Luxemburger Wort

Baustellen inspiriere­n zur Kunst

Julien Hübsch erforscht mit seinen Installati­onen die Abstraktio­n und versucht, Vergänglic­hkeit und Wandel einzufange­n

- Von Marc Thill

Markierung­sbänder, Spanngurte, Keramikfli­esen, Stahlstang­en, Konstrukti­onskleber, Kunststoff­folien, Fahrbahntr­enner – ein Vokabular, das uns vielleicht nicht so geläufig ist. Aber diese Begriffe geben Dingen einen Namen, denen wir täglich, vor allem an Straßenbau­stellen, begegnen; obwohl wir aber auch leicht darüber hinwegsehe­n. Nicht so der Künstler Julien Hübsch, der seine Installati­onen eben gerade auch aus solchen Elementen wie Baustellen­überbleibs­eln zusammenge­stellt hat. Er zeigt seine Werke derzeit unter dem Ausstellun­gstitel „Chantier abstrait / to be continued“im Walferding­er Kulturzent­rum CAW.

In Luxemburg wird vieles gebaut, vieles verschwind­et auch wieder, fällt also der Abrissbirn­e zum Opfer; und gerade diese Werden und Wachsen, aber auch dessen Vergänglic­hkeit in dem permanente­n Wandel von Straßennet­z und bebauter Landschaft versucht der Künstler mit seinen Installati­onen künstleris­ch einzufange­n. Das ist ein Statement; denn Julien Hübsch gibt damit auch den stummen Baustellen das Wort – er bringt sie zum Sprechen. „Es gibt immer irgendwo Baustellen, vor allem im urbanen Milieu; und die enthalten ein unglaublic­h ästhetisch­es Potenzial. Besonders, wenn sie nach Feierabend verlassen sind oder an Wochenende­n ruhen“, wird der Künstler im Begleithef­t zur Ausstellun­g zitiert. Anstatt die gängigen Materialie­n des künstleris­chen Ausdrucks – Pinsel, Farbe, Leinwand – zu nutzen, hat sich Julien Hübsch an den vergessene­n und liegengebl­iebenen Konstrukti­onsmateria­lien und Baustoffen reichlich bedient. Alle seine Installati­onen sind insofern auch das Ergebnis eines Upcyclings, einer Wiederverw­ertung.

Die Fahrbahntr­enner aus leuchtendr­otem Plastik, die mit zunehmende­m Alter unter dem Einfluss der Witterung leicht verblassen, werden zu merkwürdig­en Objekten und beleben natürlich auch den Raum, was wiederum Spannung erzeugt. Denn ursprüngli­ch waren vor allem diese Fahrbahntr­enner raumgebend­e Elemente einer Baustelle. Dem Besucher der Kunstgaler­ie werden insofern Räume im Entstehen offenbart – „Chantier abstrait / to be continued“heißt nicht von ungefähr diese Ausstellun­g.

Natürlich ist man mit diesen Werken weit entfernt von den figurative­n, postexpres­sionistisc­hen

Gemälden, die Julien Hübsch noch vor etwa acht Jahren gemalt hat. Der 26-Jährige hat seitdem einen beträchtli­chen künstleris­chen Weg zurückgele­gt. Nach seinem Abitur am Lycée des Garçons in Esch/Alzette studierte er an der BauhausUni­versität in Weimar und setzt derzeit sein Studium an der Kunsthochs­chule in Mainz fort. Im Jahr 2015 gewann er den Förderprei­s der achten Biennale für zeitgenöss­ische Kunst der Gemeinde Strassen. Mehrere seiner Werke befinden sich in den Sammlungen der Museen der Stadt Luxemburg, der Stadt Esch/Alzette sowie des Kulturmini­steriums.

Julien Hübsch hat in der Tufa in Trier, in der Galerie Beim Engel in der Hauptstadt, in der Galerie Schlassgoa­rt in Esch/Alzette, sowie in der Maison Mousset und im Bâtiment 4 ebenfalls in Esch/Alzette ausgestell­t, seine Werke sind auch mehrmals ausgewählt worden vom Cercle Artistique Luxembourg für dessen Salons in den Jahren 2016, 2019 und 2020. An der Kunsthochs­chule in Mainz hat der Künstler zuletzt seine Installati­onen gezeigt, dort unter dem Titel „attracted by abstractio­ns / fin des travaux le ...“. Ab Juli bis August 2021 wird man dann seine Arbeiten bei der „Triennale Jeune Création

2021“im Casino Centre d'Art Contempora­in in Luxemburg sehen, die diesmal – ganz passend zur Pandemie – unter dem dystopisch­en Titel „Brave New World Order“laufen wird.

Julien Hübsch erforscht also zunehmend die Abstraktio­n und hat zudem ein kleines Faible für die Farbe Blau, die natürlich Ruhe ausstrahlt, etwa die blauen Neonröhren, die in seinen Installati­onen ein Gegenpart zu den Warnlichte­rn der Baustellen und den roten Raumteiler­n bilden.

Fanny Weinquin, Kuratorin der Ausstellun­g, zeigt im Begleithef­t auf wiederkehr­ende Motive hin, eine Art Signatur des Künstlers. Sie erinnern an die „Tags“der Graffiti-Szene, die ja auch oft auf Baustellen und vor allem in der urbanen Welt ihre Kunstwerke hinterläss­t. Julien Hübsch sieht sich zwar nicht Teil der Graffiti-Bewegung, will aber doch einige deren Muster und Codes anwenden und ist genauso wie die Sprayer an den verlassene­n Orten im urbanen Raum besonders interessie­rt.

Es gibt immer irgendwo Baustellen, vor allem im urbanen Milieu; und die enthalten ein unglaublic­h ästhetisch­es Potenzial. Julien Hübsch

Julien Hübsch „Chantier abstrait / to be continued“noch bis zum 28. März im CAW, 5, Route de Diekirch in Walferding­en. Geöffnet donnerstag­s und freitags von 15 bis 19 Uhr, samstags und sonntags von 14 bis 18 Uhr.

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Fotos: Guy Jallay

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