Im Nest eingelebt
Visite auf dem Militärflugplatz Melsbroek, dem Zuhause des A400M
Etwas kühl und ziemlich dunkel ist es schon noch, auf den Straßen von Luxemburg-Stadt herrscht größtenteils gespenstische Ruhe. Gegen 6 Uhr setzt sich der Kleinbus der Armee in Bewegung. Es geht vom Sitz des Etat-Major in der Route d'Esch zur Fliegerbasis Melsbroek, nordöstlich der belgischen Hauptstadt Brüssel. Nachdem der Termin mehrfach verschoben werden musste, können wir uns heute endlich davon überzeugen, ob sich der luxemburgische Militärflieger A400M und seine Besatzung gut an ihrem neuen Standort eingelebt haben. Am 7. Oktober 2020 war der Koloss, aus dem AirbusWerk in Sevilla kommend, für einen kurzen Zwischenstopp auf dem Flughafen Findel gelandet, um zwei Tage später in Richtung Melsbroek abzuheben.
Die Anreise verläuft ohne Zwischenfälle. Wer mit einem offiziellen Fahrzeug der Armee unterwegs ist, wird am Grenzübergang Sterpenich nicht herausgewunken und daraufhin kontrolliert, ob er einen triftigen Grund für die Einreise hat. Die ausgefüllten Ehrerklärungen bleiben also ungezückt. Ein negativer Corona-Test war ohnehin nicht nötig, weder für die Einreise ins benachbarte Königreich, noch um Zugang zur Fliegerbasis zu erhalten.
In Melsbroek angekommen fällt erst einmal auf, dass es sich nicht um eine abgelegene Militärbasis handelt. Sie befindet sich nämlich in direkter Nachbarschaft zum zivilen Flughafen Zaventem. Wenn man dann die administrativen Räumlichkeiten betritt, kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die aus den 1960er- und 1970er-Jahren stammenden Gebäude bereits bessere Tage gesehen haben. Diese sollen demnächst „verschoben“werden und an ihrer Stelle ein Neubau entstehen. Zudem werden ein Flugsimulator und ein neuer Hangar von der Fläche von zwei Fußballfeldern gebaut, in dem drei A400M Platz finden.
Zu stören scheint die eher karge Umgebung die luxemburgischen Piloten indes nicht. Zumindest nicht Gilles, einer von vier luxemburgischen Piloten, die Teil der binationalen Flotte zwischen Belgien und Luxemburg sind und der uns den luxemburgischen A400M präsentiert und von seinen Erlebnissen berichtet. Eigentlich hätte auch einer der beiden luxemburgischen Loadmaster anwesend sein sollen, aber Mission und Urlaub gehen nachvollziehbarerweise vor.
Gilles hat sein Basistraining absolviert. Darüber hinaus verfügt der Luxemburger noch nicht über besonders viel Erfahrung mit dem A400M, er hat bislang vor allem das Vorgängermodell C-130 Hercules geflogen. Auch Maschinen dieses Typs sind in Melsbroek stationiert, der Größenunterschied ist bereits von Weitem eklatant. Damit die Piloten den richtigen Umgang mit dem A400M erlernen können, mussten erst einmal die Ausbilder ausgebildet werden. Nun sammeln auch die Piloten nach und nach immer mehr praktische Erfahrung.
Englisch, Flämisch und Französisch „Wir trauen uns im Moment noch nicht sehr weit zu fliegen“, erklärt Gilles. Wenn es zu technischen Problemen käme, müssten Flugingenieure die Maschine an den Computer anschließen, um den Fehler zu ermitteln. Theoretisch reichen zwei Piloten, um den A400M zu fliegen, in der Praxis sind jedoch stets zwei Loadmaster dabei. Die Teams setzen sich aus Belgiern und Luxemburgern zusammen, die sowohl mit der luxemburgischen als auch mit den belgischen Maschinen im Einsatz sind.
Eigentlich ist die Kommunikationssprache Englisch, es werde aber ebenfalls viel Französisch gesprochen. „Einer von uns kann auch bereits perfekt Flämisch und wir anderen verstehen es. Normalerweise sagen wir zu den Belgiern einfach, dass sie die Sprache sprechen können, die sie wollen.“Da die luxemburgischen Soldaten die Ausbildung zusammen mit ihren belgischen Kollegen absolviert haben, gebe es überhaupt keine Akzeptanzprobleme.
Während wir über die Landebahn in Richtung des A400M gehen, wird einer von mittlerweile zwei gelieferten belgischen A400M beladen. Bei der ersten echten Mission werden zwei Motoren für defekte F-16-Kampfflugzeuge nach Jordanien geflogen. „Eigentlich sollten es sechs Motoren sein, aber es konnten nur zwei repariert werden. In die C-130 hätten wir nur zwei Motoren bekommen, deswegen haben wir uns für den A400M entschieden. Doch auch wenn es jetzt nur zwei statt sechs sind, bleiben wir dabei.“Später hebt die Maschine mit luxemburgischem Co-Piloten problemlos Richtung Jordanien ab.
Erst einmal nehmen wir aber im Cockpit des luxemburgischen A400M Platz. So oft erhält man diese Möglichkeit als Zivilist ja nicht. Während des Gesprächs lässt das eine oder andere Piepen einen zwischenzeitlich befürchten, dass man versehentlich einen der gefühlt 7 000 Knöpfe gedrückt hat, doch das entspannte Grinsen des Fachmannes sorgt schnell für Entspannung.
Angesichts der komplexen Technik ist es wenig verwunderlich, dass man den Koloss nicht einfach mal wie ein Auto inner
halb weniger Sekunden in Gang setzt. Zwei Stunden vor Abflug trifft die Crew am Flugplatz ein und arbeitet eine vom Hersteller Airbus ausgearbeitete Checkliste ab. Dieser Prozess soll sich im Lauf der Zeit noch verkürzen.
Die Mission hat Vorrang
Was die Einsatzzeiten betrifft, liegt die maximale Flugzeit bei elf Stunden, 13 wenn man die Vorbereitung mit einrechnet. Hier orientiere man sich an zivilen Standards, wobei im Zweifelsfall die Erfüllung der Mission Vorrang habe. „Am Ende trifft der Pilot die Entscheidung, denn er kann die Situation am besten einschätzen.“Wie in allen anderen Berufen hat die Covid–19-Pandemie auch den Arbeitsalltag der Piloten stark beeinflusst. „Wir haben oft Menschen mit Corona-Symptomen abgeholt. Bei Zwischenstopps haben wir aus Sicherheitsgründen in Zelten geschlafen, das Essen wurde uns vor die Tür gestellt.“
Dass er aus Sicherheitsbedenken auf einen Einsatz verzichten würde, kann sich Gilles nicht vorstellen. „Das Training gibt einem Sicherheit und wir gehen auch nicht dahin, wo es brennt.“Zudem werde die Landezone stets abgesichert und der A400M verfügt über ein gepanzertes Cockpit mitsamt schusssicheren Fenstern sowie Täuschkörper gegen Raketenbeschuss.
Gegen 12 Uhr geht es dann wieder zurück nach Luxemburg, natürlich mit dem Bus. Im A400M wäre dann doch etwas zu viel überschüssiger Platz gewesen.