Baustellen inspirieren zur Kunst
Julien Hübsch erforscht mit seinen Installationen die Abstraktion und versucht, Vergänglichkeit und Wandel einzufangen
Markierungsbänder, Spanngurte, Keramikfliesen, Stahlstangen, Konstruktionskleber, Kunststofffolien, Fahrbahntrenner – ein Vokabular, das uns vielleicht nicht so geläufig ist. Aber diese Begriffe geben Dingen einen Namen, denen wir täglich, vor allem an Straßenbaustellen, begegnen; obwohl wir aber auch leicht darüber hinwegsehen. Nicht so der Künstler Julien Hübsch, der seine Installationen eben gerade auch aus solchen Elementen wie Baustellenüberbleibseln zusammengestellt hat. Er zeigt seine Werke derzeit unter dem Ausstellungstitel „Chantier abstrait / to be continued“im Walferdinger Kulturzentrum CAW.
In Luxemburg wird vieles gebaut, vieles verschwindet auch wieder, fällt also der Abrissbirne zum Opfer; und gerade diese Werden und Wachsen, aber auch dessen Vergänglichkeit in dem permanenten Wandel von Straßennetz und bebauter Landschaft versucht der Künstler mit seinen Installationen künstlerisch einzufangen. Das ist ein Statement; denn Julien Hübsch gibt damit auch den stummen Baustellen das Wort – er bringt sie zum Sprechen. „Es gibt immer irgendwo Baustellen, vor allem im urbanen Milieu; und die enthalten ein unglaublich ästhetisches Potenzial. Besonders, wenn sie nach Feierabend verlassen sind oder an Wochenenden ruhen“, wird der Künstler im Begleitheft zur Ausstellung zitiert. Anstatt die gängigen Materialien des künstlerischen Ausdrucks – Pinsel, Farbe, Leinwand – zu nutzen, hat sich Julien Hübsch an den vergessenen und liegengebliebenen Konstruktionsmaterialien und Baustoffen reichlich bedient. Alle seine Installationen sind insofern auch das Ergebnis eines Upcyclings, einer Wiederverwertung.
Die Fahrbahntrenner aus leuchtendrotem Plastik, die mit zunehmendem Alter unter dem Einfluss der Witterung leicht verblassen, werden zu merkwürdigen Objekten und beleben natürlich auch den Raum, was wiederum Spannung erzeugt. Denn ursprünglich waren vor allem diese Fahrbahntrenner raumgebende Elemente einer Baustelle. Dem Besucher der Kunstgalerie werden insofern Räume im Entstehen offenbart – „Chantier abstrait / to be continued“heißt nicht von ungefähr diese Ausstellung.
Natürlich ist man mit diesen Werken weit entfernt von den figurativen, postexpressionistischen
Gemälden, die Julien Hübsch noch vor etwa acht Jahren gemalt hat. Der 26-Jährige hat seitdem einen beträchtlichen künstlerischen Weg zurückgelegt. Nach seinem Abitur am Lycée des Garçons in Esch/Alzette studierte er an der BauhausUniversität in Weimar und setzt derzeit sein Studium an der Kunsthochschule in Mainz fort. Im Jahr 2015 gewann er den Förderpreis der achten Biennale für zeitgenössische Kunst der Gemeinde Strassen. Mehrere seiner Werke befinden sich in den Sammlungen der Museen der Stadt Luxemburg, der Stadt Esch/Alzette sowie des Kulturministeriums.
Julien Hübsch hat in der Tufa in Trier, in der Galerie Beim Engel in der Hauptstadt, in der Galerie Schlassgoart in Esch/Alzette, sowie in der Maison Mousset und im Bâtiment 4 ebenfalls in Esch/Alzette ausgestellt, seine Werke sind auch mehrmals ausgewählt worden vom Cercle Artistique Luxembourg für dessen Salons in den Jahren 2016, 2019 und 2020. An der Kunsthochschule in Mainz hat der Künstler zuletzt seine Installationen gezeigt, dort unter dem Titel „attracted by abstractions / fin des travaux le ...“. Ab Juli bis August 2021 wird man dann seine Arbeiten bei der „Triennale Jeune Création
2021“im Casino Centre d'Art Contemporain in Luxemburg sehen, die diesmal – ganz passend zur Pandemie – unter dem dystopischen Titel „Brave New World Order“laufen wird.
Julien Hübsch erforscht also zunehmend die Abstraktion und hat zudem ein kleines Faible für die Farbe Blau, die natürlich Ruhe ausstrahlt, etwa die blauen Neonröhren, die in seinen Installationen ein Gegenpart zu den Warnlichtern der Baustellen und den roten Raumteilern bilden.
Fanny Weinquin, Kuratorin der Ausstellung, zeigt im Begleitheft auf wiederkehrende Motive hin, eine Art Signatur des Künstlers. Sie erinnern an die „Tags“der Graffiti-Szene, die ja auch oft auf Baustellen und vor allem in der urbanen Welt ihre Kunstwerke hinterlässt. Julien Hübsch sieht sich zwar nicht Teil der Graffiti-Bewegung, will aber doch einige deren Muster und Codes anwenden und ist genauso wie die Sprayer an den verlassenen Orten im urbanen Raum besonders interessiert.
Es gibt immer irgendwo Baustellen, vor allem im urbanen Milieu; und die enthalten ein unglaublich ästhetisches Potenzial. Julien Hübsch
Julien Hübsch „Chantier abstrait / to be continued“noch bis zum 28. März im CAW, 5, Route de Diekirch in Walferdingen. Geöffnet donnerstags und freitags von 15 bis 19 Uhr, samstags und sonntags von 14 bis 18 Uhr.