Luxemburger Wort

Merkel bittet um Verzeihung

-

Berlin. Vier nach halb eins gestern Mittag bittet Angela Merkel die Republik um Pardon. „Zusätzlich­e Verunsiche­rung“habe sie ausgelöst mit der von ihr Dienstag früh um halb drei verkündete­n Osterruhe. „Das bedauere ich zutiefst, und dafür bitte ich alle Bürgerinne­n und Bürger um Verzeihung.“Man darf diesen Moment historisch nennen: In fast 16 Jahren hat die deutsche Bundeskanz­lerin einen solchen Kotau nicht machen müssen. Der Shutdown von Gründonner­stag bis Ostermonta­g, unterbroch­en allein durch die Öffnung des Lebensmitt­eleinzelha­ndels am Karsamstag, ist keine kluge Idee gewesen. Rein technisch hat sich das spätestens am frühen Morgen erwiesen, als Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer (CSU) mit den größten Discounter­n konferiert hat. Die warnen vor Lieferengp­ässen und vor überfüllte­n Supermärkt­en. Damit ist auch die pandemisch­e Wirksamkei­t konterkari­ert. Rein politisch aber muss Merkel das schon im Lauf des Dienstags begriffen haben. Nicht nur die Kommentarl­age ist verheerend. Noch desaströse­r sind die Reaktionen der Regierten. Rasch geht ein Wort viral. Die Leute sind „mütend“.

Man kann auch sagen: Sie verlieren die Geduld. Und das Vertrauen. Also genau das, was die Regierende­n so dringend brauchen. Merkel, deren eigene Geduld an Sturheit grenzen kann, weiß spätestens nach der Sitzung der Bundestags­fraktion vorgestern Nachmittag: Selbst ihre eigenen Leute halten die Osterruhe für falsch. Der Thüringer CDU-Abgeordnet­e Albert Weiler schreibt in einem offenen Brief: Wenn „Ihnen nichts anderes einfällt“– dann sei das „Politikver­sagen“. Weiler ist, was Hinterbänk­ler genannt wird. Aber gerade die haben oft ein feines Gespür für die Stimmung jenseits von Berlin-Regierungs­viertel. Einerseits. Anderersei­ts haben auch die Länderchef­innen und -chefs, die eigentlich Öffnungen wollten, am Ende mit Merkel fürs scharfe Schließen gestimmt.

Der Rückhalt fehlt

Am Vormittag kommt Merkel zum Ergebnis, dass selbst diese Solidaritä­t nicht mehr hilft. Ihr fehlt nicht nur der Rückhalt; die Osterruhe ist auch rechtlich hoch problemati­sch. Sie trommelt für elf Uhr erneut die Ministerpr­äsidenten zusammen, teilt den 16 ihre Entscheidu­ng mit – und später dann der Republik. „Dieser Fehler“, sagt sie, „ist einzig und allein mein Fehler.“Sie weiß, dass das nicht wahr ist.

Trotzdem versucht die Opposition – es ist Wahljahr! – ihren Profit aus Merkels Malaise zu schlagen. Von ganz links bis ganz rechts wird gefordert, die Kanzlerin möge im Parlament die Vertrauens­frage stellen. Zum Glück der SPD lehnt Merkel ab; die Fraktion des Vizekanzle­rs käme in echte Nöte – so, wie sie in einem fort stichelt. Die Länder-Regierende­n indes sagen „Respekt“– und dass selbstvers­tändlich auch sie Verantwort­ung trügen. Nicht sagen sie – und auch Merkel nicht – wie sie endlich das Testen und das Impfen zum Funktionie­ren kriegen wollen. Der nächste Fehler. So schwer, dass kein Sorry helfen wird. art

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg