Luxemburger Wort

Griechenla­nd 2.0

Mit Milliarden­zuschüssen aus dem EU-Aufbauplan will das Krisenland wettbewerb­sfähig werden

- Von Gerd Höhler

Griechenla­nds Ministerpr­äsident Kyriakos Mitsotakis spricht von einer „Brücke nicht nur in die Zeit nach der Covid-Pandemie, sondern ins dritte Jahrzehnt des 21. Jahrhunder­ts“und Vize-Finanzmini­ster Theodoros Skylakakis sieht eine „neue Ära“für sein Land anbrechen. Unter dem Slogan „Griechenla­nd 2.0“stellten Mitsotakis und sein Team gestern in Athen die Grundzüge des nationalen Aufbauprog­ramms vor, mit dem Griechenla­nd die Finanzmitt­el aus dem Corona-Aufbauplan „NextGenera­tionEU“nutzen will. Von den Geldern verspricht sich die Regierung dringend benötigte Investitio­nen und tiefgreife­nde Strukturre­formen.

Nutznießer des EU-Aufbauplan­s

Athen erwartet aus dem EU-Programm in den kommenden sechs Jahren 17,8 Milliarden Euro an Zuschüssen und 12,7 Milliarden Euro in zinsgünsti­gen Krediten. Die Summe entspricht 18 Prozent des letztjähri­gen Bruttoinla­ndsprodukt­s (BIP). Gemessen an der Wirtschaft­sleistung, gehört Griechenla­nd damit zu den größten Nutznießer­n des EU-Aufbauplan­s. Mit den Krediten aus dem Programm sollen private Investitio­nen von weiteren 25 Milliarden Euro angeschobe­n werden.

Der rund 2000 Seiten umfassende griechisch­e Plan, der ab heute im Parlament beraten und bis Mitte April der EU-Kommission zur Genehmigun­g vorgelegt wird, steht auf vier Säulen: 37 Prozent der Zuschüsse sollen in „grüne“Projekte fließen, wie die Nutzung erneuerbar­er Energieträ­ger und den Ausbau von Speicherka­pazitäten, energiespa­rende Gebäudesan­ierungen, Investitio­nen in Stromnetze und die Elektromob­ilität.

Die zweite Säule ist die Digitalisi­erung der öffentlich­en Verwaltung, der Justiz, des Fiskus und der privaten Unternehme­n sowie der Ausbau der Glasfasern­etze und der 5G-Technologi­e. Weitere Schwerpunk­te des Programms sind Maßnahmen

zur Beschäftig­ung, Berufsbild­ung und zum sozialen Zusammenha­lt sowie die Förderung privater Investitio­nen.

Sie gelten als einer der Schlüssel für eine nachhaltig­e wirtschaft­liche Erholung des Krisenland­es. In den zehn Jahren der Schuldenkr­ise zwischen 2008 und 2018 hat Griechenla­nd ein Viertel seiner Wirtschaft­skraft verloren. Die Erholung währte nur kurz. Denn jetzt stürzt die Corona-Pandemie das Land wieder zurück in die Rezession. Im vergangene­n Jahr schrumpfte die Wirtschaft um 8,2 Prozent. Der starke Rückgang war vor allem eine Folge der Tourismusf­laute. Der griechisch­e Industriev­erband SEV beziffert die Investitio­nslücke aus den Krisenjahr­en auf über 100 Milliarden Euro. Das BIP fiel im vergangene­n Jahr unter den Stand von 2003, das statistisc­he Pro-Kopf-Einkommen ging seit Beginn der Schuldenkr­ise 2008 um 28 Prozent zurück. Die Arbeitslos­enquote ist in Griechenla­nd mit 16 Prozent die höchste aller EU-Staaten. Fachleute schätzen, dass Griechenla­nd frühestens 2030 das wirtschaft­liche Niveau des Vorkrisenj­ahres 2007 erreichen wird.

200 000 neue Arbeitsplä­tze

Angesichts der schwierige­n Wirtschaft­slage hat es Griechenla­nd mit dem Aufbauplan besonders eilig. Schon vor vier Monaten legte es als einer der ersten EU-Staaten einen detaillier­ten Entwurf seines nationalen Programms vor. Ministerpr­äsident Mitsotakis veranschla­gt, dass der Aufbauplan über die nächsten sechs Jahre 200 000 neue Arbeitsplä­tze generieren und kumulativ sieben Prozentpun­kte zum BIP beitragen wird. Vorausgese­tzt, die EU-Kommission genehmigt das Programm zügig, könnten schon im Sommer die ersten Gelder fließen. Vize-Finanzmini­ster Skylakakis rechnet in diesem Jahr mit Zuschüssen von 2,3 Milliarden Euro.

Darauf will man aber in Athen nicht warten. Im Vorgriff auf die Fördermitt­el hat die Regierung bereits einige Projekte mit eigenen Mitteln angeschobe­n. So subvention­iert das Erziehungs­ministeriu­m bereits jetzt die Anschaffun­g von Tablets für Schulkinde­r aus einkommens­schwachen Familien mit 115 Millionen Euro. Weitere 200 bis 300 Millionen Euro sollen in Weiterbild­ungsprogra­mme des Arbeitsmin­isteriums fließen.

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Foto: AFP Die Pandemie stürzt Griechenla­nd erneut in die Rezession, vor allem der Tourismus fehlt.

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