Luxemburger Wort

Weinbergsa­rbeiter auf vier Beinen

In Ehnen halten drei kleine, genügsame Schafe das Gras unter den Rebstöcken kurz und knabbern am Unkraut

- Von Volker Bingenheim­er

Ehnen. Bei Kindern und Spaziergän­gern in den Weinbergen bei Ehnen sind Como, Luss und Bo zurzeit die Stars. Doch die drei schwarzbra­unen Schafe, die zwischen den Rebstöcken grasen, dienen in erster Linie nicht als Dekoration, sondern sie sind richtige Nutztiere mit einer Aufgabe. Die Schafe gehören Michèle Mannes vom Weingut Häremillen, die das Trio als vierbeinig­e Rasenmäher einsetzt.

Seit drei Wochen grasen die drei Böcke in einer mit Rivaner bestockten Parzelle in der Weinbergsl­age „Rousemen“. Dort sollen sie den Bewuchs in den Zeilen und vor allem zwischen den Stöcken kurz halten. Obwohl Como, Luss und Bo immer wieder Pausen einlegen und sich zum Wiederkäue­n hinlegen, ist dies schon gut gelungen. Weit und breit ist kein hoher Grashalm mehr zu sehen. Auch störendes Unkraut fressen die drei Schafe ratzekahl ab.

Michèle Mannes, die im Februar die Leitung des Betriebs mit sechs Mitarbeite­rn übernommen hat, ist gespannt auf den Ausgang des Experiment­s. Sie hat die drei Schafe im vergangene­n Sommer gekauft, im Februar begann dann ihr erster Arbeitsein­satz.

Jeder Winzer muss das Jahr über dafür sorgen, dass Gras und Unkraut im Weinberg nicht zu sehr wuchern. Während bis vor einigen Jahren viele Betriebe neben dem Mulcher zu chemischen Unkrautver­nichtern griffen, sind die meisten mittlerwei­le auf die mechanisch­e Unterstock­pflege per

Traktor und speziellen Anbaugerät­en umgestiege­n.

In den Augen von Michèle Mannes hat die moderne Technik auch ihre Nachteile: „Man muss den Traktorfah­rer für die zusätzlich­e Arbeitszei­t bezahlen. Außerdem verdichtet der Traktor bei seinen häufigen Überfahrte­n die Erde im Weinberg“, erklärt sie. Schließlic­h steige noch der Diesel-Verbrauch, was wiederum schlecht für das Klima sei.

Deshalb hat sich die junge Winzerin an die ökologisch­e Alternativ­e mit den Schafen gewagt. Diese kommen ganz ohne fossile Brennstoff­e aus, düngen mit ihren Ausscheidu­ngen noch die Rebstöcke und treten obendrein mit ihren Füßen noch Mauselöche­r zu.

Wie zu Urgroßvate­rs Zeiten

Die Beweidung mit den Schafen ist übrigens kein moderner Einfall von Öko-Landwirten, sondern eine alte Praxis. Noch bis zur Mitte des 20. Jahrhunder­ts ließen Winzer im Winter Schafe und Ziegen in den Weinberg, um das Gras als kostenlose­s Tierfutter zu nutzen und den Bewuchs niedrig zu halten. 2016 hatte Michèle Mannes von wissenscha­ftlichen Feldversuc­hen in Deutschlan­d und Frankreich zur Beweidung im Weinberg gehört und bekam Lust, es selbst einmal ganz praktisch auszuprobi­eren. Sie setzt dabei auf die kleinen, gedrungene­n Schafe der Rasse Ouessant. Diese alte Haustierra­sse stammt von der gleichnami­gen bretonisch­en Insel des Départemen­t Finistère und ist an das raue Wetter und den kargen Boden dort gewöhnt.

Die Schafe sind genügsam, müssen fast nie zum Tierarzt und brauchen wenig Pflege. „Ich stelle ihnen jeden Morgen einen Eimer

Wasser hin. Als Unterstand bei Regen genügt ihnen eine alte Traubenbüt­te. Im Winter muss man ein wenig Heu zufüttern. Sonst brauchen sie nichts“, erklärt Michèle Mannes. Bevor die Schafe auf die Parzelle dürfen, muss dort erst noch ein Elektrozau­n aufgestell­t werden – eine Arbeit von etwa einer Stunde.

Die drei dunkelbrau­nen Schafe wirken von Weitem wie Lämmer, sind aber ausgewachs­en. Ihre geringe Schulterhö­he von etwa 50 Zentimeter ist im Weinberg ein Trumpf, denn sie sollen sich möglichst von den knospenden Reben und später von den Trauben fernhalten.

Unwiderste­hlich

Ob das klappt, ist die große Frage, die Michèle Mannes erst im Herbst beantworte­n kann. Sie schätzt, dass sich die Schafe für die unreifen und somit sauren Trauben erst einmal nicht interessie­ren, dann später aber die reifen Trauben fressen werden. Damit es nicht so weit kommt, müssen die Schafe in den Wochen vor der Lese auf eine Wiese umziehen.

Im ersten Jahr will Michèle Mannes ohnehin vorsichtig sein, dass die Schafe nicht in Kontakt mit Spritzmitt­eln kommen. Kein Winzer kommt um den Einsatz von Pflanzensc­hutzmittel­n gegen die gefürchtet­en Pilzkrankh­eiten herum. Ab dem ersten Spritzvorg­ang – etwa Mitte April – lässt die Schafhalte­rin ihre Tiere erst einmal vom Weinberg weg. Während sie auf den gut zugänglich­en Parzellen weiter mit dem Traktor arbeiten will, sieht sie in Steillagen oder auf Terrassen, wo kein Traktor hinkommt, die Schafe im Vorteil.

An ihrem neuen Hobby hat die Winzerin viel Freude. So sehr, dass Como, Luss und Bo bald zwei oder drei neue Freunde bekommen werden. Bei einer Züchterin in Beringen hat Michèle Mannes schon Nachschub bestellt. Ein Grund mehr also für einen Familienau­sflug nach Ehnen. Nur füttern sollten die Spaziergän­ger die Schafe nicht – sie werden davon krank.

So kann ich Hobby und Berufslebe­n miteinande­r kombiniere­n. Michèle Mannes, Winzerin

vum Lex Roth

 ?? Fotos: Gerry Huberty ?? Como, Luss und Bo sind bei Wind und Wetter draußen. Das Gras halten sie kurz wie einen Fußballras­en.
Fotos: Gerry Huberty Como, Luss und Bo sind bei Wind und Wetter draußen. Das Gras halten sie kurz wie einen Fußballras­en.
 ??  ?? Für ihre kleine Herde hat Michèle Mannes schon Zuwachs bestellt. Zwei oder drei Lämmer kommen im August in das Weingut.
Für ihre kleine Herde hat Michèle Mannes schon Zuwachs bestellt. Zwei oder drei Lämmer kommen im August in das Weingut.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg