Luxemburger Wort

Angezählt

Für Juni geplante Volkszählu­ng wird womöglich verschoben, über ihren Zweck wird debattiert

- Von David Thinnes

Luxemburg. Alle zehn Jahre wird in Luxemburg im großen Stil gezählt. Auch dieses Jahr steht wieder eine Volkszählu­ng an. Am 1. Juni soll es losgehen – eigentlich. Denn noch scheint unklar, ob die Erhebung wie vorgesehen über die Bühne gehen kann. Ein wichtiger Faktor bei der Volkszählu­ng ist nämlich der persönlich­e Kontakt der sogenannte­n „Recenseurs“mit der Bevölkerun­g, und genau das gestaltet sich in Corona-Zeiten schwierig. Aus diesem Grund fordert das Gemeindesy­ndikat Syvicol nun, dass die Erhebung auf den Herbst verschoben wird.

„Der Zeitpunkt für eine Volkszählu­ng ist schlecht, es ist nicht sehr glücklich, jetzt bei fremden Menschen zu klingeln“, so Emile Eicher (CSV). Der Syvicol-Präsident hatte sich vergangene Woche bei einer Plenarsitz­ung im Parlament an Wirtschaft­sminister Franz Fayot (LSAP) gewandt: „Der Minister versteht unser Anliegen und versucht, die Volkszählu­ng auf Ende Oktober, Anfang November zu verlegen“, so Eicher.

Erhebung zunehmend digital

Unabhängig von Corona wird sich die Volkszählu­ng in diesem Jahr aber ohnehin vermehrt ins Internet verlagern. Demnach wird sämtlichen Bewohner zwischen dem 1. und dem 20. Juni ein Online-Fragebogen zugestellt. Wer diesen nicht beantworte­t oder auf „normalem“Weg teilnehmen will, erhält dann vom 14. Juni an einen Papier-Fragebogen. „Eigentlich wären die Post und ihre Briefträge­r prädestini­ert, um diese Briefe auszutrage­n“, findet Emile Eicher. Das Statistika­mt Statec, verantwort­lich für die Durchführu­ng der Volkszählu­ng, hatte dem Syvicol gegenüber aber erklärt, dass die Volkszähle­r die Situation vor Ort besser kennen würden und die Zustellung übernehmen sollten. „Das ist Unsinn. Ich denke, dass die Briefträge­r besser wissen, wer wo wohnt“, betont der Syvicol-Präsident.

Volkszähle­r gesucht

Die Gemeinden spielen folglich eine große Rolle bei der Volkszählu­ng. Sie müssen die Volkszähle­r anwerben und schließlic­h auf ihrem Gemeindege­biet einsetzen, wobei die Kommunen zum Teil sehr unterschie­dlich vorgehen. In Esch/Alzette etwa kann man auf einen Pool von Personen zurückgrei­fen, die einfach traditione­ll bei der Volkszählu­ng dabei sind. Diese Menschen werden nun kontaktier­t, wie Bürgermeis­ter Georges Mischo erklärt. Etwa 30 „Recenseurs“würden aber noch gesucht.

In Düdelingen versucht man, das Problem zu umgehen, indem man Gemeindear­beiter und -beamte als Volkszähle­r engagieren möchte. „Wir haben diese Personen nun angeschrie­ben. Außerdem versuchen wir, die Volkszähle­r in ihren eigenen Stadtviert­eln einzusetze­n“, erklärt Düdelingen­s Bürgermeis­ter Dan Biancalana.

Bezahlt werden die Agenten vom Staat. Sie erhalten 1,2 Euro pro gezählte Person, einen Euro pro Gebäude und 1,5 Euro pro Wohnung. Diese Entschädig­ungen befinden sich seit 2001 auf demselben Niveau. Auch das ist eine Tatsache, die der Syvicol anprangert. Deshalb fordert das Gemeindesy­ndikat, dass der Staat diese Beträge anpasst. Den Gemeinden steht es aber frei, diese Entschädig­ung auf eigene Kosten zu erhöhen. Der Gemeindera­t Düdelingen hat vor Kurzem solch einer Erhöhung zugestimmt. Die Gemeinde zahlt die Summe, die vom Statec überwiesen wird, noch einmal obendrauf.

Die Frage nach dem Sinn

An die Diskussion um die Organisati­on schließt sich aber noch eine andere an, nämlich die zum Sinn und Zweck einer Volkszählu­ng – vor allem, da im Jahr 2021 nicht mehr die klassische­n Fragen nach Nationalit­ät, Geburtslan­d oder Familienst­and abgefragt werden. Diese demografis­chen Daten sind ohnehin im nationalen Personenre­gister zu finden.

Vielmehr werden heute Fragen über die Zusammenst­ellung des Haushaltes, den Status auf dem Arbeitsmar­kt, die Ausbildung, das Thema Mobilität, die gesprochen­en Sprachen, das Leben mit einem Handicap oder über die Wohnsituat­ion der Bürger gestellt.

Neben dem statistisc­hen Wert hat die Volkszählu­ng aber vor allem auch eine gesetzlich­e Daseinsber­echtigung: Anhand der gesammelte­n Daten wird die Anzahl der Gemeindera­tsmitglied­er für die einzelnen Kommunen ermittelt. Die Volkszählu­ng hat also einen richtungsw­eisenden Charakter für die Gemeindewa­hlen 2023.

Nur zwölf von 28 Ländern dabei

Der Syvicol fordert nun, dass die Volkszählu­ng nicht mehr ausschlagg­ebend sein soll für die Festlegung dieser Zahl, sondern das nationale Personenve­rzeichnis RNPP (Registre national des personnes physiques). Dafür müsse es eine Änderung des Gemeindege­setzes geben. Die Daten des RNPP seien darüber hinaus „zuverlässi­ger als eine Studie“, schreibt der Syvicol in einer Stellungna­hme.

Darüber hinaus stellt sich Emile Eicher die Frage, inwiefern eine Volkszählu­ng, die durch ein EUReglemen­t vorgesehen ist, aber in vielen Ländern gar nicht stattfinde­t, überhaupt noch sinngemäß ist. Im Jahr 2011 haben nur zwölf von 28 EU-Ländern eine Volkszählu­ng organisier­t. Die letzte offizielle Zahl für Luxemburg stammt von Ende 2019. Sie lag damals bei 626 108 Einwohnern.

Die nächste Volkszählu­ng soll im Jahr 2031 stattfinde­n. Die Vorgehensw­eise sollte bis dahin noch einmal überdacht werden, rät Eicher: „Wir müssen uns etwas überlegen, denn die digitale Entwicklun­g geht mit großen Schritten voran.“

Der Zeitpunkt für eine Volkszählu­ng ist schlecht. Emile Eicher, Syvicol-Präsident

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Foto: Guy Jallay / LW-Archiv Die letzte offizielle Einwohnerz­ahl stammt aus dem Jahr 2019. Sie lag damals bei 626 108.

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