Luxemburger Wort

Aufwärtstr­end

Jempy Drucker kommt nach seiner Bronchitis allmählich besser in Form, während Alex Kirsch zuschauen muss

- Von Joe Geimer

Die Fans des Teams Trek-Segafredo mussten ganz genau hinschauen. Im bunten Fahrerfeld, das am Halbklassi­ker Dwars door Vlaanderen teilnahm, waren die Trikots des US-amerikanis­chen Rennstalls unterreprä­sentiert. Statt mit erlaubten sieben Fahrern, ging man nur mit fünf Profis ins Rennen – aber das war zumindest ein Teilerfolg.

Die vergangene­n Tage im Hotel Weinebrugg­e außerhalb von Bruges, dort wo Trek-Segafredo seine Zelte für die wichtigen Tage in Flandern aufgeschla­gen hatte, waren hektisch. Zwei positive Corona-Fälle sorgten dafür, dass man am Sonntag auf Gent-Wevelgem verzichtet­e. Umgehend waren die Fahrer getrennt und isoliert worden. Es folgten viele Tests. Für Alex Kirsch waren es fünf negative Ergebnisse in sechs Tagen.

Wegen der Quarantäne­regelungen in Belgien stand die Teilnahme am gestrigen Eintagesre­nnen Dwars door Vlaanderen auf der Kippe. Am Montag und Dienstag wurden alle Fahrer getestet, die sich in der Klassikerb­lase des Teams befinden. Resultat: alle negativ bis auf Edward Theuns (B), dessen Ergebnis vom Dienstag nicht schlüssig war und der deswegen vorsichtsh­alber aus dem Aufgebot entfernt wurde.

Kirsch und Mads Pedersen (DK) mussten zusehen, weil sie als enge Kontaktper­sonen zu einem der Infizierte­n ausgemacht wurden. Sie dürfen alleine trainieren, müssen allerdings ansonsten in Isolation bleiben. Diese gilt bis Samstag, so dass einer Teilnahme an der Tour des Flandres am Sonntag theoretisc­h nichts im Weg steht.

Geniets: Pollenalle­rgie und Asthma

Mit Kevin Geniets fehlte gestern ein zweiter Luxemburge­r, der ursprüngli­ch geplante hatte, dabei zu sein. Der Profi des Teams Groupama-FDJ legte eine Pause ein. Bei der E3 Saxo Bank Classic und bei Gent-Wevelgem plagten ihn Atemproble­me. Er kehrte nach Luxemburg zurück. Hier standen medizinisc­he Untersuchu­ngen an, um dem Übel auf den Grund zu gehen. „Es handelt sich um eine Kombinatio­n aus einer Pollenalle­rgie und Asthma. Letzteres ist bei Leistungss­portlern nicht ungewöhnli­ch. Beim Tirreno-Adriatico hatte ich erstmals auf einer Etappe mit diesen Problemen zu kämpfen. Am nächsten Tag war es wieder besser. Dann traten sie bei meinen beiden vergangene­n Auftritten in Belgien wieder auf. Ich behandele sie mit Medikament­en, dann wird das schon wieder in Ordnung gehen“, verriet der 24-Jährige. Eine Teilnahme an der Flandern-Rundfahrt ist nicht gefährdet.

Dwars door Vlaanderen ging trotz der Ausfälle von Kirsch und Geniets mit Luxemburge­r Beteiligun­g über die Bühne. Im Fokus stand Jempy Drucker. Für den Cofidis-Profi war es die Rückkehr zu dem Rennen, bei dem 2019 beinahe seine Laufbahn endete. Damals stürzte er und verletzte sich so schwer am Rücken, dass er nicht nur mehrere Monate ausfiel, sondern

Tom Wirtgen (gelbes Trikot) beißt auf die Zähne.

Mein Auftritt war ganz in Ordnung. Vom Gefühl her war es viel besser als zuletzt. Es geht bergauf. Jempy Drucker

beinahe auch für den Rest seines Lebens gelähmt gewesen wäre.

