In der Sackgasse
Warum ein Ende der schweren humanitären Krise in Syrien nicht in Sicht ist – mit oder ohne Assad
Die Enttäuschung war groß. Auf 8,54 Milliarden Euro hatten die Vereinten Nationen den Betrag beziffert, der zur Linderung der extremen Not in Syrien benötigt wird. Von den Geberländern zugesagt wurden am Ende 5,3 Milliarden. „Das wird verheerende Auswirkungen auf das Leben sehr vieler Syrer haben“, erklärte der Sprecher einer Gruppe von 37 Hilfsorganisationen. Es sei „extrem enttäuschend, dass mit Großbritannien und den USA zwei große Geber den Syrern den Rücken zukehrten“.
Tatsächlich haben die genannten Staaten ihre Syrienhilfe halbiert und, wie die meisten europäischen Staaten, die Vergabe ihrer Nothilfe mit politischen Forderungen verknüpft.
Dank seiner Verbündeten Russland und Iran sitzt Assad nach zehn Jahren Bürgerkrieg fest im Sattel. Die von den USA, vielen arabischen Staaten sowie auch Europa unterstützten Anstrengungen, das Regime in Damaskus mit militärischen Mitteln, also der Unterstützung der bewaffneten islamistischen Opposition, zu stürzen, sind gescheitert. Freiwillig, das ist sicher, wird Assad sobald nicht abtreten. Aus seiner Sicht sind praktizieren Europäer und Amerikaner einen „Wirtschaftsterrorismus“, der die Zivilbevölkerung in Geiselhaft nehme, um einen Regimewechsel in Damaskus zu erzwingen. Dadurch werde das Leid Jahr für Jahr verschärft.
Sowohl das Assad-Regime als auch seine politischen Widersacher werden sich sobald nicht bewegen. Die humanitäre Situation in Syrien hat sich derweil durch die Corona-Pandemie dramatisch verschlechtert. Der Kurs der Landeswährung hat konstant an Wert verloren. Gleichzeitig stiegen die Lebensmittelpreise im letzten Jahr um 250 Prozent. Neun von zehn Menschen leben unterhalb der Armutsgrenze. In Syrien greift der Hunger um sich.
Wiederaufbauhilfe
Vertreter von Hilfsorganisationen plädieren daher für eine unpolitische Betrachtung des Konflikts. Wiederaufbaumaßnahmen müssten endlich auch in den Gebieten zugelassen werden, die unter der Kontrolle des Assad-Regimes stünden. Neue Wege müssten gefunden werden, damit die Menschen einmal selbst für ihre Einkommen sorgen könnten, glaubt auch der Syrien-Koordinator der Welthungerhilfe, Konstatin Witschel: „Wir können nicht über Jahrzehnte riesige Flüchtlingslager aufrecht erhalten“.
Für die EU und die USA bleibt Wiederaufbauhilfe für Syrien ein Tabu, weil sie die Amtszeit von Assad verlängere. Stattdessen soll die humanitäre Hilfe prioritär in den Libanon und nach Jordanien fließen, wo mehr als zwei Millionen Syrer unter katastrophalen Bedingungen leben. Ihre Anwesenheit hat zu sozialen Spannungen mit der lokalen Bevölkerung geführt. Als wünschenswerten „Ausweg“nennen die Regierungen in Beirut und Amman die Rückkehr der Flüchtlinge in ihr Heimatland. Dass Assad dort weiterhin an der Macht ist, haben viele arabische Staaten inzwischen akzeptiert. Ägypten, die Vereinigten Arabischen Emirate und Tunesien haben sogar wieder Botschafter nach Damaskus geschickt.
Wir können nicht über Jahrzehnte riesige Flüchtlingslager aufrecht erhalten. Konstatin Witschel, Syrien-Koordinator der Welthungerhilfe