Razzia galt dem „Minister“
Europol zieht Bilanz nach Schlag gegen organisierte Kriminalität
Luxemburg. Bei der Razzia am Dienstag vor einer Woche sind nicht nur vier Tatverdächtige festgenommen worden, sondern auch vier Immobilien im Wert von mehreren Millionen Euro sowie fünf hochwertige Fahrzeuge beschlagnahmt. Zudem wurden Konten mit einem Stand von 187 000 Euro eingefroren, 26 000 Euro Bargeld und 50 Mobiltelefone sowie andere Kommunikationsgeräte sichergestellt. Das hat die Pressestelle von Europol gestern mitgeteilt.
Hintergrund der Aktion waren LW-Informationen zufolge Ermittlungen gegen eine Gruppierung serbisch-montenegrinischer Herkunft, die der organisierten Kriminalität zugerechnet wird. Die Zielpersonen aus Luxemburg sollen im großen Stil Einnahmen aus Drogengeschäften weißgewaschen haben. Das schmutzige Geld soll den Erkenntnissen aus den Ermittlungen zufolge aus dem Kokainhandel der Gruppe in Frankreich gestammt haben.
Lastwagen aus Luxemburg mit brisanter Fracht
Wie Europol schreibt, beginnen die Ermittlungen bereits im Jahr 2017 in Frankreich, als Zollbeamte in einem Lastwagen eines Luxemburger Unternehmens insgesamt 225 990 britische Pfund sicherstellen. Das sind in etwa 265 000 Euro.
Als zwei Jahre später die französische Polizei zudem eine große Menge Kokain sicherstellt, offenbart der Informationsaustausch zwischen den Behörden einen Zusammenhang zwischen den beiden Fällen. Nach und nach ergeben sich zudem weitere Erkenntnisse zur Organisation des international agierenden Drogennetzwerks und auch zu den Geldwäschestrukturen der Tätergruppe.
Im Zusammenhang mit der Spur nach Luxemburg leitet die Staatsanwaltschaft aus Lille Finanzermittlungen ein, die vom European Financial and Economic Crime Centre (EFECC) von Europol unterstützt werden. Das führt der Pressemitteilung zufolge dazu, dass eine klare Verbindung zwischen dem Kokainhandel und der mit der Geldwäsche befassten Branche der organisierten Gruppe nachvollzogen werden kann.
In der Folge werden geheimdienstliche Erkenntnisse und Finanzanalysen via Europol ausgetauscht und Treffen zwischen den spezialisierten Ermittlern aus Frankreich, Luxemburg und Deutschland organisiert.
Ebenfalls Razzia im deutschen Grenzort Nennig
Als gegen 4.30 Uhr am Dienstag vergangener Woche auf Antrag der Staatsanwaltschaft Lille rund 100 Einsatzkräfte gemeinsam mit Spezialeinheiten und Hundestaffeln in Luxemburg zuschlagen, sind auch zwei Experten von Europol mit einem mobilen Einsatzzentrum beteiligt.
Zeitgleich werden insgesamt 14 Hausdurchsuchungen durchgeführt – auch in Remich, Esch/Alzette, Ettelbrück und Strassen. In Esch haben die Fahnder ein Mehrfamilienhaus mitsamt Büroräumen
in der Rue de Luxemburg im Visier. In Remich sind es eine Shisha-Bar, ein Restaurant und ein Immobilienunternehmen. In der Rue de Warken in Ettelbrück ist es ebenfalls ein Haus. Über das Ziel in Strassen war bislang noch nichts in Erfahrung zu bringen.
Wie das saarländische Landespolizeipräsidium in einem eigenen Presseschreiben mitteilt, werden bei der parallelen Durchsuchung einer Wohnung in Nennig gleich jenseits der deutschen Grenze Bankunterlagen, Ausweispapiere, Handelsregisterauszüge und andere Unterlagen sichergestellt.
Am Zugriff im Saarland sind der Mitteilung zufolge Beamte der deutschen Spezialeinheiten, der Diensthundestaffel sowie der Dezernate für Rauschgiftkriminalität, Analyse und Auswertung und internationale Zusammenarbeit im Einsatz.
„Der Minister“mit dem auffälligen Lebenswandel
Ziel der Operation, die Europol in seiner Mitteilung mit „Follow the Money“(Folge dem Geld) übertitelt, ist es, die gesamte Finanzsparte des kriminellen Netzwerks auszuheben. Dabei haben die Ermittler
insbesondere den Bandenführer, der unter dem Decknamen „der Minister“operierte, im Visier.
Der Mann, der in der balkanstämmigen Gemeinschaft in Luxemburg sehr bekannt ist, und durch seinen plötzlichen und deutlich zur Schau gestellten Wohlstand seit 2017 für reichlich Gesprächsstoff gesorgt hat, kann in Luxemburg zeitgleich mit drei anderen Tatverdächtigen festgenommen werden.
Wie es heißt, wird auch gegen Mittelsmänner und Lastwagenfahrer eines Luxemburger Unternehmens ermittelt, die am Schmuggel von Drogen und Bargeld quer durch Europa beteiligt gewesen sein sollen.
Eine Verbindung zum entschlüsselten kriminellen Kommunikationsnetz Encrochat wird in der Pressemitteilung nicht explizit erwähnt.
Allerdings ist bekannt, dass die Staatsanwaltschaft aus Lille, die die „Follow the money“-Operation führte, die Hoheit über die Auswertung der im Juli 2020 sichergestellten Encrochat-Chatprotokolle innehat und diese die Grundlage für mehrere Tausend Ermittlungsverfahren im Kampf gegen die organisierte Kriminalität und den internationalen Drogenhandel darstellen.