Luxemburger Wort

„Unsere Sendung ist familienta­uglich“

Michael Bully Herbig über sein neues Comedy-Format auf Amazon Prime Video und Humor unter der Gürtellini­e

- Interview: Martin Weber

Wer zuletzt lacht, lacht am besten – und wer es zu früh tut, der scheidet aus: Michael „Bully“Herbigs neue Comedyshow „LOL: Last One Laughing“– zu sehen ab heute auf Amazon Prime Video – überrascht mit einem ungewöhnli­chen Konzept. Der 52-jährige Entertaine­r hat für die sechsteili­ge Show renommiert­e Kollegen wie Anke Engelke, Wigald Boning, Carolin Kebekus oder Kurt Krömer in einem Raum versammelt, wo die Spaßmacher das tun, was sie am besten können – Quatsch machen und Gags abliefern. Die Kandidaten dürfen jedoch über die Pointen und Sketche der jeweils anderen auf keinen Fall lachen – und wer sich nicht beherrsche­n kann, fliegt raus.

Michael Bully Herbig, das ungewöhnli­che Motto Ihrer sechsteili­gen Comedyshow lautet „Wer lacht, fliegt raus“. Hat der Zuschauer trotzdem was zu lachen?

Unbedingt, was einfach mit den unfassbare­n Comedytale­nten zu tun hat, die sich da tummeln. Wenn Comedygran­aten wie zum Beispiel Anke Engelke, Kurt Krömer, Carolin Kebekus oder Max Giermann loslegen und die anderen dürfen auf keinen Fall darüber lachen, ist das alleine schon zum Brüllen. Jeder hat doch schon mal Situatione­n erlebt, in denen man sich das Lachen verkneifen musste, in der Schule, in der Kirche oder sonst wo – wenn man nicht lachen darf, ist der Reiz, genau das zu tun, bekannterm­aßen umso größer.

Der Reiz für den Zuschauer besteht also darin, Humorprofi­s dabei zu beobachten, wie sie sich das Lachen verkneifen …

Genau, und das ist kaum noch zu toppen. Es ist auf der einen Seite unheimlich lustig mitanzuseh­en, was die Kollegen so abliefern, aber fast noch lustiger ist, wie die anderen gegen den Reflex, lauthals loszulache­n, ankämpfen. Da schaut die eine angestreng­t weg, da verkrampft sich beim anderen die Mimik, Teddy Teclebrhan hat sich immer wieder mit der geballten Faust auf den Oberschenk­el geschlagen, um ein Lachen zu verhindern. Ich habe mich in meinem Kontrollra­um, von dem aus ich alles beobachten durfte, weggeschmi­ssen. Das Ganze ging ja über sechs Stunden, und ich habe schon nach fünf Minuten gedacht, das würde ich nicht überleben.

Es gibt ja nichts Schlimmere­s für einen Komiker, als wenn nicht gelacht wird. Haben Sie das in Ihrer langen Karriere mal erlebt?

Natürlich, und das ist ein ganz furchtbare­s Gefühl. Wir haben ja früher auch Live-Sketche in der

TV-Show „bullyparad­e“vor Publikum aufgezeich­net, und da kam es schon mal vor, dass eine Pointe nicht wie geplant gezündet hat. Aber weil wir immer viele Fans im Studio hatten, wurde meist auch bei den schlechten Gags freundlich gelacht. (lacht) Für einen Comedian ist es ein Albtraum, wenn nicht gelacht wird. Vor allem, wenn man selber denkt: „Warum lachen die nicht, das war doch ‘ne spitzenmäß­ige Pointe?“

Wie geht man damit um?

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Gag. Es gibt übrigens auch die gegenteili­ge Erfahrung: Du bringst einen Gag, von dem du gar nicht so überzeugt bist, und alle schmeißen sich weg. Diese Erfahrung habe ich schon das ein oder andere Mal gemacht, wenn ich mich ins Kino geschliche­n habe, um die Reaktion der Zuschauer auf meine Filme zu beobachten. Da wurde hin und wieder auch an Stellen losgebrüll­t, die ich gar nicht so gelungen fand – und bei meinen Favoriten kam nur verhaltene­s Gekicher. Das kann übrigens auch von Publikum zu Publikum regional verschiede­n sein. Über Stellen, an denen sich die einen schlapplac­hen, können die anderen nur grinsen – oder umgekehrt.

In der Show spürt man auch die Irritation der Comedians, wenn bei ihrem Auftritt nicht gelacht wird, obwohl das ja zum Spiel gehört.

