Zwischen Fakt und Fiktion
Das Lëtzebuerg City Museum geht mit der Ausstellung „Gleef dat net...!“Verschwörungstheorien auf den Grund
Das hauptstädtische Geschichtsmuseum ist ein Krisengewinner. Die Leihausstellung über die Verschwörungstheorien war bereits für das vergangene Jahr geplant, wobei dann aber wegen des Lockdowns im Frühjahr die Lastwagen mit den Ausstellungsobjekten des deutschen Partnermuseums Kloster Dalheim nicht heranfahren konnten. Hierauf wurde umdisponiert und das Verschwörungsdenken wird nun erst ein Thema im Museum, wobei aber – dank Corona – ein ganz neuer und vor allem ein sehr aktueller Bezug hinzugekommen ist – die Pandemie. Sie ist tatsächlich ein gefundenes Fressen für Verschwörungstheoretiker aus aller Welt, auch aus Luxemburg, wie die Ausstellung „Gleef dat net...! deutlich macht.
„Verschwörungstheorien sind mal ernst, mal heiter und auch manchmal sehr skurril“, sagt Dr. Gaby Sonnabend, die Kuratorin der Ausstellung, und führt durch den ersten Ausstellungsraum. Er gibt Überblick über aktuelle Verschwörungstheorien von den sogenannten Chemtrails, den von Flugzeugen in ihren Kondensstreifen angeblich verbreiteten chemischen Klimakillern, über die „gefakte“Mondlandung aus dem Filmstudio, den Skeptikern der Zahnpasta, die glauben, darin seien Giftstoffe enthalten, den Strich-CodeTheoretikern
und Anhängern von Alu-Hüten bis hin zum „9/11“Attentat, das nach Ansicht einiger nicht von Al Kaida sondern von ganz anderen verübt wurde. Ein besonders ausdrucksstarkes Ausstellungsobjekt ist dabei ein verbrannter und zerbeulter Aufzugsmotor aus einem der beiden Türme des World-Trade-Centers, der diese Katastrophe greifbar macht.
Verschwörungstheorien gibt es viele, und sie kursieren wahrscheinlich seit Menschenbestehen, haben nun aber mit dem Ausbruch der Covid-19-Pandemie und den dagegen getroffenen Maßnahmen wieder enormen Auftrieb bekommen. „Der Ursprung von allen diesem Irrglauben ist eigentlich das verlorene Vertrauen und die Zweifel der Menschen in das, was ihnen einst Halt gegeben hat, die Medien, die Obrigkeiten“, betont die Kuratorin. „Auffallend dabei auch: Wer an eine solcher Theorien glaubt, ist gleich auch für andere sehr empfänglich.“Damit in diesem Spannungsfeld von Fakt und Fiktion der Ausstellungsbesucher nicht auch noch den Norden verliert, sind die Behauptungen der Verschwörer in Pinkfarbe geschrieben, derweil die Erklärungen und Widerlegungen in weißer Schrift vermerkt sind.
Mit Corona und vielen Beispielen aus Luxemburg hat man die Leihausstellung aktuell bereichert. Die Impf- und Maskengegner, die
Corona-Leugner sind natürlich dabei, auch die, die glauben, Bill Gates wolle den Menschen mit der Impfung einen Mikrochip einpflanzen, und natürlich QAnon. Man fragt sich, wie all diese Skeptiker und Querdenker immer wieder zusammenfinden, um plötzlich auch in der Menge sichtbar zu werden. Wie kommt es, dass plötzlich die Luxemburger Stadt verklebt ist mit Abziehbilder der Maskengegner oder derjenigen, die befürchten, Premierminister Bettel sei bereits Bill Gates hörig?
Hexenverbrennung, Judenverfolgung
Verschwörungstheorien sind beileibe kein neues Phänomen. In der Geschichte der Menschheit tauchen sie immer wieder auf, und manche Schuldzuweisungen bestehen über Jahrhunderte hinweg, bis heute. In einer historischen Perspektive untersucht die Ausstellung insofern Entstehung, Funktionsweise und Ausbreitung von Verschwörungstheorien und stellt sie in chronologischer Reihenfolge, allerdings in entgegengesetzter Richtung, von der Neuzeit bis ins Mittelalter dar.
Religiöse Minderheiten wie die Juden und später auch die vermeintlichen „Hexen“galten als Verbündete des Teufels, die dem Christentum Schaden zufügen wollten. Die Geheimbünde der Freimaurer und Illuminaten wurden als Drahtzieher der politischen und sozialen Umwälzungen diffamiert. Und auch in der jüngeren Geschichte vereinnahmten politische Ideologien den Verschwörungsglauben: Während die Nazis eine jüdische Weltverschwörung propagierten, nutzten die stalinistische Sowjetunion die Angst vor angeblichen Verrätern als Instrument des Machterhalts. Und während des Kalten Krieges verdächtigte man auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs den Gegner subversiver Aktionen, was in den USA eine starke Ausprägung in der von Senator McCarthy befeuerten „Roten Angst“fand.
Ein letzter Saal der Ausstellung widmet sich den spezifisch luxemburgischen Beispielen, die in der Festung des 18. Jahrhunderts mit der „Pulververschwörung“erstmals nachweislich eingesetzt haben und sich in jüngerer Zeit auf angebliche Machenschaften am Finanzplatz beziehen, etwa mit der „Clearstream-Affäre“. Auch der Tod von Staatsminister Paul Eysche ist ein Thema sowie die Behauptung, Luxemburg existiere nicht und sei nur ein Konstrukt der Finanzwelt.
Die Mechanismen sind stets die selben: Mächtige und geheime Gruppen führen Böses im Schilde und wollen was verbergen. Kuratorin Dr. Gaby Sonnabend
Geöffnet dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr, donnerstags bis 20 Uhr, Eintritt 5 Euro, reduziert 3 Euro, gratis bis 21 Jahre und jeden Donnerstag zwischen 18 und 20 Uhr. Der Ausstellungskatalog, 304 Seiten mit zahlreichen Abbildungen in Farbe, kostet 29,90 Euro.