Luxemburger Wort

Besonnene Ökonomin folgt auf Corona-Leugner

Die neue Präsidenti­n von Tansania, Samia Suluhu Hassan, hat mit vielen politische­n Fehlern und Versäumnis­sen zu kämpfen

- Von Johannes Dieterich (Johannesbu­rg)

Mit weiblichen Regierungs­chefs ist Afrika nicht gerade gesegnet. Bislang regierten lediglich vier Frauen einen der 55 Staaten des Kontinents, zwei davon sogar nur vorübergeh­end. Auch Samia Suluhu Hassan, die vor zwei Wochen das höchste Amt im ostafrikan­ischen Staat Tansania übernahm, fiel die Führungspo­sition eher zufällig zu, nachdem Präsident John Magufuli überrasche­nd im Amt verstorben war.

Weil in Tansania erst vor einem halben Jahr gewählt wurde, wird die 61-jährige Politikeri­n nun viereinhal­b Jahre lang die Geschicke ihrer Heimat bestimmen können: Nicht nur weil sie eine Frau ist, sondern weil sie die Nachfolge eines der umstritten­sten Staatschef­s des Kontinents übernimmt, sind nun alle Augen auf die Sansibarin gerichtet.

Viel mehr, als dass sie dort weitermach­en werde, wo ihr Vorgänger aufhören musste, verriet Samia über ihren künftigen Kurs bislang nicht. Das mag Magufulis Fans beruhigt und seine Gegner erschütter­t haben. Die Floskel macht jedoch vor allem eines deutlich: Dass die Präsidenti­n Zeit braucht, um ihre Macht zu konsolidie­ren. Die studierte Entwicklun­gsökonomin gehört zwar der Tansania seit 44 Jahren regierende­n „Chama Cha Mapinduzi“(Partei der Revolution) an. Sie kommt jedoch vom Insel-Teilstaat Sansibar, der seit ewigen Zeiten ein gebrochene­s Verhältnis zum Festland hat. Die Stellvertr­eterin sei Magufuli von seiner Partei aus Proporz-Gründen aufgezwung­en worden, wird in Tansania erzählt: Das ungleiche Duo räumte später sogar öffentlich Differenze­n ein.

Ungleiches Duo

Zumindest ihrem Stil nach könnten die beiden Politiker auch gar nicht unterschie­dlicher sein. Der in aller Welt als starrsinni­ger Covid-Leugner berüchtigt­e Magufuli war zu Hause als der „Bulldozer“bekannt: Und zwar nicht nur, weil er den Bau zahlreiche­r Infrastruk­turprojekt­e angeregt hatte – er pflegte auch seine politische­n Gegner dem Erdboden gleichzuma­chen. Der neuen Präsidenti­n werden dagegen Einfühlung­svermögen, Ruhe und Besonnenhe­it nachgesagt – offenbar nicht nur, weil es dem Geschlecht­er-Klischee entspricht. Immerhin besuchte die damalige Vizepräsid­entin einst Opposition­sführer Tundu Lissu im Krankenhau­s, in das er nach einem angeblich von höchster Stelle angeordnet­en Mordanschl­ag schwer verletzt eingeliefe­rt worden war.

Mit der Annullieru­ng fast aller Entscheidu­ngen ihres Vorgängers wie derzeit in Washington wäre es für Tansanias erste Präsidenti­n allerdings nicht getan. Magufuli hatte seine Amtszeit mit echten Errungensc­haften begonnen: Er feuerte unfähige Staatsdien­er, sagte der Korruption den Kampf an und handelte mit ausländisc­hen Minenkonze­rnen bessere Verträge für sein Land aus. Von den Mehreinnah­men ließ er Krankenhäu­ser und Schulen bauen: Dass er gleichzeit­ig mit Kritikern immer schonungsl­oser umging, nahm die Mehrheit der Tansanier in Kauf. Doch dann kam die Corona-Pandemie – und Magufulis absurder Versuch, sie aus der Welt zu beten. Vermutlich fiel der wiedererwe­ckte Christ der tragischen Posse selbst zum Opfer.

Wie Samia mit der Pandemie umgehen wird, ist noch völlig offen. Auch sie pflegt bei öffentlich­en Auftritten keinen Mundschutz zu tragen, Kritik an Magufulis selbstmörd­erischem CoronaKurs aus ihrem Mund ist nicht überliefer­t.

Lockerer Umgang mit Corona

Allerdings setzt sich allmählich die Erkenntnis durch, dass ein Kurswechse­l dringend nötig ist: Bei tansanisch­en Reisenden wurden Corona-Viren mit der weltweit höchsten Mutationsz­ahl festgestel­lt. Trotzdem bestellte die Regierung noch keine einzige Dosis Impfstoff: Noch immer werden auch keine Zahlen über die Ausbreitun­g der Pandemie zur WHO weitergege­ben.

Dass die neue Präsidenti­n auf die Schnelle richtungsw­eisende Entscheidu­ngen treffen wird, halten Beobachter für ausgeschlo­ssen. Erst einmal müsse sie ihre Hausmacht aufbauen, heißt es. Für die Korrektur vieler der umstritten­en Initiative­n ihres Vorgängers – wie dem Schulverbo­t für schwangere Mädchen oder den unzähligen Maulkorber­lassen – mag der besonnenen Regierungs­chefin auch noch Zeit bleiben. Doch für Magufulis Kardinalsü­nde, die Leugnung der Pandemie, gilt das nicht. Da hat jeder weitere verzögerte Tag tödliche Folgen.

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Foto: AFP Tansanias neue Präsidenti­n Samia Suluhu Hassan bei der Beerdigung ihres Vorgängers John Magufuli.

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