Auch weil plötzlich das Timing nicht mehr stimmt. Du berechnest bei einer Nummer die Lachpausen intuitiv mit ein, und wenn in diesen paar Sekunden überhaupt nichts passiert, ist das erst mal komplett irritieren­d. Damit muss man erst mal umgehen.

Wer von den Kollegen hat Sie am meisten überrascht?

Ich war von Teddy Teclebrhan unheimlich überrascht. Wir haben vor der Aufzeichnu­ng jedem gesagt, man sollte so drei, vier Nummern im Gepäck haben. Bereitet einfach was vor, was euch gefällt. Ich hatte den Eindruck, Teddy hat kaum etwas vorbereite­t, der ist einfach reingegang­en und hat sich gesagt: Okay, ich improvisie­re mich da durch. Dabei ist eine Form von Anarchie entstanden, die ich mir erhofft hatte, und die meine Erwartunge­n weit übertroffe­n hat. Das war einfach toll. Wir hatten einfach alles am Start: vom Wortwitz eines Torsten Sträter bis zum Slapstick von Mirco Nontschew.

Was finden Sie denn persönlich lustiger – intellektu­ellen Wortwitz oder körperbeto­nte Komik aus dem Instinkt heraus?

Kann ich gar nicht so genau sagen, ich bin prinzipiel­l allem gegenüber sehr offen. Hauptsache lustig, würde ich sagen. Wenn der Impuls zu lachen ausgelöst wird, ist doch alles gut.

Und was mögen Sie gar nicht?

Wenn es übertriebe­n zynisch wird oder gemein, wenn Menschen beleidigt werden. Dann kann ich einfach nicht so befreit auflachen. Wobei mir schon klar ist, dass jeder diese Schmerzgre­nze für sich anders definiert – was der eine noch lustig findet, geht beim anderen gar nicht. Die sogenannte Gürtellini­e trägt der eine oben am Hals und der andere hat sie am Knöchel. Wenn ich mir zum Beispiel die japanische Version unserer Serie so angucke …

Was machen die japanische­n Kollegen denn anders?

Die sind ungemein brachial: Da wird geschrien, die ziehen auch mal blank und schrecken sogar vor leichten Schlägen nicht zurück. (lacht) So wollten wir es jedenfalls nicht haben: Unsere Sendung ist absolut familienta­uglich, da kann ein Zehnjährig­er genauso drüber lachen wie ein 90Jähriger.

„LOL“ist nach längerer Zeit Ihre erste Arbeit fürs Fernsehen. Warum haben Sie so lange pausiert?

In erster Linie, weil ich mit meinen Kinoprojek­ten beschäftig­t war. Wobei ich zugeben muss, dass mir auch die zündende Idee für eine Fernsehsho­w fehlte. Ich freue mich sehr, dass wir diese Show mit dem Streaminga­nbieter Amazon realisiere­n konnten, ich hätte sie aber auch im klassische­n Fernsehen gemacht, wenn sich das angeboten hätte.

Für einen Comedian ist es ein Albtraum, wenn nicht gelacht wird.

Sie gehören zu den Leuten, die den Comedyboom in den Neunzigern mit losgetrete­n haben. Sind Sie zufrieden, wie sich die Comedyszen­e im Fernsehen entwickelt hat?

Ich habe den Eindruck, dass es sich die Verantwort­lichen manchmal ein bisschen zu einfach machen. Aber es gibt auch ein paar richtig gute Sachen.

Welche denn?

Die Show von Jan Böhmermann zum Beispiel. Da spricht einer eine halbe Stunde lang in die Kamera und man fragt sich, ob das jetzt noch Comedy, Satire oder schon Journalism­us ist. Find ich super.

Wäre das etwas für Sie?

Nein, überhaupt nicht. Das kann Jan Böhmermann definitiv besser.

Wenn es übertriebe­n zynisch wird oder gemein, wenn Menschen beleidigt werden. Dann kann ich einfach nicht so befreit auflachen.

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Fotos: Amazon.com Sitzt im Hintergrun­d und hat die Fäden in der Hand: Michael Bully Herbig. Er beobachtet seine Kollegen bei ihren Versuchen, die Mitspieler zum Lachen zu bringen.
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Das Who's-who der deutschspr­achigen Comedyszen­e ist mit von der Partie – darunter Anke Engelke und Rick Kavanian, mit dem Bully Herbig unter anderem für „Der Schuh des Manitu“vor der Kamera stand.

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