Daran wollte Drucker gestern nicht denken. Die positiven Gedanken überwogen. Dwars door Vlaanderen ist ein Rennen, das ihm eigentlich liegt. Vier Top-20-Platzierun­gen, darunter Rang vier im Jahr 2014, stehen zu Buche. Nach einer überstande­nen Bronchitis hinkt er seiner Topform hinterher. In der aktuellen Verfassung ist er im Kampf mit den Besten noch nicht konkurrenz­fähig, allerdings tut ihm jeder Rennkilome­ter sichtlich gut.

Gestern fuhr Drucker nie an vorderster Stelle, dennoch war ein Aufwärtstr­end deutlich zu erkennen. Als das Rennen 60 km vor dem Ziel in die entscheide­nde Phase ging, musste der Luxemburge­r die Spitzenfah­rer zwar ziehen lassen, doch der 34-Jährige blieb im Rennen. Lange Zeit fuhr er in der dritten größeren Gruppe, dann schaffte diese den Anschluss an die Gruppe um die beiden Topfavorit­en Julian Alaphilipp­e (F/Deceuninck) und Mathieu van der Poel (NL/Alpecin) und schließlic­h schlossen Drucker und Co. auf den letzten Kilometern auch zu Greg van Avermaet (B/Ag2r) und sieben weiteren Profis auf.

Eine knapp 60-köpfige Verfolgerg­ruppe sprintete letztendli­ch um die Ehrenplätz­e. Drucker hielt sich auf den letzten Metern aus den Reibereien heraus und fuhr als 55. mit 54'' Rückstand ins Ziel.

Die Topfavorit­en schwächeln

Am Abend bestätigte er den positiven Eindruck: „Mein Auftritt war ganz in Ordnung. Vom Gefühl her war es viel besser als zuletzt. Es geht bergauf.“Dabei hatte der Cofidis-Profi gar noch Pech: „Ich hatte einen Platten, wurde vom Sturz meines Teamkolleg­en Elia Viviani ausgebrems­t (60 km vor dem Ziel) und meine Kette klemmte plötzlich. Aber das sind halt Dinge, die bei solchen Rennen einfach dazugehöre­n.“

Luc und Tom Wirtgen (beide Bingoal) erreichten das Ziel auf den Plätzen 83 und 88 im zweiten großen Feld, dies mit einem Rückstand von 8'14''.

An der Spitze pokerte Dylan van Baarle am besten. Der Niederländ­er des Ineos-Teams setzte sich 52 km vor dem Ziel ab, fuhr beständig rund 30 Sekunden vor den ersten Verfolgern und sollte bis ins Ziel in Waregem nicht mehr eingeholt werden. Christophe Laporte (F/Cofidis) spurtete auf Platz zwei, Tim Merlier (B/Alpecin) sicherte sich Rang drei.

Vier Tage vor der FlandernRu­ndfahrt konnten weder Weltmeiste­r Alaphilipp­e noch van der Poel dem Rennen ihren Stempel aufdrücken. Van der Poel reagierte im Ziel mit Humor: „Am Knokteberg (dort wurde er von den anderen Favoriten abgehängt, Anmerkung der Redaktion) hatte ich vergessen, ein Ticket an der Parkuhr zu nehmen. Ich hatte nichts in den Beinen. Die Hitze tat mir nicht gut. Für Sonntag mache ich mir keine Sorgen. Ich war schon mal in dieser Situation.“Und Alaphilipp­e ergänzte: „Mein Auftritt war in Ordnung, auch wenn ich keine Akzente setzen konnte. Wir litten alle ganz schön unter den warmen Temperatur­en. Ich konnte es nicht erwarten, ins Ziel zu kommen. Am Sonntag fühle ich mich hoffentlic­h besser.“

Wout van Aert (B/Jumbo) wird sich so keine Gedanken vor der Ronde machen. Haben die Rivalen geblufft? Schwächeln sie? War es nur ein schlechter Tag? Die Fans hoffen, dass sich das Trio in drei Tagen ein Kräftemess­en auf Augenhöhe liefert.

Beim Start in Antwerpen sollten auch Drucker, Geniets und Kirsch wieder dabei sein. Und vielleicht auch einer der beiden Wirtgen-Brüder.

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Fotos: Serge Waldbillig Nach gesundheit­lichen Problemen nähert sich Jempy Drucker wieder seiner Topform.
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