PAnDEmIE-PArADox In MADrID
Die spanische Hauptstadt zieht als „Party-Oase“coronamüde Touristen zu Tausenden an – trotz hoher Infektionszahlen
MADrID. Für den Weg ins „Paradies“benötigte Julie nur eine Stunde und 15 Minuten. So lange dauerte der Flug von ihrer Heimatstadt Toulouse in Frankreich nach Madrid. „Hier können wir endlich wieder wirklich leben und Fröhlichkeit tanken, das ist paradiesisch“, sagt die 23-Jährige in einer Bar des Madrider Stadtteils Chamberí mit breitem Lächeln und leuchtenden Augen, bevor sie noch einen Schluck Bier nimmt. Ihre Freundin Anne nickt zustimmend.
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Man sieht und hört sie dieser Tage nicht nur in Chamberí, sondern fast überall in der spanischen Hauptstadt: coronamüde Europäer, die zu Tausenden nach Madrid strömen, um der Tristesse und den Einschränkungen in der Heimat zu entkommen. Denn während in Toulouse, Luxemburg, Brüssel und fast ganz Europa Corona-Lockdown herrscht, dürfen hier nicht nur Restaurants und Kneipen Gäste empfangen. Auch Kinos, Museen und andere Freizeiteinrichtungen dürfen öffnen.
Madrid ist eine „Party-Oase“geworden, „eine Insel im Meer der Restriktionen in den europäischen Metropolen“, wie die Zeitung „El País“schrieb. Und dem Lockruf erliegen vor allem Franzosen. Schon im Januar haben sie die langjährigen Spitzenreiter der spanischen Besucherliste überholt. Mehr als 117 000 waren es laut Statistikbehörde INE – und nur gut 51 000 Deutsche sowie 23 000 Briten. Oft sind es Landsleute, die Reisen schon für 150 Euro organisieren. Flug, Unterkunft mit Vollpension – und oft auch eine (illegale) Party inklusive. Madrids Polizei teilte mit, man habe am Wochenende 442 illegale Feiern aufgelöst – eine Rekordzahl.
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Während in Frankreich eine Ausgangssperre ab 18 Uhr gilt, muss man in Madrid erst um 23 Uhr wieder zu Hause sein. Und während andernorts über Verlängerungen und Verschärfungen von Restriktionen diskutiert wird, erwägt man in Madrid nun sogar eine Aufhebung der nächtlichen Ausgehsperre. „Das ist unser erstes Ziel für die nächsten Tage“, sagte Vize-Regionalpräsident Ignacio Aguado.
Aber wieso darf sich Madrid das alles leisten? Ist die Corona-Lage dort inzwischen so gut? Im Gegenteil!
Mit 120 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner binnen sieben Tagen steht Madrid so schlecht da wie keine andere der 17 „Autonomen Gemeinschaften“Spaniens.
In Madrid, wo Regionalpräsidentin Isabel Díaz Ayuso zur Heldin der Gastronomen, Unternehmer und des Party-Volks avanciert, sieht man das derweil aus einer anderen Perspektive. Mit dem soften Kurs habe man die Sieben-Tage-Inzidenz, die Ende Januar noch bei deutlich über 400 lag, schnell runtergedrückt, ohne ein Ladensterben wie in anderen Regionen erleiden zu müssen.
AnGEspAnntE NErvEn
Doch Díaz Ayuso sorgt mit ihrem Kurs nicht nur für Begeisterung. Denn obwohl sie weit bessere Zahlen als Madrid haben, leiden die Regionen Valencia, Murcia oder die Balearen mit Mallorca (die alle Sieben-Tage-Inzidenzen von 30 bis 35 haben) unter dem Lockdown oder zum Teil auch regionalen Absperrungen.
Dass die Nerven in Corona-Zeiten besonders angespannt sind, wissen auch Julie und ihre Freunde. Schüchtern werden sie nur, als sie nach einem Foto gefragt werden. „Für einen Zeitungsbericht? Lieber nicht. Wir wollen daheim nicht als böse Lockdown-Brecher geoutet werden.“dpa