Angezählt
Für Juni geplante Volkszählung wird womöglich verschoben, über ihren Zweck wird debattiert
Luxemburg. Alle zehn Jahre wird in Luxemburg im großen Stil gezählt. Auch dieses Jahr steht wieder eine Volkszählung an. Am 1. Juni soll es losgehen – eigentlich. Denn noch scheint unklar, ob die Erhebung wie vorgesehen über die Bühne gehen kann. Ein wichtiger Faktor bei der Volkszählung ist nämlich der persönliche Kontakt der sogenannten „Recenseurs“mit der Bevölkerung, und genau das gestaltet sich in Corona-Zeiten schwierig. Aus diesem Grund fordert das Gemeindesyndikat Syvicol nun, dass die Erhebung auf den Herbst verschoben wird.
„Der Zeitpunkt für eine Volkszählung ist schlecht, es ist nicht sehr glücklich, jetzt bei fremden Menschen zu klingeln“, so Emile Eicher (CSV). Der Syvicol-Präsident hatte sich vergangene Woche bei einer Plenarsitzung im Parlament an Wirtschaftsminister Franz Fayot (LSAP) gewandt: „Der Minister versteht unser Anliegen und versucht, die Volkszählung auf Ende Oktober, Anfang November zu verlegen“, so Eicher.
Erhebung zunehmend digital
Unabhängig von Corona wird sich die Volkszählung in diesem Jahr aber ohnehin vermehrt ins Internet verlagern. Demnach wird sämtlichen Bewohner zwischen dem 1. und dem 20. Juni ein Online-Fragebogen zugestellt. Wer diesen nicht beantwortet oder auf „normalem“Weg teilnehmen will, erhält dann vom 14. Juni an einen Papier-Fragebogen. „Eigentlich wären die Post und ihre Briefträger prädestiniert, um diese Briefe auszutragen“, findet Emile Eicher. Das Statistikamt Statec, verantwortlich für die Durchführung der Volkszählung, hatte dem Syvicol gegenüber aber erklärt, dass die Volkszähler die Situation vor Ort besser kennen würden und die Zustellung übernehmen sollten. „Das ist Unsinn. Ich denke, dass die Briefträger besser wissen, wer wo wohnt“, betont der Syvicol-Präsident.
Volkszähler gesucht
Die Gemeinden spielen folglich eine große Rolle bei der Volkszählung. Sie müssen die Volkszähler anwerben und schließlich auf ihrem Gemeindegebiet einsetzen, wobei die Kommunen zum Teil sehr unterschiedlich vorgehen. In Esch/Alzette etwa kann man auf einen Pool von Personen zurückgreifen, die einfach traditionell bei der Volkszählung dabei sind. Diese Menschen werden nun kontaktiert, wie Bürgermeister Georges Mischo erklärt. Etwa 30 „Recenseurs“würden aber noch gesucht.
In Düdelingen versucht man, das Problem zu umgehen, indem man Gemeindearbeiter und -beamte als Volkszähler engagieren möchte. „Wir haben diese Personen nun angeschrieben. Außerdem versuchen wir, die Volkszähler in ihren eigenen Stadtvierteln einzusetzen“, erklärt Düdelingens Bürgermeister Dan Biancalana.
Bezahlt werden die Agenten vom Staat. Sie erhalten 1,2 Euro pro gezählte Person, einen Euro pro Gebäude und 1,5 Euro pro Wohnung. Diese Entschädigungen befinden sich seit 2001 auf demselben Niveau. Auch das ist eine Tatsache, die der Syvicol anprangert. Deshalb fordert das Gemeindesyndikat, dass der Staat diese Beträge anpasst. Den Gemeinden steht es aber frei, diese Entschädigung auf eigene Kosten zu erhöhen. Der Gemeinderat Düdelingen hat vor Kurzem solch einer Erhöhung zugestimmt. Die Gemeinde zahlt die Summe, die vom Statec überwiesen wird, noch einmal obendrauf.
Die Frage nach dem Sinn
An die Diskussion um die Organisation schließt sich aber noch eine andere an, nämlich die zum Sinn und Zweck einer Volkszählung – vor allem, da im Jahr 2021 nicht mehr die klassischen Fragen nach Nationalität, Geburtsland oder Familienstand abgefragt werden. Diese demografischen Daten sind ohnehin im nationalen Personenregister zu finden.
Vielmehr werden heute Fragen über die Zusammenstellung des Haushaltes, den Status auf dem Arbeitsmarkt, die Ausbildung, das Thema Mobilität, die gesprochenen Sprachen, das Leben mit einem Handicap oder über die Wohnsituation der Bürger gestellt.
Neben dem statistischen Wert hat die Volkszählung aber vor allem auch eine gesetzliche Daseinsberechtigung: Anhand der gesammelten Daten wird die Anzahl der Gemeinderatsmitglieder für die einzelnen Kommunen ermittelt. Die Volkszählung hat also einen richtungsweisenden Charakter für die Gemeindewahlen 2023.
Nur zwölf von 28 Ländern dabei
Der Syvicol fordert nun, dass die Volkszählung nicht mehr ausschlaggebend sein soll für die Festlegung dieser Zahl, sondern das nationale Personenverzeichnis RNPP (Registre national des personnes physiques). Dafür müsse es eine Änderung des Gemeindegesetzes geben. Die Daten des RNPP seien darüber hinaus „zuverlässiger als eine Studie“, schreibt der Syvicol in einer Stellungnahme.
Darüber hinaus stellt sich Emile Eicher die Frage, inwiefern eine Volkszählung, die durch ein EUReglement vorgesehen ist, aber in vielen Ländern gar nicht stattfindet, überhaupt noch sinngemäß ist. Im Jahr 2011 haben nur zwölf von 28 EU-Ländern eine Volkszählung organisiert. Die letzte offizielle Zahl für Luxemburg stammt von Ende 2019. Sie lag damals bei 626 108 Einwohnern.
Die nächste Volkszählung soll im Jahr 2031 stattfinden. Die Vorgehensweise sollte bis dahin noch einmal überdacht werden, rät Eicher: „Wir müssen uns etwas überlegen, denn die digitale Entwicklung geht mit großen Schritten voran.“
Der Zeitpunkt für eine Volkszählung ist schlecht. Emile Eicher, Syvicol-Präsident