Im Nest geht es bunt zu
Der natürlichen Farbenvielfalt der Eier auf der Spur
Spechte sind fein raus. Sie können es sich leisten, weiße Eier zu legen. Da sie in Baumhöhlen brüten, müssen sie nicht befürchten, dass die weiße Farbe sofort jedem Eierdieb ins Auge fällt, sollten sie das Nest einmal kurz verlassen müssen. Aus genau diesem Grund legen in der Regel auch nur diejenigen Vögel weiße Eier, deren Nester vor den Blicken von Feinden verborgen sind oder aber solche, die ihr Gelege nicht verlassen und es permanent mit ihrem gut getarnten Gefieder bedecken.
Alle anderen kommen meist nicht umhin, dem Weiß des Kalks, aus dem die Eischale hauptsächlich besteht, Farbstoffe hinzuzufügen, um das Gelege zu tarnen. Bodenbrütende Arten setzen dabei gerne auf braune, erdfarbene Töne. Verschiedene Sprenkel helfen dabei, die Konturen der typischen Eiform aufzulösen und das Gelege optisch mit dem Untergrund verschmelzen zu lassen.
Bunt und trotzdem getarnt
Allerdings sehen nicht alle Nesträuber die Welt mit den gleichen Augen. Einige Arten können bestimmte Farben schlecht oder gar nicht erkennen, andere wiederum haben auch Rezeptoren für UVLicht. Kein Wunder also, dass es Eier in den verschiedensten Tarnfarben gibt. So erstrahlt beispielsweise das Ei des Rotbrust-Tinamus nur für uns Menschen in einem quietschenden Pinkton. In den Augen eines dichromatisch sehenden Säugetieres ist es lediglich grau gefärbt. Gerade die Steißhühner, zu denen auch der Rotbrust-Tinamus zählt, sind dafür bekannt, dass sie eine große Farbpalette beherrschen, angefangen von Gelb und Grün über Pink sowie Violett bis hin zu Ultramarin oder Blau ist alles dabei.
Andere Arten sind da weniger einfallsreich: Ausgerechnet die größten Eier aller heute lebenden Vögel, die zudem auch noch weiß sind, liegen ganz offen für jeden gut sichtbar in einer Bodenmulde herum. Der Vogel Strauß, der sie legt, verteidigt sie zwar so gut er kann, aber so manche aufreibende und gefährliche Feindesabwehr könnte er sich sparen, wenn sein Gelege gut getarnt wäre. Warum also legt der Strauß keine Eier in Tarnfarben?
Das wollten Flora John Magige und ihr Team von der TechnischNaturwissenschaftlichen Universität Norwegens in Trondheim wissen und färbten einige Straußeneier kurzerhand dunkelbraun um, andere beließen sie im ursprünglichen Weiß. Das Ergebnis des Experiments: In der heißen Sonne Afrikas, wo der Afrikanische Strauß beheimatet ist, heizt sich das Innere der dunkelbraun eingefärbten Eier zu stark auf, nämlich auf über 37,5 Grad Celsius. Das ist für den Nachwuchs in den Eiern aber ganz einfach zu viel. Die Färbung der Eier dient also auch dem UV-Schutz.
Diesen UV-Schutz können die Vögel sogar neuen Erfordernissen anpassen, indem sie die Farbstoffzugabe verändern, haben Daniel Hanley und Stéphanie Doucet in einer Studie an der kanadischen Universität von Windsor festgestellt. Für ihre Untersuchung vermaßen die Biologen die Eier von Silbermöwen, die im Zuge eines Monitoringprojekts über 40 Jahre hinweg rund um die Großen Seen gesammelt wurden, mit Hilfe der Spektralphotometrie. „Wir fanden heraus, dass die blau-grüne Färbung der Eischalen zurückging, wenn die Verfärbungen durch Umweltverschmutzung zunahmen“, erklärt Daniel Hanley. „So wurde der UV-Schutz angepasst.“
Es gibt aber noch weitere Gründe, warum Vogeleier so unterschiedlich gefärbt sind. Der Wiedehopf
etwa verändert die Farbe seiner Eier sogar noch, nachdem er sie gelegt hat. Das weibliche Tier beschmiert die eigentlich blau-grauen Eier nach dem Legen mit einem braunen Sekret aus der Bürzeldrüse, das eigentlich der Federpflege dient. Es wirkt nun wie ein Schutzanstrich gegen pathogene Bakterien und verhindert, dass schädliche Bakterien durch die Schale ins Innere der Eier eindringen können.
Sprenkel mit Funktion
Aber auch die Sprenkel auf manchen Vogeleiern können noch zusätzliche Funktionen erfüllen. Der Oxforder Ornithologe Andrew Gosler und sein Team haben festgestellt, dass Kohlmeisen, die unter Kalziummangel leiden, vermehrt Eier mit farbigen Sprenkeln legen. Die Forscher fanden nun heraus, dass diese Sprenkel die dünneren Stellen der Eischale markieren. Je dunkler diese Spots sind, desto dünner ist dort auch die Eischale. Interessanterweise ist dies den Oxforder
Wissenschaftlern zufolge jedoch kein Nachteil, sondern ganz im Gegenteil ein Vorteil. Diese dünnen Bereiche stellten sich in der näheren Untersuchung nämlich als besonders flexibel heraus, was die Belastbarkeit der Schale insgesamt wieder erhöht. „Die Sprenkel gleichen den Kalziummangel und die damit einhergehende Abnahme der Belastbarkeit der Eischale bis zu einem gewissen Grad wieder aus“, bilanziert Forschungsleiter Gosler die Ergebnisse der Studie.
Sämtliche Eierfarben der Vögel lassen sich übrigens auf nur zwei Farbstoffe zurückführen, wie Daniel Hanley und sein Team von der Universität George Mason in Fairfax, Virginia, feststellten: das blaugrüne Biliverdin und das rot-braune Protoporphyrin – natürlich im Zusammenspiel mit dem Weiß des Kalks, aus dem die Eischale aufgebaut ist. Die Farben der untersuchten Eier von mehr als 600 Vogelarten ließen sich damit nachbilden.
Sämtliche Eierfarben der Vögel lassen sich auf nur zwei Farbstoffe zurückführen.