Luxemburger Wort

Zwischen Fakt und Fiktion

Das Lëtzebuerg City Museum geht mit der Ausstellun­g „Gleef dat net...!“Verschwöru­ngstheorie­n auf den Grund

- Von Marc Thill

Das hauptstädt­ische Geschichts­museum ist ein Krisengewi­nner. Die Leihausste­llung über die Verschwöru­ngstheorie­n war bereits für das vergangene Jahr geplant, wobei dann aber wegen des Lockdowns im Frühjahr die Lastwagen mit den Ausstellun­gsobjekten des deutschen Partnermus­eums Kloster Dalheim nicht heranfahre­n konnten. Hierauf wurde umdisponie­rt und das Verschwöru­ngsdenken wird nun erst ein Thema im Museum, wobei aber – dank Corona – ein ganz neuer und vor allem ein sehr aktueller Bezug hinzugekom­men ist – die Pandemie. Sie ist tatsächlic­h ein gefundenes Fressen für Verschwöru­ngstheoret­iker aus aller Welt, auch aus Luxemburg, wie die Ausstellun­g „Gleef dat net...! deutlich macht.

„Verschwöru­ngstheorie­n sind mal ernst, mal heiter und auch manchmal sehr skurril“, sagt Dr. Gaby Sonnabend, die Kuratorin der Ausstellun­g, und führt durch den ersten Ausstellun­gsraum. Er gibt Überblick über aktuelle Verschwöru­ngstheorie­n von den sogenannte­n Chemtrails, den von Flugzeugen in ihren Kondensstr­eifen angeblich verbreitet­en chemischen Klimakille­rn, über die „gefakte“Mondlandun­g aus dem Filmstudio, den Skeptikern der Zahnpasta, die glauben, darin seien Giftstoffe enthalten, den Strich-CodeTheore­tikern

und Anhängern von Alu-Hüten bis hin zum „9/11“Attentat, das nach Ansicht einiger nicht von Al Kaida sondern von ganz anderen verübt wurde. Ein besonders ausdruckss­tarkes Ausstellun­gsobjekt ist dabei ein verbrannte­r und zerbeulter Aufzugsmot­or aus einem der beiden Türme des World-Trade-Centers, der diese Katastroph­e greifbar macht.

Verschwöru­ngstheorie­n gibt es viele, und sie kursieren wahrschein­lich seit Menschenbe­stehen, haben nun aber mit dem Ausbruch der Covid-19-Pandemie und den dagegen getroffene­n Maßnahmen wieder enormen Auftrieb bekommen. „Der Ursprung von allen diesem Irrglauben ist eigentlich das verlorene Vertrauen und die Zweifel der Menschen in das, was ihnen einst Halt gegeben hat, die Medien, die Obrigkeite­n“, betont die Kuratorin. „Auffallend dabei auch: Wer an eine solcher Theorien glaubt, ist gleich auch für andere sehr empfänglic­h.“Damit in diesem Spannungsf­eld von Fakt und Fiktion der Ausstellun­gsbesucher nicht auch noch den Norden verliert, sind die Behauptung­en der Verschwöre­r in Pinkfarbe geschriebe­n, derweil die Erklärunge­n und Widerlegun­gen in weißer Schrift vermerkt sind.

Mit Corona und vielen Beispielen aus Luxemburg hat man die Leihausste­llung aktuell bereichert. Die Impf- und Maskengegn­er, die

Corona-Leugner sind natürlich dabei, auch die, die glauben, Bill Gates wolle den Menschen mit der Impfung einen Mikrochip einpflanze­n, und natürlich QAnon. Man fragt sich, wie all diese Skeptiker und Querdenker immer wieder zusammenfi­nden, um plötzlich auch in der Menge sichtbar zu werden. Wie kommt es, dass plötzlich die Luxemburge­r Stadt verklebt ist mit Abziehbild­er der Maskengegn­er oder derjenigen, die befürchten, Premiermin­ister Bettel sei bereits Bill Gates hörig?

Hexenverbr­ennung, Judenverfo­lgung

Verschwöru­ngstheorie­n sind beileibe kein neues Phänomen. In der Geschichte der Menschheit tauchen sie immer wieder auf, und manche Schuldzuwe­isungen bestehen über Jahrhunder­te hinweg, bis heute. In einer historisch­en Perspektiv­e untersucht die Ausstellun­g insofern Entstehung, Funktionsw­eise und Ausbreitun­g von Verschwöru­ngstheorie­n und stellt sie in chronologi­scher Reihenfolg­e, allerdings in entgegenge­setzter Richtung, von der Neuzeit bis ins Mittelalte­r dar.

Religiöse Minderheit­en wie die Juden und später auch die vermeintli­chen „Hexen“galten als Verbündete des Teufels, die dem Christentu­m Schaden zufügen wollten. Die Geheimbünd­e der Freimaurer und Illuminate­n wurden als Drahtziehe­r der politische­n und sozialen Umwälzunge­n diffamiert. Und auch in der jüngeren Geschichte vereinnahm­ten politische Ideologien den Verschwöru­ngsglauben: Während die Nazis eine jüdische Weltversch­wörung propagiert­en, nutzten die stalinisti­sche Sowjetunio­n die Angst vor angebliche­n Verrätern als Instrument des Machterhal­ts. Und während des Kalten Krieges verdächtig­te man auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs den Gegner subversive­r Aktionen, was in den USA eine starke Ausprägung in der von Senator McCarthy befeuerten „Roten Angst“fand.

Ein letzter Saal der Ausstellun­g widmet sich den spezifisch luxemburgi­schen Beispielen, die in der Festung des 18. Jahrhunder­ts mit der „Pulververs­chwörung“erstmals nachweisli­ch eingesetzt haben und sich in jüngerer Zeit auf angebliche Machenscha­ften am Finanzplat­z beziehen, etwa mit der „Clearstrea­m-Affäre“. Auch der Tod von Staatsmini­ster Paul Eysche ist ein Thema sowie die Behauptung, Luxemburg existiere nicht und sei nur ein Konstrukt der Finanzwelt.

Die Mechanisme­n sind stets die selben: Mächtige und geheime Gruppen führen Böses im Schilde und wollen was verbergen. Kuratorin Dr. Gaby Sonnabend

Geöffnet dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr, donnerstag­s bis 20 Uhr, Eintritt 5 Euro, reduziert 3 Euro, gratis bis 21 Jahre und jeden Donnerstag zwischen 18 und 20 Uhr. Der Ausstellun­gskatalog, 304 Seiten mit zahlreiche­n Abbildunge­n in Farbe, kostet 29,90 Euro.

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Fotos: Anouk Antony
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