Goldener Bär für Luxemburger Koproduktion
Die unter Corona-Einschränkungen gedrehte bitterböse Satire des rumänischen Regisseurs Radu Jude gewinnt die Berlinale
Heute ist ein wunderschöner Tag! Paul Thiltges, Koproduzent
Radu Jude konnte sein Glück nicht fassen, und wollte es erst einmal nicht glauben, als der Künstlerische Leiter der Berlinale, Carlo Chatrian, ihm die Nachricht in einer Videokonferenz überbrachte. Die erste Reaktion des Regisseurs wurde aufgezeichnet und kurz nach der offiziellen Bekanntgabe der Wettbewerbsgewinner über die sozialen Medien verbreitet. „Das ist doch ein Scherz!“, zweifelt er erst. Und seine Produzentin Ada Solomon schlägt die Hände vors Gesicht, als ihr die Freudentränen kommen. Der Goldene Bär, der Hauptpreis eines der wichtigsten Filmfestivals der Welt, geht an Judes Film „Bad Luck Banging Or Loony Porn“– und damit auch an das Koproduktionsteam aus Luxemburg.
Postproduktion in Luxemburg
Denn hinter dem Projekt stand Paul Thiltges mit seiner Firma Paul Thiltges Distributions (PTD). „PTD hat den Film zusammen mit dem Filmfund und dessen Cineworld-Fond (200000 Euro) mit insgesamt 218000 Euro koproduziert. Das sind 23 Prozent des Filmbudgets“, sagte Thiltges beim Start der diesmal wegen Covid-19 zunächst auf ein Businesstreffen reduzierten Berlinale auf Nachfrage des „Luxemburger Wort“am vergangenen Montag mit.
In Luxemburg wurden besonders Nacharbeiten gemacht: am Ton (Michel Schillings), am Bild (Raoul Nadalet) und die Anfangsund Schlußtitel (u.a. PTD Studio).
Als die Entscheidung gestern bekanntgegeben wurde, war Thiltges nicht mehr zu bremsen. „Seit 30 Jahren warte ich auf den Tag, wo ich auch einmal einen großen Preis abholen kann, und deshalb ist es umso schöner, wenn ich heute den Goldenen Bär mit meiner Kollegin Ada Solomon [Anm. d. Red.: die hauptverantwortliche Produzentin des Films], mit der ich vor fast 15 Jahren zum ersten Mal den Dokumentarfilm ,Cold Waves’ von Alexandru Solomon koproduziert habe, digital entgegennehme“, so der Produzent. „Die rumänischen Filme bringen uns Luxemburgern scheinbar Glück, nach ,Collective’ – von Koproduzent Bernard Michaux und Samsa Film – ist es nun Radu Judes Film, mit dem wir zu unerwarteten Ehren kommen, das freut uns umso mehr, als Radu einen Film gemacht hat, der kein Blatt vor den Mund nimmt und uns allen (nicht nur den Rumänen) einen Spiegel vor die Nase hält.“
Und Thiltges weiter: „Wir alle bei PTD sind überglücklich und stolz, an diesem Film mitgearbeitet zu haben. Unser Dank geht an alle, die mitgeholfen haben, an Film Fund Luxembourg, Espera Productions, Philophon und alle unsere Mitarbeiter. Heute ist ein wunderschöner Tag!“
Nur digital? Die Preise der 71. Berlinale werden zwar im Rahmen des derzeit laufenden Branchentreffs angekündigt, vergeben werden sie allerdings im Sommer, wenn das diesmal abgetrennte öffentliche Festival stattfindet. Das sogenannte Berlinale Summer Special ist vom 9. bis 20. Juni 21 geplant.
Präsentation beim LuxFilmFest
Der Premier- und für den Filmbereich und die Filmförderung zuständige Medienminister Xavier Bettel äußerte sich via Twitter noch aus der mittäglichen Regierungsratssitzung: „Toutes mes félicitations à Paul Thiltges, Adrien Chef et toutes les équipes d’avoir remporté l’Ours d’Or à la avec leur coproduction! Cette prestigieuse récompense souligne la vivacité du secteur luxembourgeois de la production audiovisuelle!“
Der Regisseur Radu Jude selbst hatte sich bereits am vergangenen Dienstag, als der Film für die Berlinale-Pressevertreter vorgestellt wurde, zu der Zusammenarbeit mit den Luxemburger Partnern geäußert: „Es ist wunderbar, solche Unterstützung zu erhalten. Jenseits der finanziellen Hilfe ist es besonders auch der Mut, solch einen Film zu unterstützen. Das war spürbar und hat mich sehr gestärkt.“
Filmfans haben Glück: der Film ist im Programm des diesjährigen Luxembourg City Film Festival – im Gegensatz zur Berlinale – sogar im Kino erlebbar. Im Rahmen des Programmteils „Films made in/with Luxembourg“steht am 10. März die Präsentation auf der Leinwand an, am 11. März steht er online zur Verfügung.
Doch Vorsicht: Er ist eher etwas für Erwachsene. „Radu Jude liefert eine aufrüttelnde Mischung zwischen unkonventioneller Form, respektlosem Humor und bissigem Kommentar zu Heuchelei und Vorurteilen in unserer Gesellschaft“, so das Pressedossier zum Berlinale-Beitrag.
Der Film nennt sich bewusst „Skizze eines Films“und funktioniert eher wie ein Notizbuch um die Rahmenhandlung. Die Lehrerin Emi, gespielt von Katia Pascariu, bekommt die Härte einer digitalen Gesellschaft zu spüren. Ein mit ihrem Mann produziertes Sextape kommt in die Öffentlichkeit. „Und das in einer Gesellschaft (der postsozialistischen, aber letztlich unser aller), welche drauf und dran ist, sich im Social-Network-Diskurs aus restaurativen Saubermannattitüden, pseudopolitischer Besserwisserei, scheinheiligem Chauvinismus und grotesken Verschwörungstheorien zu verlieren. Alle haben Meinung. Die Debatte wird zum Tribunal – über konsensualen Sex, Pornografie und mehr“, so die Zusammenfassung im Berlinale-Programm.
Mehr rund um die Auszeichnung auf: https://www.wort.lu/de/kultur
Die Hauptdarstellerin Katia Pascariu in einer Szene von „Bad Luck Banging or Loony Porn“: Die Satire des Regisseurs Radu Jude (r. o.) hat den Goldenen Bären der Berlinale gewonnen. Übergeben werden die Auszeichnungen allerdings erst im Juni, wenn der öffentliche Festivalteil nachgeholt wird.