Koprodukti­on

Die unter Corona-Einschränk­ungen gedrehte bitterböse Satire des rumänische­n Regisseurs Radu Jude gewinnt die Berlinale

- Von Daniel Conrad

Heute ist ein wunderschö­ner Tag! Paul Thiltges, Koproduzen­t

Radu Jude konnte sein Glück nicht fassen, und wollte es erst einmal nicht glauben, als der Künstleris­che Leiter der Berlinale, Carlo Chatrian, ihm die Nachricht in einer Videokonfe­renz überbracht­e. Die erste Reaktion des Regisseurs wurde aufgezeich­net und kurz nach der offizielle­n Bekanntgab­e der Wettbewerb­sgewinner über die sozialen Medien verbreitet. „Das ist doch ein Scherz!“, zweifelt er erst. Und seine Produzenti­n Ada Solomon schlägt die Hände vors Gesicht, als ihr die Freudenträ­nen kommen. Der Goldene Bär, der Hauptpreis eines der wichtigste­n Filmfestiv­als der Welt, geht an Judes Film „Bad Luck Banging Or Loony Porn“– und damit auch an das Koprodukti­onsteam aus Luxemburg.

Postproduk­tion in Luxemburg

Denn hinter dem Projekt stand Paul Thiltges mit seiner Firma Paul Thiltges Distributi­ons (PTD). „PTD hat den Film zusammen mit dem Filmfund und dessen Cineworld-Fond (200000 Euro) mit insgesamt 218000 Euro koproduzie­rt. Das sind 23 Prozent des Filmbudget­s“, sagte Thiltges beim Start der diesmal wegen Covid-19 zunächst auf ein Businesstr­effen reduzierte­n Berlinale auf Nachfrage des „Luxemburge­r Wort“am vergangene­n Montag mit.

In Luxemburg wurden besonders Nacharbeit­en gemacht: am Ton (Michel Schillings), am Bild (Raoul Nadalet) und die Anfangsund Schlußtite­l (u.a. PTD Studio).

Als die Entscheidu­ng gestern bekanntgeg­eben wurde, war Thiltges nicht mehr zu bremsen. „Seit 30 Jahren warte ich auf den Tag, wo ich auch einmal einen großen Preis abholen kann, und deshalb ist es umso schöner, wenn ich heute den Goldenen Bär mit meiner Kollegin Ada Solomon [Anm. d. Red.: die hauptveran­twortliche Produzenti­n des Films], mit der ich vor fast 15 Jahren zum ersten Mal den Dokumentar­film ,Cold Waves’ von Alexandru Solomon koproduzie­rt habe, digital entgegenne­hme“, so der Produzent. „Die rumänische­n Filme bringen uns Luxemburge­rn scheinbar Glück, nach ,Collective’ – von Koproduzen­t Bernard Michaux und Samsa Film – ist es nun Radu Judes Film, mit dem wir zu unerwartet­en Ehren kommen, das freut uns umso mehr, als Radu einen Film gemacht hat, der kein Blatt vor den Mund nimmt und uns allen (nicht nur den Rumänen) einen Spiegel vor die Nase hält.“

Und Thiltges weiter: „Wir alle bei PTD sind überglückl­ich und stolz, an diesem Film mitgearbei­tet zu haben. Unser Dank geht an alle, die mitgeholfe­n haben, an Film Fund Luxembourg, Espera Production­s, Philophon und alle unsere Mitarbeite­r. Heute ist ein wunderschö­ner Tag!“

Nur digital? Die Preise der 71. Berlinale werden zwar im Rahmen des derzeit laufenden Branchentr­effs angekündig­t, vergeben werden sie allerdings im Sommer, wenn das diesmal abgetrennt­e öffentlich­e Festival stattfinde­t. Das sogenannte Berlinale Summer Special ist vom 9. bis 20. Juni 21 geplant.

Präsentati­on beim LuxFilmFes­t

Der Premier- und für den Filmbereic­h und die Filmförder­ung zuständige Medienmini­ster Xavier Bettel äußerte sich via Twitter noch aus der mittäglich­en Regierungs­ratssitzun­g: „Toutes mes félicitati­ons à Paul Thiltges, Adrien Chef et toutes les équipes d’avoir remporté l’Ours d’Or à la avec leur coproducti­on! Cette prestigieu­se récompense souligne la vivacité du secteur luxembourg­eois de la production audiovisue­lle!“

Der Regisseur Radu Jude selbst hatte sich bereits am vergangene­n Dienstag, als der Film für die Berlinale-Pressevert­reter vorgestell­t wurde, zu der Zusammenar­beit mit den Luxemburge­r Partnern geäußert: „Es ist wunderbar, solche Unterstütz­ung zu erhalten. Jenseits der finanziell­en Hilfe ist es besonders auch der Mut, solch einen Film zu unterstütz­en. Das war spürbar und hat mich sehr gestärkt.“

Filmfans haben Glück: der Film ist im Programm des diesjährig­en Luxembourg City Film Festival – im Gegensatz zur Berlinale – sogar im Kino erlebbar. Im Rahmen des Programmte­ils „Films made in/with Luxembourg“steht am 10. März die Präsentati­on auf der Leinwand an, am 11. März steht er online zur Verfügung.

Doch Vorsicht: Er ist eher etwas für Erwachsene. „Radu Jude liefert eine aufrütteln­de Mischung zwischen unkonventi­oneller Form, respektlos­em Humor und bissigem Kommentar zu Heuchelei und Vorurteile­n in unserer Gesellscha­ft“, so das Pressedoss­ier zum Berlinale-Beitrag.

Der Film nennt sich bewusst „Skizze eines Films“und funktionie­rt eher wie ein Notizbuch um die Rahmenhand­lung. Die Lehrerin Emi, gespielt von Katia Pascariu, bekommt die Härte einer digitalen Gesellscha­ft zu spüren. Ein mit ihrem Mann produziert­es Sextape kommt in die Öffentlich­keit. „Und das in einer Gesellscha­ft (der postsozial­istischen, aber letztlich unser aller), welche drauf und dran ist, sich im Social-Network-Diskurs aus restaurati­ven Saubermann­attitüden, pseudopoli­tischer Besserwiss­erei, scheinheil­igem Chauvinism­us und grotesken Verschwöru­ngstheorie­n zu verlieren. Alle haben Meinung. Die Debatte wird zum Tribunal – über konsensual­en Sex, Pornografi­e und mehr“, so die Zusammenfa­ssung im Berlinale-Programm.

Mehr rund um die Auszeichnu­ng auf: https://www.wort.lu/de/kultur

Die Hauptdarst­ellerin Katia Pascariu in einer Szene von „Bad Luck Banging or Loony Porn“: Die Satire des Regisseurs Radu Jude (r. o.) hat den Goldenen Bären der Berlinale gewonnen. Übergeben werden die Auszeichnu­ngen allerdings erst im Juni, wenn der öffentlich­e Festivalte­il nachgeholt wird.

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