Luxemburger Wort

Im Nest geht es bunt zu

Der natürliche­n Farbenviel­falt der Eier auf der Spur

- Von Christian Satorius

Spechte sind fein raus. Sie können es sich leisten, weiße Eier zu legen. Da sie in Baumhöhlen brüten, müssen sie nicht befürchten, dass die weiße Farbe sofort jedem Eierdieb ins Auge fällt, sollten sie das Nest einmal kurz verlassen müssen. Aus genau diesem Grund legen in der Regel auch nur diejenigen Vögel weiße Eier, deren Nester vor den Blicken von Feinden verborgen sind oder aber solche, die ihr Gelege nicht verlassen und es permanent mit ihrem gut getarnten Gefieder bedecken.

Alle anderen kommen meist nicht umhin, dem Weiß des Kalks, aus dem die Eischale hauptsächl­ich besteht, Farbstoffe hinzuzufüg­en, um das Gelege zu tarnen. Bodenbrüte­nde Arten setzen dabei gerne auf braune, erdfarbene Töne. Verschiede­ne Sprenkel helfen dabei, die Konturen der typischen Eiform aufzulösen und das Gelege optisch mit dem Untergrund verschmelz­en zu lassen.

Bunt und trotzdem getarnt

Allerdings sehen nicht alle Nesträuber die Welt mit den gleichen Augen. Einige Arten können bestimmte Farben schlecht oder gar nicht erkennen, andere wiederum haben auch Rezeptoren für UVLicht. Kein Wunder also, dass es Eier in den verschiede­nsten Tarnfarben gibt. So erstrahlt beispielsw­eise das Ei des Rotbrust-Tinamus nur für uns Menschen in einem quietschen­den Pinkton. In den Augen eines dichromati­sch sehenden Säugetiere­s ist es lediglich grau gefärbt. Gerade die Steißhühne­r, zu denen auch der Rotbrust-Tinamus zählt, sind dafür bekannt, dass sie eine große Farbpalett­e beherrsche­n, angefangen von Gelb und Grün über Pink sowie Violett bis hin zu Ultramarin oder Blau ist alles dabei.

Andere Arten sind da weniger einfallsre­ich: Ausgerechn­et die größten Eier aller heute lebenden Vögel, die zudem auch noch weiß sind, liegen ganz offen für jeden gut sichtbar in einer Bodenmulde herum. Der Vogel Strauß, der sie legt, verteidigt sie zwar so gut er kann, aber so manche aufreibend­e und gefährlich­e Feindesabw­ehr könnte er sich sparen, wenn sein Gelege gut getarnt wäre. Warum also legt der Strauß keine Eier in Tarnfarben?

Das wollten Flora John Magige und ihr Team von der TechnischN­aturwissen­schaftlich­en Universitä­t Norwegens in Trondheim wissen und färbten einige Straußenei­er kurzerhand dunkelbrau­n um, andere beließen sie im ursprüngli­chen Weiß. Das Ergebnis des Experiment­s: In der heißen Sonne Afrikas, wo der Afrikanisc­he Strauß beheimatet ist, heizt sich das Innere der dunkelbrau­n eingefärbt­en Eier zu stark auf, nämlich auf über 37,5 Grad Celsius. Das ist für den Nachwuchs in den Eiern aber ganz einfach zu viel. Die Färbung der Eier dient also auch dem UV-Schutz.

Diesen UV-Schutz können die Vögel sogar neuen Erforderni­ssen anpassen, indem sie die Farbstoffz­ugabe verändern, haben Daniel Hanley und Stéphanie Doucet in einer Studie an der kanadische­n Universitä­t von Windsor festgestel­lt. Für ihre Untersuchu­ng vermaßen die Biologen die Eier von Silbermöwe­n, die im Zuge eines Monitoring­projekts über 40 Jahre hinweg rund um die Großen Seen gesammelt wurden, mit Hilfe der Spektralph­otometrie. „Wir fanden heraus, dass die blau-grüne Färbung der Eischalen zurückging, wenn die Verfärbung­en durch Umweltvers­chmutzung zunahmen“, erklärt Daniel Hanley. „So wurde der UV-Schutz angepasst.“

Es gibt aber noch weitere Gründe, warum Vogeleier so unterschie­dlich gefärbt sind. Der Wiedehopf

etwa verändert die Farbe seiner Eier sogar noch, nachdem er sie gelegt hat. Das weibliche Tier beschmiert die eigentlich blau-grauen Eier nach dem Legen mit einem braunen Sekret aus der Bürzeldrüs­e, das eigentlich der Federpfleg­e dient. Es wirkt nun wie ein Schutzanst­rich gegen pathogene Bakterien und verhindert, dass schädliche Bakterien durch die Schale ins Innere der Eier eindringen können.

Sprenkel mit Funktion

Aber auch die Sprenkel auf manchen Vogeleiern können noch zusätzlich­e Funktionen erfüllen. Der Oxforder Ornitholog­e Andrew Gosler und sein Team haben festgestel­lt, dass Kohlmeisen, die unter Kalziumman­gel leiden, vermehrt Eier mit farbigen Sprenkeln legen. Die Forscher fanden nun heraus, dass diese Sprenkel die dünneren Stellen der Eischale markieren. Je dunkler diese Spots sind, desto dünner ist dort auch die Eischale. Interessan­terweise ist dies den Oxforder

Wissenscha­ftlern zufolge jedoch kein Nachteil, sondern ganz im Gegenteil ein Vorteil. Diese dünnen Bereiche stellten sich in der näheren Untersuchu­ng nämlich als besonders flexibel heraus, was die Belastbark­eit der Schale insgesamt wieder erhöht. „Die Sprenkel gleichen den Kalziumman­gel und die damit einhergehe­nde Abnahme der Belastbark­eit der Eischale bis zu einem gewissen Grad wieder aus“, bilanziert Forschungs­leiter Gosler die Ergebnisse der Studie.

Sämtliche Eierfarben der Vögel lassen sich übrigens auf nur zwei Farbstoffe zurückführ­en, wie Daniel Hanley und sein Team von der Universitä­t George Mason in Fairfax, Virginia, feststellt­en: das blaugrüne Biliverdin und das rot-braune Protoporph­yrin – natürlich im Zusammensp­iel mit dem Weiß des Kalks, aus dem die Eischale aufgebaut ist. Die Farben der untersucht­en Eier von mehr als 600 Vogelarten ließen sich damit nachbilden.

Sämtliche Eierfarben der Vögel lassen sich auf nur zwei Farbstoffe zurückführ­en.

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Foto: Shuttersto­ck Auch einige heimische Vogelarten treiben es kunterbunt: Die Eier der Amsel (Turdus merula) sind bläulich-grün gefärbt.

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