Dekanat Osten
Pfarrei Dräilännereck Musel a Ganer Saint-Nicolas
Die Kirche in Canach.
Luxemburg. „Es genügt nicht, dass der Gendarm stark und mutig, sowie willig und diensteifrig ist, er muss mit diesen Eigenschaften auch eingehende berufliche Kenntnisse und Fähigkeiten verbinden.“Paul Heinrich kennt den Leitfaden des Gendarmen bis heute noch inund auswendig. Denn die Gendarmerie, das war sein Leben – zumindest von 1958 bis 1995.
26 Jahre später blickt er nun in einem Buch auf seine Berufung zurück und gewährt dabei tiefe Einblicke in das Innenleben eines Korps, das sich stets als Elite verstand. Es ist inzwischen das siebte Buch, das der 82-Jährige veröffentlicht. Immer geht es dabei um Geschichtliches – diesmal erzählt Paul Heinrich auch seine eigene.
Und die verlief vielleicht nicht ganz so geradlinig, wie man sie sich vorstellen könnte. Denn bereits sein Vater war Gendarm. Doch für den war klar, ganz gleich, was der Sohn Mitte der 1950er-Jahre als Teenager wollte, das Gendarmeriekorps sollte es nicht sein. Polizist, das war für den Vater in Ordnung, Gendarm keinesfalls.
Fehlender Bartwuchs als Karrierebremse
Aber es ist eben das Unvorhersehbare, es sind die Stolpersteine, die das Leben so spannend machen, und dazu führen, dass Paul Heinrich doch den Weg findet, den er sich bereits in jungen Jahren ersehnt. Mit der klaren Absicht, zu den Sicherheitskräften zu kommen, meldet er sich mit 17 Jahren zum Armeedienst. Und es ist gleich sein junges Alter, das ihm hier den Weg versperrt.
Als Sergeant will man ihn nämlich dort nicht haben: „Sie haben noch nicht einmal Bartwuchs, wie sollen Sie dann ältere Soldaten kommandieren“, stellt man unmissverständlich klar. Paul Heinrich bleibt nichts anderes übrig, als das mit Humor zu nehmen und bewirbt sich als Korporal – die Voraussetzung, um Polizist oder Gendarm zu werden. Und damit lässt er sich auf eine Welt ein, die das Leben in der Armee in den 1950erJahren in Sachen Ordnung und Disziplin als das reinste Zuckerschlecken erscheinen lässt.
Gleich der erste Tag in der Ausbildung beginnt beispielsweise mit einem bis heute unvergessenen Anschiss. Statt gleich nach dem Einquartieren die Nase in die Lehrbücher zu stecken, hatte Korporal Heinrich mit seinen Kameraden ein Kartenspiel vorgezogen. Und der Tag endet, wie er in seinem Buch nun ausführt, mit der Frage: Darf der wutentbrannte Fremde in Bürouniform überhaupt so mit den Anwärtern reden? Ja, der Oberwachtmeister durfte das!
Es wird nicht der einzige Tadel bleiben. Denn der Weg zur Gendarmerie musste für Paul Heinrich zunächst an seinem Vater vorbeiführen. Ein Versprecher bei einem Ausbilder führte schließlich dazu, dass ein Major bei seinem Vater aufkreuzte und die Angelegenheit kurzerhand klärte.
Und auch das ist nicht das einzige Mal, dass der junge Paul Heinrich den Mund etwas zu voll nimmt. So etwa, als die Anstellung als Gendarm sich zu lange hinzieht, und er sich mit einem Kameraden in einer Bar im Bahnhofsviertel bei seinem Onkel den Frust von der Seele redet. Der fackelt nicht lange, setzt die beiden jungen Männer prompt in ein Taxi zum Minister und 30 Minuten später ist die Sache geklärt.
In seinem Buch, zu dem übrigens der langjährige Gendarmeriekommandant Aloyse Harpes den Anstoß gab, beschränkt sich Paul Heinrich aber längst nicht auf mit Witz und Humor gespickte Anekdoten aus seinem Lebenslauf. In mühevoller Kleinstarbeit hat er all das zusammengesammelt, was die Gendarmerie einst ausgemacht hat. Und das hat sicherlich nur sehr wenig mit dem zu tun, wie Polizei heute geht.
Besonders deutlich zeigt das die Ausbildung, etwa der Grundkurs Jagd, den angehende Gendarmen damals absolvieren mussten und an den sich Paul Heinrich bestens erinnert: Der Schulleiter, Oberleutnant Heisbourg, fragt die Anwärter in Deutsch mit ausgeprägtem luxemburgischen Akzent ab: „Morgens kommen Sie in Ihren Garten, da sind 15 Wildschweine dabei, ihren Kabes zu fressen. Sie nehmen einen Heil und schlagen sie alle 15 tot. Sie laden sie in ihre Döschewo und fahren sie damit zum Metzger. Geht das?“
Ein Schüler antwortet: „Nein, Herr Oberleutnant. Das geht nicht. Sie können keine 15 Wildschweine in eine Döschewo packen.“Doch ganz klar, das ist nicht die Antwort, die der Ausbilder hören will. „Setzen Sie sich“, befiehlt er dem Schüler. „Sie sind ein Esel. Die Police wartet nicht auf Sie.“
Auch sonst sind in der Gendarmerie klare Ansagen und Gehorsam im „Kampf gegen die Laster und bösen Leidenschaften“an der Tagesordnung – doch das nicht uneingeschränkt. Neben tiefgreifenden Einblicken in Vorschriften, Historie, Organisation und ganz allgemein den Alltag der Gendarmen aus dem 20. Jahrhundert zeigt Paul Heinrich auch Grenzen auf – vor allem menschliche.
Zwischen Berufsehre und Gewissenskonflikten
So befasst er sich nicht nur mit jenen Einsätzen, die ihn fürs Leben gezeichnet haben, sondern auch beispielsweise mit Gewissenskonflikten. Ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen, schildert er, wie er sich auch schon mal Vorschriften widersetzt hat – etwa, als ihm befohlen wurde, gefährliche belgische Schwerverbrecher in den 1980er-Jahren einfach über die Grenze zu setzen. Er erzählt ebenso, warum er die Gendarmerie trotz aller Liebe bereits mit 56 Jahren mit viel Frust verließ, obwohl er noch hätte vier Jahre bleiben können. Und davon, wie vorbildlich Polizei und Gendarmerie zusammengearbeitet haben, lange vor der Fusion.
Die Gendarmerie steht in beständigem Kampf gegen die Laster und bösen Leidenschaften. Leitfaden für Gendarmen
Die Gendarmerie, wie ich sie kannte, Paul Heinrich, 319 Seiten, Preis 45 Euro. Ausschließlich über das Polizeimuseum zu beziehen. Tel: 24440-9741 www.policemusee.lu